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Corona-Krise Auszahlung der Corona-Hilfen läuft nur schleppend

Der Umsatz in der Gastronomie brach um 69 Prozent.
Der Umsatz in der Gastronomie brach um 69 Prozent.
© Bildgehege / IMAGO
Mit den umfassenden Corona-Beschränkungen hat die Regierung auch umfassende Wirtschaftshilfen für davon betroffene Unternehmen beschlossen. Doch es gibt ein großes Problem: Die Firmen warten häufig vergeblich auf das Geld

Geschlossene Geschäfte, Restaurants, Hotels: Die Corona-Pandemie hat einige Wirtschaftszweige zeitweise lahmgelegt – mit massiven Folgen für die betroffenen Unternehmen. Ihr Umsatz brach rapide ein – Angaben des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge um 69 Prozent in der Gastronomie und sogar um 87 Prozent im Beherbergungsgewerbe.

Um die wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen einzudämmen und eine Insolvenzwelle zu verhindern, hat die Bundesregierung umfassende Rettungsprogramme für besonders betroffene Firmen aufgelegt. Doch die Auszahlung dieser Hilfen laufe schleppend, stellt das IW in einer Studie fest .

Für die Soforthilfen standen der Studie zufolge im letzten Nachtragshaushalt nur noch 18 Mrd. Euro von ursprünglich geplanten 50 Mrd. Euro zur Verfügung. Und auch davon wurde nur 76 Prozent ausgezahlt. Noch stärker verschleppt wurde die Auszahlung wohl bei den Überbrückungshilfen I und II. Für diese Hilfen standen 24,6 Mrd. Euro zur Verfügung, wovon laut Studie jedoch gerade einmal acht Prozent ausgezahlt wurden. Insgesamt standen im Bundeshaushalt des vergangenen Jahres 42,6 Mrd. Euro bereit – ausgezahlt wurden laut IW-Studie nur 15,8 Milliarden. Auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds wurde demnach bislang kaum genutzt.

Im laufenden Jahr sind im Bundeshaushalt 39,5 Mrd. Euro für Corona-Unternehmenshilfen eingeplant. Davon wurden laut IW bislang 1,5 Milliarden ausgezahlt. Die Studienautoren gehen aber davon aus, dass diese Summe durch die Bearbeitung der Anträge auf November- und Dezemberhilfen deutlich ansteigen wird.

Die stockende Auszahlung der Hilfen hat Folgen, wie die Studien-Autoren feststellen: „Wenn die Mittel zur Rettung der Unternehmen zu spät kommen, drohen genau die Zusammenbrüche, die es in der Krise zu verhindern gilt“, heißt es. Es drohe eine Spaltung der Volkswirtschaft in eine robuste Industrie und einen existenzbedrohten Mittelstand in den stark betroffenen Konsumbereichen.

„Verzweiflung und maximaler Frust“

Laut dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga bangen rund drei Viertel der Gastronomen und Hoteliers um ihre Existenz. Rund ein Viertel zieht demnach konkret in Erwägung, den eigenen Betrieb aufzugeben. Von den zugesagten Novemberhilfen seien bei den Betrieben bisher nur Abschlagszahlungen angekommen, bei vielen fehlten auch diese. Auch die Dezemberhilfen stehen laut Dehoga noch aus. „Die versprochenen November- und Dezemberhilfen müssen jetzt endlich bei allen Betrieben ankommen“, fordert Dehoga -Präsident Zöllick.

Jörg Haas ist Geschäftsführender Gesellschafter der Invite Group Bonn, die Hotels, Restaurants und Freizeitstätten betreibt. Als große Unternehmensgruppe hat die Invite Group Bonn weder Anspruch auf die Überbrückungshilfe I noch auf die Überbrückungshilfe II, denn diese bekommen nur kleine und mittlere Unternehmen. Erstmalig konnte die Gruppe eine Novemberhilfe, die als Kleinbeihilfe auf eine Million Euro begrenzt ist, beantragen. Ausgezahlt wurde das Geld bislang nicht, auch einen Bescheid kam noch nicht. Eine Dezemberhilfe werde aufgrund der auf 1 Mio. Euro begrenzten Kleinbeihilfe ausgeschlossen, so Haas.

