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Interview Sollten Anleger auf den Weltraum-Hype aufspringen?

Das Raumschiff "VSS Unity" mit einem Mutterflugzeug beim Start in New Mexico am Sonntag
Das Raumschiff "VSS Unity" mit einem Mutterflugzeug beim Start in New Mexico am Sonntag
© IMAGO / ZUMA Wire
Mit seinem Kurztrip ins All hat Milliardär Richard Branson das Interesse am Weltraumtourismus befeuert. Auch Starinvestoren schielen längst auf die Branche. Wie Privatanleger auf den Hype reagieren sollten, erklärt Marktanalyst Konstantin Oldenburger

Nur 90 Minuten lang dauerte Richard Bransons Ausflug ins Weltall, dann waren er und sein fünfköpfiges Team aus Astronauten auch schon wieder zurück. Im Wettrennen um die kommerzielle Raumfahrt ist der Kurztrip am Sonntag ein gelunger PR-Stunt, der die Aufmerksamkeit um das Geschäft mit dem Weltraumtourismus weiter befeuert. Investoren wie ARK-Invest-Chefin Cathy Woods haben längst ein Auge auf die Branche geworfen. Auch Privatanleger sollten die Entwicklungen im Blick behalten, sich allerdings noch zurückhalten, rät Marktanalyst Konstantin Oldenburger vom Online-Derivatehändler CMC Markets bei einem Interview vor Bransons Weltraum-Ausflug.

Richard Branson und Jeff Bezos liefern sich einen medienwirksamen Wettstreit um das Geschäft mit Weltraumtourismus. Offenbar finden Börsianer das spannend. Die Wetten auf Virgin Galactic sind bereits heiß gelaufen. Anfang Mai notierte das Papier noch bei 15 US-Dollar, jetzt bei über 50 US-Dollar. Was ist denn da passiert?

Nach zahlreichen Pannen und Verzögerungen bei den Flugtests hatten Analysten und Anleger die Aktie von Virgin Galactic bereits abgeschrieben. Dann aber folgte die Wende. Ein erfolgreicher Testflug und die kommerzielle Lizenz, auch Passagiere ins All befördern zu dürfen, ließen die Aktie selbst wie eine Rakete abheben. Nun soll der nächste Flug am Sonntag mit voller Besatzung stattfinden und den Gründer und Milliardär Sir Richard Branson höchstpersönlich ins All bringen.

Bei aller Fantasie: Das Ganze ist doch vor allem ein riesiges Medienspektakel. Weltraumtourismus wird doch immer ein Nischengeschäft bleiben. Oder ist es doch ein Geschäftsfeld mit Zukunft?

Betrachtet man die handelnden Personen und die Inszenierung der ersten Flüge, sieht es zunächst einmal wie ein gigantisches PR-Projekt von ein paar Multimilliardären aus. Deshalb ist die Annahme eines reinen Medienspektakels in diesem Entwicklungsstadium durchaus berechtigt. Man sollte jedoch nicht unterschätzen, welche Kraft eine große Idee auf die Menschen ausüben kann. Die Gebrüder Wright, die 1903 ihren ersten Motorflug absolvierten, wurden anfangs ebenfalls belächelt und für verrückt erklärt. Sollten die ersten Testflüge erfolgreich sein und die derzeitigen Pioniere weiter mit Elan und auch dem nötigen Kleingeld an ihrer Idee arbeiten, ist in der privaten Weltraumindustrie sicherlich einiges möglich. Deshalb sollte man auch als Anleger die Entwicklungen und vor allem die Zulieferunternehmen in diesem Bereich beobachten und verfolgen.

Ist es dann in irgendeiner Weise bedeutsam, dass Branson vor Bezos ins All startet?

Nein, sicherlich ist hier das Ego der beiden entscheidend und wichtig. Die Geschichtsbücher würden dann sicher auch beide in einem Atemzug nennen, sollten die Missionen gelingen. Am wichtigsten ist aber erst einmal, dass alle Crew-Mitglieder nach den Flügen gesund zu ihren Familien zurückkehren.

Wie ernst nehmen Profis das Thema?

Noch ist das Thema tatsächlich eine Nische, eher als exotisch zu betrachten. Aber die Investmentgesellschaft ARK der Star-Managerin Cathy Wood hält sehr viel von dieser Idee und will schon jetzt auf diesen Zug aufspringen. Mit dem „Space Exploration ETF“ brachte ARK das passende Instrument dafür auf den Markt. Das war aber auch Marketing par Excellence und dürfte dem Unternehmen weitere Mittelzuflüsse sichern. Natürlich aber haben auch einzelne Unternehmen ihre Fans und Anhänger, die hoffen, in dieser Nischenbranche die nächste Tesla- oder Amazon-Aktie zu finden.

