Anzeige

Karriere-Tipp Wie man sich im Berufsleben klarer ausdrückt

Symbolbild: Mitarbeiter im Büro
Symbolbild: Mitarbeiter im Büro
© Getty Images
Schachtelsätze und Wortungetüme behindern die Kommunikation. Rhetorik-Coach René Borbonus rät, wie man sich im Wirtschaftsleben klarer ausdrückt

Sich verständlich auszudrücken ist das oberste Gebot für Klarheit in der Kommunikation. Eine der wichtigsten und einfachsten Maßnahme hierfür: Klarheitsbremsen lösen – besonders dann, wenn der Verlauf wichtiger Debatten, Gespräche und Verhandlungen davon abhängt, dass Ihnen Ihr Gesprächspartner oder Ihr Publikum folgen und nicht von absichtlich oder unabsichtlich verzerrten Botschaften beeinflusst werden.

Klarheitsbremse Nr. 1: Schachtelsätze


Reto Francioni kann den Titel als König der Phrasendrescher unter den Topmanagern für sich beanspruchen. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse AG brachte es bei seiner Rede zur Hauptversammlung 2013 auf unfassbare zweiundfünfzig Wörter in einem einzigen Satz: „Seit Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger waren der festgestellte Jahresabschluss und der gebilligte Konzernabschluss, der zusammengefasste Lagebericht für die Deutsche Börse AG und den Konzern zum 31. Dezember 2012 sowie unser Vorstandsbericht nach Paragraph 289 Absatz 4 und 5 sowie Paragraph 315 Absatz 2 Nr. 5 und Absatz 4 des Handelsgesetzbuches zugänglich.“ Auf seine Botschaft reduziert bedeutet dieser Satz lediglich: „Unsere Zahlen waren pünktlich verfügbar.“ Ich unterstelle mal, dass die Aktionäre das auch vorher schon wussten. Viele Worte und komplexe syntaktische Konstruktionen helfen in der freien Rede eben nicht viel, sondern sorgen nur für Verwirrung. Aus gutem Grund gilt als Kriterium für maximale Verständlichkeit der Maßstab von Hörfunktexten: Dort müssen den Redakteuren im Schnitt etwa sieben bis acht Wörter pro Satz reichen, damit die Hörer noch folgen können.

Klarheitsbremse Nr. 2: Zahlenwüsten


Im Gegensatz zu vielen anderen Vorstandschefs neigt Dieter Zetsche von der Daimler AG nicht zu übermäßig langen Sätzen. In eine andere typische Falle tappt jedoch auch er: Seine Rede bei der Hauptversammlung über das Geschäftsjahr 2011 strotzte nur so vor Zahlen. Natürlich kommt eine solche Rede vor Aktionären nicht ohne Zahlen aus. Nur könnte sie gleichzeitig für ein breites Publikum interessant sein, wenn die Zahlen nicht für sich stünden. Ein Auszug aus seiner Rede: „Unser Konzern-Umsatz stieg um 9 Prozent auf 106,5 Milliarden Euro. Unser EBIT lag bei 8,8 Milliarden Euro, aus dem laufenden Geschäft sogar bei 9 Milliarden. Das ist ein Plus von 20 beziehungsweise 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unser Konzern-Ergebnis fiel mit 6 Milliarden Euro um 29 Prozent höher aus als 2010. [...] Auch unsere Kapitalkosten haben wir 2011 klar übertroffen und damit deutlich Wert geschaffen: 3,7 Milliarden Euro Value Added – das ist fast eine komplette Milliarde mehr als im Vorjahr. Unsere Kapitalrendite lag bei knapp 20 Prozent, also signifikant über unserem Verzinsungsanspruch von 8 Prozent.“ Für einen Aktionär, der die Zahlen aus den Vorjahren vorliegen oder gar im Kopf hat, mögen das brauchbare Informationen sein. Für alle anderen ist dieses Zitat eine Zahlenwüste. Das Problem: Das Publikum schaltet ab, wenn sich in einer Rede zu viele Zahlen aneinanderreihen. Eine Lösung für das Dilemma ist das Storytelling. Dieter Zetsche könnte dem Image der Marke Vorschub leisten, wenn er die Erfolge des Unternehmens und die Ziele für die Zukunft in verständliche Bilder fassen würde. Er könnte etwa Wachstumsziele so veranschaulichen: „Stellen Sie sich vor, Sie und ich fahren heute im neuen Mercedes- Roadster durch den schicken Vorort XY. Die Sonne scheint. Das Verdeck ist offen. Der Blick auf die idyllische Gegend wird durch nichts getrübt. Ganz entspannt lassen Sie den Blick schweifen. Und stellen fest, dass hier in jeder vierten Einfahrt ein Mercedes steht. Nun stellen Sie sich vor, wir machen den gleichen Ausflug durch dieselbe Nachbarschaft im Sommer 2016 noch einmal. Dann wird in dieser Nachbarschaft vor jeder zweiten Garage ein Mercedes stehen. Das ist unser Ziel.“ So werden abstrakte Zahlen wie Absatzziele greifbar und im Gedächtnis der Zuhörer verankert. Voraussetzt, der Redner möchte das auch...