Doch auch wenn das Unternehmen die Novemberhilfe noch bekommen sollte – sie wäre wohl nur eine kleine Hilfe angesichts der massiven wirtschaftlichen Einbußen. Die Unternehmensgruppe machte im vergangenen Jahr über 40 Prozent – beziehungsweise 28 Mio. – Euro weniger Umsatz und 16 Mio. Euro Verlust, diesen Monat dürften es weitere 3 Mio. Euro sein, sagt Haas. „Wenn wir die Novemberhilfe von einer Million bekommen, gleicht das 6,25 Prozent unseres Verlustes aus. Das heißt, wir haben kaum einen Verlustausgleich bekommen“, sagt er.

„Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt“

Denn die Unternehmensgruppe steht vor einem weiteren Problem: Sie darf nur einen Antrag für die gesamte Gruppe stellen, nicht einen für jedes dazugehörige Unternehmen. Das mag nach einer Formalie klingen, hat aber konkrete Auswirkungen, denn für die Unternehmensgruppe gilt so die gleiche Obergrenze für die Auszahlungen wie für ein einzelnes großes Unternehmen. „Hätte jedes Unternehmen selbst die Anträge vergleichbar mit den kleinen und mittleren Unternehmen stellen können, hätten wir wohl für 2020 einen Anspruch auf 12,35 Mio. Euro gehabt“, sagt Haas. „Damit wären wir gut zurechtgekommen, rund 4 Mio. Euro Verlust im letzten Jahr hätten wir akzeptiert und verkraftet.“

Die Invite Group bekam stattdessen ein KfW-Darlehen in Höhe von 1,4 Mio. Euro und vereinbarte mit ihren Sparkassen einen Überbrückungskredit von 5 Mio. Euro. Haas Hoffnung richtet sich nun auf die Überbrückungshilfe III: „Wir hoffen, dass wir diese Hilfe voll in Anspruch nehmen können“, sagt er. Aber man könne noch keinen Antrag stellen, auch detaillierte Informationen würden noch fehlen. „Wir wissen im Grunde noch nicht, was da auf uns zukommt“, sagt Haas.

Er habe Verständnis dafür, dass die Bundesregierung zum Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung drastische einschränkende Corona-Maßnahmen verhänge, sagt Haas. „Aber der wirtschaftliche Kollateralschaden muss auch ein Stück weit vom Staat, und somit von der geschützten Gesellschaft, getragen werden.“

Die Betriebe hätten sich darauf verlassen, dass die versprochenen umsatzorientierten Hilfen nach Abzug des Kurzarbeitergeldes in voller Höhe fließen, sagt Dehoga-Präsident Zöllick. „Stattdessen erleben sie jetzt, dass die Hilfe nur sehr schleppend gezahlt wird und aufgrund von Anrechnungen an anderer Stelle auch nicht in vollem Umfang ankommt“, so Zöllick. Das führe zu „Verzweiflung und maximalem Frust bei den notleidenden Betrieben.“

HDE fordert Überarbeitung der Hilfen

Auch der Einzelhandel steht trotz der Hilfen unter Druck: Einer Umfrage des Handelsverbandes HDE zufolge, reichen die derzeitigen Hilfen für 80 Prozent der betroffenen Einzelhändler nicht aus. Laut HDE bekam der gesamte deutsche Einzelhandel im vergangenen Jahr (bis zum 19.12.) Überbrückungshilfen in Höhe von 90 Mio. Euro – gleichzeitig habe der Nonfood-Handel durch die Pandemie und die Schließungen 36 Mrd. Euro verloren.

„Wenn Minister Scholz die in Aussicht gestellten Überbrückungshilfen jetzt schnell überarbeitet und die Beantragungskriterien besser an die Lage des Einzelhandels anpasst, dann gibt es noch eine Chance, das Schlimmste zu verhindern“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE. „Ansonsten droht 2021 für viele Handelsunternehmen und in der Folge auch für ganze Innenstädte zu einem Katastrophenjahr zu werden.“

„Eine glaubwürdige Hilfe muss nicht nur zielgerichtet und ausreichend umfangreich, sondern auch rechtzeitig erfolgen“, schreiben auch die Autoren der IW-Studie. Ansonsten überzeuge die Aussage nicht, man könne fiskalisch den Lockdown lange durchhalten.

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