Ist bei Virgin Galactic alles eingepreist oder gibt es weiter Luft nach oben?

Der Aktienmarkt liebt bahnbrechende Geschichten und Anleger lieben Unternehmen mit erheblichem Umsatzpotential. Mit einer Marktkapitalisierung von derzeit etwa 13 Mrd. US-Dollar wurde jedoch bereits viel Fantasie in die Aktie von Virgin Galactic eingepreist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen in diesem Jahr lediglich einen Umsatz von etwa drei Mio. US-Dollar erwirtschaften wird, der im kommenden Jahr auf 53 Mio. US-Dollar steigen könnte. Und von der Profitabilität ist Virgin Galactic noch weit entfernt. Aber betriebswirtschaftliche Kennzahlen machen bei einer Analyse solcher Unternehmen wenig Sinn. Ein langer Atem und die Liebe zum Risiko sind bei solchen Investitionen die entscheidenden Zutaten. Sollte die Story irgendwann mit fundamentalen Erfolgen und wachsenden Umsätzen einhergehen, dürfte bei Virgin Galactic das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Um das Event herum ist jedoch mit viel kurzfristigem und spekulativem Geld zu rechnen, das die Aktie stark schwanken lassen könnte.

Jeff Bezos' Firma Blue Origin ist nicht börsennotiert. Der Amazon-Gründer besitzt genug Geld, um sein Weltraumunternehmen selbst zu finanzieren. Darf man trotzdem damit rechnen, dass Blue Orgin bald an die Börse geht? Vielleicht, wenn seine Mission am 20. Juli erfolgreich ist?

Das mag zwar für ihn und auch potenzielle Anleger verlockend klingen, jedoch ist es zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich, dass Blue Orgin an die Börse geht. Wie Sie richtig festgestellt haben, benötigt Bezos keine Finanzspritze und die Nachteile, die eine Börsennotiz mit sich bringt, dürften aktuell noch überwiegen. Man kann sich nicht vorstellen, dass Bezos für sein Herzensprojekt jetzt schon anderen Investoren Rede und Antwort stehen will.

Fehlt jetzt noch der Dritte im Bunde der Weltraum-Milliardäre und -Visionäre, den wir bis jetzt nicht erwähnt haben: Elon Musk. Auch er will dieses Jahr ins All starten. Sein Unternehmen SpaceX ist ebenfalls noch nicht börsennotiert und wird von ihm finanziert. Abgeneigt ist Musk gegenüber der Börse nicht. Mit Tesla mischt er die Börsenwelt ziemlich auf. Wann darf man hier mit einem IPO rechnen?

Bei SpaceX könnte es in der Tat in Zukunft zu einem Börsengang kommen. Aber auch dieser will gut überlegt sein und wohl nur zustande kommen, wenn das Unternehmen eine realistische Chance sieht, schwarze Zahlen schreiben zu können. Die Skepsis der Investoren dürfte bei einem solchen Blockbuster-IPO ansonsten zu groß sein, da die Investoren am Ende des Tages nicht das Hobby eines Milliardärs finanzieren möchten.

Wenn Anleger Weltraum-Aktionäre werden möchten und nicht Virgin Galactic kaufen wollen, wie sollten sie das anstellen?

Bei der Erforschung und Erschließung des Weltraums werden viele Firmen mitwirken und mitverdienen. Ob für die weltweite Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsinternet oder für die Erdbeobachtung – aktuell arbeiten zahlreiche Unternehmen und Institutionen am Aufbau größerer Satelliten-Konstellationen im All. Die meisten von ihnen kommen derzeit durch sogenannte Mantelgesellschaften in den USA an die Börse. Wie hoch die Qualität ist und ob die Kandidaten schon reif genug sind für die Börse, bleibt dabei allerdings oft im Nebel des IPOs zurück.

Ist der US-Markt also hier wieder der Taktgeber einer neuen Industrie?

Europa und vor allem Deutschland müssen sich nicht verstecken. Mit dem Raketenhersteller OHB und dem Laser-Satelliten-Unternehmen Mynaric tummeln sich auch zwei interessante „Weltraum-Perlen“ auf dem hiesigen Frankfurter Börsenparkett, die in Zukunft auf sich aufmerksam machen könnten. Letzten Endes gilt aber auch hierbei, entweder über ein breites Fonds- oder ETF-Produkt zu gehen oder man muss sehr viel Zeit in die eigene Recherche zu den jeweils risikoreicheren Einzeltiteln stecken.

Der Beitrag ist zuerst erschienen auf ntv.de

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