Klarheitsbremse Nr. 3: Wortungetüme


Die Wortwahl vieler Chefs scheint nicht auf maximale Verständlichkeit, sondern auf eine Erweiterung des Duden-Wortschatzes abzuzielen. Hohenheimer Forscher zitierten Konzernchefs in einer ihrer Studie mit Wortungetümen wie „Business-to-Business-to-Consumer-Wirtschaft“ oder auch „Nicht-Leben-Rückversicherungsgeschäft“. Fachbegriffe und Kettenwörter gelten weithin als Glaubwürdigkeitsanzeiger. Deshalb sind Reden und auch Präsentationen oft nur so damit gespickt. Die Botschaft: Ich kenne mich aus, ich weiß, wovon ich rede, also zweifelt ja nicht an meinen Worten. Die inflationäre Verwendung von Fachbegriffen und zusammengesetzten Endloswortschöpfungen bewirkt tatsächlich genau den gegenteiligen Effekt: Menschen, die wir nicht verstehen, vertrauen wir nicht. Mit dem Versuch, Kompetenz zu suggerieren, handeln sich viele Redner also im Gegenteil ein Glaubwürdigkeitsproblem ein – und sind sich dessen nicht einmal bewusst. Ärgerlich ist an der Wortschinderei im Business-Kontext auch, dass Experten sich auf diese Weise selbst eines größeren Wirkungskreises berauben. Ein breites Publikum wird von Fachchinesisch eher abgestoßen als beeindruckt sein. Denn was die Zuhörer nicht verstehen, das kann sie auch nicht begeistern. Genau darum jedoch geht es in der freien Rede: wichtigen Botschaften zur ihnen gebührenden Wirkung zu verhelfen. Und eine maximal wirksame Rede ist vor allem verständlich, emotional und unterhaltsam.

Klarheitsbremse Nr. 4: Euphemismen und Dysphemismen


Euphemismen gehören ebenfalls zu den Sprachfiguren, die den Gehalt einer Aussage vernebeln können. Gefährlich sind sie, weil sie häufig sehr prägnant sind – und deshalb schnell in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen. Ein weit verbreiteter Euphemismus ist etwa das Wort „Kollateralschaden“. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Militärsprache. Seine erste Erwähnung fand er 1975 im so genannten SALT Lexicon („Strategic Arms Limitation Talks“) – einem Dokument der amerikanischen Waffenkontroll- und Abrüstungsbehörde. Dort wurde der Begriff definiert als „der Schaden an umgebenden humanen und nichthumanen Ressourcen, sowohl militärisch als auch nichtmilitärisch, als Resultat von Kampfhandlungen oder Angriffen, die spezifisch gegen feindliche Kräfte oder Militäreinrichtungen gerichtet sind“. Inzwischen kennt jeder den Begriff „Kollateralschaden“. In den verschiedensten Kontexten findet er Verwendung; in der Wirtschaft zum Beispiel im Zusammenhang mit Stellenabbau oder Insolvenzen. Ein Politikredakteur der „Welt“ dichtete im Zusammenhang mit der Insolvenz des Weltbild-Verlags sogar dem Oberhaupt der katholischen Kirche einen solchen an: „Es ist ein Kollateralschaden des neuen Papstes: Seit Franziskus im Amt ist und einen bescheidenen Katholizismus fordert, besteht moralische Inflationsgefahr.“ Klarheit heißt auch: wahrhaftig sein und den Leuten auch mal etwas zumuten, was nicht nach heiler Welt und Selbstbeweihräucherung klingt. Als Angela Merkel 2006 in einer Rede sagte, Deutschland sei ein „Sanierungsfall“, bekam sie dafür viel Kritik und auch viel Zuspruch von Experten, weil sie eben nicht in die Euphemismuskiste griff, um die schwierige finanzielle Lage des Landes zu beschreiben.

Klarheitsbremse Nr. 5: Unzulässige Zuspitzungen


Um ihre Botschaften unmissverständlich an den Mann zu bringen, formulieren Journalisten und Redner ihre Aussagen oft „überdeutlich“. Das heißt: Sie verleihen ihrer Aussage durch maximal eindrucksvolle Wortwahl und Verkürzung mehr Prägnanz. Selbst Päpsten kann das im Bemühen um Aufmerksamkeit für eine wichtige Botschaft passieren. Der amtierende Papst Franziskus ist beispielsweise für seine kritische Haltung zum Kapitalismus bekannt. Er hat wiederholt darauf hingewiesen, dass wirtschaftliche Interessen einzelner Akteure oder Staaten nicht als Rechtfertigung für Kriege missbraucht werden dür- fen. So äußerte er im Interview mit der spanischen Zeitung La Vanguardia im Sommer 2014: „Das Wirtschaftssystem sollte im Dienst des Menschen stehen. Aber wir haben das Geld in den Mittelpunkt gerückt, das Geld als Gott.“ Eine zentrale, gesellschaftskritische Botschaft in christlicher Tradition, an der selbst Börsenspekulanten wohl nicht öffentlich rütteln würden. Problematisch ist die Zuspitzung dieser und ähnlich lautender Äußerungen, die der Papst im Evangelii Gaudium vorgenommen hat: „Der Kapitalismus tötet.“ Das ist keine kritische Äußerung mehr, sondern eine unzulässige Zuspitzung der Tatsachen – und sachlich falsch. Genauso falsch wie die von Islamkritikern angeführte Generalverurteilung, dass der Islam töte. Religionen töten nicht. Wirtschaftsordnungen töten nicht. Politik tötet nicht. Streng genommen töten nicht einmal Kriege. Es sind immer Menschen, die töten – aus den unterschiedlichsten Motiven. Zuspitzungen sind in vielen Zusammenhängen ein sinnvolles Instrument zur Verstärkung von Thesen, solange die Verkürzung des Satzes und die Dramatisierung der Wortwahl kein inhaltlich oder sprachlich sinnentstellendes Ausmaß annnehmen. Ob eine Zuspitzung zulässig ist oder nicht, hängt in erster Linie vom Kontext der Aussage ab. Mein Appell daher an Redner: Klar sprechen oder schweigen!

René Borbonus ist Spezialist für Rhetorik und Kommunikation. Manager und Politiker lassen sich von ihm ausbilden und auf schwierige Gespräche vorbereiten.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel