Anzeige

Steuerpolitik Finanztransaktionssteuer: der Taschenspielertrick von Olaf Scholz

Finanzminister Olaf Scholz
Finanzminister Olaf Scholz
© dpa
Die Finanztransaktionssteuer wackelt – deswegen will der Finanzminister jetzt den Sparerfreibetrag erhöhen, um die Kleinsparer zu besänftigen. Denn von dem neuen Gesetz hängt die Einführung der Grundrente ab

Die neue Idee, mit der Olaf Scholz seine Finanztransaktionssteuer (FTT) retten will , erinnert schwer an das Prinzip linke Tasche, rechte Tasche. Denn bisher ist die Steuer des Finanzministers zwar an etlichen Fronten nicht mehrheitsfähig – doch Scholz braucht die Einnahmen daraus dringend. Denn nur damit kann er die von der Koalition überaus zäh ausgehandelte Grundrente finanzieren. Deshalb hat sich der Finanzminister nun offenbar etwas Neues überlegt: Es ist bisher nur ein Konzept, das unter der Hand die Runde machte und noch kein offizieller Plan, aber der Finanzminister will wohl den Sparerpauschbetrag für alle Bürger anheben. Im Gegenzug dafür, dass er die Steuer auf die Wertpapiergeschäfte doch erheben wird.

Das hieße: Anleger würden dann zwar beim Kauf von Aktien, Fonds und Indexfonds künftig die zusätzlichen Kaufsteuern in Form der Finanztransaktionssteuer zahlen (linke Tasche). Dafür aber könnte jeder Bürger pro Jahr 50 Euro zusätzlich an Kapitaleinnahmen steuerfrei behalten (rechte Tasche). Insgesamt müsste er dann für Erträge in Höhe von 851 Euro pro Jahr also keine Steuern entrichten. Bei Verheirateten wären es 1702 Euro, also 100 Euro mehr. Scholz glaubt, das wäre die rettende Idee. Die Fraktion von CDU/CSU findet sie zumindest „interessant“ und will sie genauer prüfen.

Ob die FTT dank dieses Taschenspielertricks aus dem Finanzministerium nun Wirklichkeit wird, sei mal dahingestellt. Interessant sind auf jeden Fall zwei Fragen: Welches Signal sendet Olaf Scholz damit? Und ist die Steuererleichterung beim Pauschbetrag tatsächlich ein angemessener Ausgleich für die Einführung der neuen Transaktionssteuer?

Ausgeprägter Steuerspartrieb

Zumindest Letzteres darf man bezweifeln. Natürlich kommen Steuererleichterungen in diesem Lande stets gut an. Branchenkalauer betonen nicht umsonst, es gebe einen Trieb, der bei den Deutschen noch stärker ausgebildet sei als der Sexualtrieb: das sei der Steuerspartrieb. Wann immer man dem Bürger in Aussicht stellt, er könne Steuern sparen, nimmt er solche Möglichkeiten dankbar an. Er wähle Steuervergünstigungen sogar noch lieber als Subventionen und Fördermittel in derselben Höhe, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung herausgefunden.

Ein beredtes Zeugnis davon legen die Unsummen von windigen Schiffs-, Container- oder Filmfonds ab, die Anleger unter dem Stichwort „Steuersparmodell“ zeichneten. Und die später in die Pleite segelten. Oder die Schrottimmobilien, die ihnen provisionshungrige Verkäufer im Nachwende-Bauboom aufschwatzten. Mit denen sie ebenfalls viel Geld verloren. All das vernichtete bereits viel Kapital und so manche Altersvorsorge, gerade weil das Etikett „Steuern sparen“ draufstand – und viele deshalb anscheinend gar nicht mehr richtig drüber nachdachten, womit sie das eigentlich tun würden.

Nun will Scholz aber mit der Erhöhung des Sparerpauschbetrages niemanden in windige Investments locken, schon klar. Er will lediglich jene weniger belasten, die Kapitaleinkünfte haben – und zwar so hohe, dass sie bereits über dem Freibetrag liegen. Jene also, die mehr als 800 Euro pro Jahr mit Wertpapieren oder Zinsen, aus Kursgewinnen und Dividenden einstreichen. So viel werfen Tagesgeldkonten zu heute üblichen Zinssätzen (0,1 Prozent) ab, wenn darauf mehr als 800.000 Euro liegen. Anleger mit Wertpapierdepot und üblichem Dax-ETFs lägen über dem Freibetrag, wenn sie knapp 27.000 Euro angespart hätten.

Die Finanztransaktionssteuer diskreditiert Aktienanlagen

Würde die Freibetragsgrenze also angehoben, dann bleiben größere Summen steuerfrei. Insgesamt würden viele Branchenbeteiligte und Politiker die Anhebung des Sparerpauschbetragssatzes auch begrüßen. Schließlich zeige sie: Sparen und Geld anhäufen lohnt sich auch in Niedrigzinszeiten. Und genau zu diesem Ziel war der Pauschbetrag einst gedacht: Er sollte die Bevölkerung dazu animieren, mehr Geld für Notlagen und Altersvorsorge zurückzulegen .

Es dürfen aber hier zwei Dinge nicht vermischt werden: Ja, mit dem Sparerfreibetrag bleiben höhere Kapitaleinkünfte steuerfrei. Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass der gesparte Steuerbetrag auch automatisch von der breiten Bevölkerung für das Aufstocken der Vorsorge ausgegeben wird. Bei vielen versickern die nicht gezahlten Steuern sicherlich eher in den Ausgaben für den Lebensunterhalt. Und vor allem bedeutet es nicht, dass mehr Menschen als bisher davon Aktien oder Fonds kaufen werden. Und genau das sollte ja nach derzeitiger Marktlage – und nach der Erfahrung aus anderen Ländern – zurzeit ein großes Ziel der Politik sein: Dringend mehr Sparer zu Aktien- und Indexfondssparern zu machen, weil solche Fondsdepots über lange Sicht die einzige Möglichkeit sind, lukrativ und halbwegs sicher Geld anzulegen.

Genau diese Aktienanlagen jedoch werden durch die Finanztransaktionssteuer erneut diskreditiert. Die Steuer war ja ursprünglich dazu gedacht, die große Spekulation mit Wertpapieren stärker zu besteuern. Vor allem Hochfrequenztradern sollte damit das Geschäft verteuert – und damit unlukrativ gemacht werden. Das war das Ziel in der Post-Finanzkrisen-Ära. Denn solche Hochfrequenzhändler nutzen im Millisekundenhandel kleinste Preisunterschiede aus, indem sie große Pakete von Wertpapieren kaufen und sofort wieder abstoßen – und innerhalb von Zehntelsekunden hohe Gewinn einstreichen. Genau diese Trades hätte eine Finanztransaktionssteuer – die beim Kauf und Verkauf angefallen wäre – wohl unterbinden können. Die bisherigen Gesetzesentwürfe aber zielen genau in die gegenteilige Richtung.

Die Steuer trifft Kleinanleger

Bei Scholz‘ FTT-Plänen sind Derivate und der Hochfrequenzhandel bisher von der Börsenumsatzsteuer ausgeschlossen. Es gab zwar Überlegungen, das zu ändern und wenigstens die Derivate einzubeziehen, doch sie fanden bislang auf europäischer Ebene noch keine Zustimmung. Stattdessen wird die Zusatzsteuer beim Kauf von Aktien von Großunternehmen ab 1 Mrd. Euro fällig. Also auch bei allen Aktienkäufen, die zum Beispiel Dax-Fonds und Eurostoxx-Indexfonds tätigen. Genau das brachte der Transaktionssteuer die breite Kritik ein, sie richte sich vor allem gegen Kleinanleger. Viele hiesige Verbände wie das Deutsche Aktieninstitut wetterten deshalb dagegen, die Verbraucherzentralen auch, Banken, Börsen und Investmentgesellschaften reden ohnehin ebenfalls dagegen an.

Zwar argumentierten bekannte Ökonomen wie Marcel Fratzscher vom DIW dagegen: Die Steuer treffe die Deutschen nicht, schrieb er, die hätten ohnehin kein Geld für den Aktienkauf übrig. Wer davon betroffen sei, sei also kein Kleinsparer und Normalanleger, sondern ein Investor, der sich das auch leisten könne. Das stimmt so nicht, schließlich wären von der FTT nicht nur Fondssparer und ETF-Sparer mit Blue Chip-Aktien oder MDax-Fonds betroffen, sondern sogar Riestersparer mit Fondssparplänen – und gerade die richten sich laut Bundesregierung vor allem auch an Wenigverdiener oder zumindest Normalverdiener. Es sind längst nicht nur die Reichen, die inzwischen solche Sparpläne eingerichtet haben.

Zuletzt stellte noch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz Anfang Februar beim Besuch in Berlin klar: Mit ihm sei die neue Steuer auf Europaebene so nicht zu machen . „Wir wollen die Spekulanten besteuern, nicht die Sparer, die in Zeiten einer Niedrigzinspolitik zur Altersvorsorge in Aktien investieren“, sagte Kurz. Er wolle sich dafür einsetzen, dass auch andere Länder die Einführung der FTT unter diesen Vorzeichen blockieren.

Die Kosten landen beim Kunden

Nun kann man über Kurz vieles sagen, aber damit hat er zweifellos den entscheidenden Punkt getroffen. Denn auch wenn die neue Finanztransaktionssteuer recht klein ausfallen soll (sie soll 0,2 bis 0,3 Prozent des Geschäftswerts der Papiere betragen), so würden die zusätzlichen Kaufkosten trotzdem die Gebühren von Fonds und Indexfonds in die Höhe treiben. Und sie würde damit jene Normalanleger treffen, die mit Aktienfonds und ETFs fürs Alter vorsorgen. Es ist kaum anzunehmen, dass die Fondsgesellschaften diesen Zusatzbetrag später selber schultern, sondern sie werden ihn an die Kunden weitergeben. Unterm Strich erhielten die Anleger weniger Rendite – sie würden schleppender überhaupt erst größere Kapitalbeträge auf ihren Depots aufbauen. Da hilft es ihnen auch nicht, dass sie auf deren Erträge nun erst 50 Euro später Steuern zahlen müssen.

Branchenbeteiligte haben errechnet, dass die FTT für einen Sparer, der 100 Euro im Monat in Fonds anlegt, im Laufe von 40 Jahren – also bis zur Rente – stolze 14.200 Euro ausmachen dürfte. Das ist Geld, das ihm beim Sparen fehlt. Und dadurch entgeht ihm auch ein größerer Zinseszinseffekt, der sein Vermögen über diesen langen Zeitraum extrem vergrößern könnte. Deshalb würden Normalanleger nach dem Konzept des Finanzministers nur gewinnen, wenn sie erstens bereits länger als 15 Jahre sparen – denn erst dann läge ihr Depotvermögen über jenen rund 26.000 Euro, also über dem Pauschbetrag. Und zweitens, wenn er die gesparten Steuern sofort zum Investieren nutzen würde, um die 14.000 Euro Zusatzgebühren auszugleichen. Ob deutsche Klein- und Steuersparer wirklich so funktionieren, ist zumindest fraglich.

Zuvorderst vermittelt die Einführung der Transaktionssteuer – falls sie denn kommt – den Bürgern dagegen, dass Aktiensparen in den Augen unseres Finanzministers etwas irgendwie Anrüchiges ist, für das man Extrasteuern eintreiben muss. Wer sich dagegen wie Olaf Scholz selber mit dem Tagesgeld begnügt, der bleibt noch fast bis zur Millionärsgrenze steuerbefreit. Genau darin liegt eine große vergebene Chance für die künftige Altersvorsorge.

Nicht mehr als Homöopathie

Und wenn es schon um die Anhebung des Sparerpauschbetrages geht, also die Steuerfreiheit der Kapitaleinkünfte, dann sollte man viel lieber diese Frage stellen: Sind die vorgeschlagenen 50 Euro nicht viel weniger „interessant“ als die CDU/CSU meint, sondern viel eher lächerlich? Es kostet den Staat Geld, wenn er diese Form der Subvention üppiger verteilt und so auf Steuereinnahmen verzichtet. Auch das ist klar. Allerdings schreibt er momentan satte Steuerüberschüsse aufgrund der guten Wirtschaftslage und er selbst finanziert sich über seine Bürger und Investoren so günstig wie nie – sie zahlen ihm sogar jährlich Geld, um ihm seine Staatsanleihen abnehmen zu dürfen. Wäre da also nicht mehr drin?

Wie willkürlich eben dieser Freibetrag bisher angesetzt war, das verdeutlich ein Blick zurück: 1989 betrug die Besteuerungsgrenze umgerechnet 153 Euro, ok, das war niedrig. Von 1990 bis 1992 waren es 307 Euro, ab 1993 dann plötzlich das Zehnfache davon, nämlich 3068 Euro. Weit mehr als heute. Das galt auch tatsächlich bis zum Jahr 2000/2001. Dann sank der Freibetrag um die Hälfte auf immerhin noch 1534 Euro. Und erst seit 2009 nun liegt er bei den heutigen 801 Euro. Seitdem kassiert der Staat aber auch noch zusätzlich über die Abgeltungssteuer an den Kapitalerträgen der Bürger mit. Ein ziemlich wildes Auf und Ab bei den Freigrenzen hat es also schon immer gegeben. Gemessen daran ist der jetzige Vorstoß nicht mehr als Homöopathie – die Verabreichung einer Medizin in so stark verdünnter Dosis, dass viele bezweifeln, ob sie überhaupt wirken wird.

Angesichts solcher Zahlen- und Steuerspiele möchte man dem Finanzminister zurufen: Denken Sie lieber noch mal über die Sache mit den Taschen und den Steuern nach!

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel