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Neue Arbeitszeitmodelle Angestellte wollen die Vier-Tage-Woche, Firmen sind skeptisch

In der produzierenden Industrie ist die Umsetzung einer Vier-Tage-Woche besonders schwierig
In der produzierenden Industrie ist die Umsetzung einer Vier-Tage-Woche besonders schwierig
© IMAGO / Westend61
Die Forderungen von Mitarbeitenden nach einer Vier-Tage-Woche werden lauter. Umgesetzt haben sie in Deutschland aber bisher nur wenige Unternehmen, auch weil es mit großem Aufwand verbunden ist

Der Erfolg des britischen Pilotprojekts zur Vier-Tage-Woche hat bei deutschen Beschäftigten den Wunsch bestärkt, einen freien Tag mehr in der Woche zu haben. Einige Betriebe wollen die Vier-Tage-Woche jetzt einführen, der Großteil der deutschen Unternehmen ist aber noch zurückhaltend und will angesichts des Fachkräftemangels jede Arbeitsstunde nutzen.

Dabei konnten einige der 61 kleinen bis mittelständischen Unternehmen, die an dem Projekt in Großbritannien teilgenommen haben, sogar höhere Gewinne vermelden. Teil nahmen Firmen unter anderem aus der Finanzbranche, der Gastronomie und dem Gesundheitswesen. Ein halbes Jahr lang zahlten sie ihren Mitarbeitenden 100 Prozent Lohn für 80 Prozent der Arbeitszeit. Die Krankheitstage der insgesamt rund 2900 teilnehmenden Angestellten gingen dabei um zwei Drittel zurück, 40 Prozent fühlten sich weniger gestresst und es gab weniger Fluktuation in den Unternehmen.

Fast alle wollen die Vier-Tage-Woche nun auch nach Ende des Projekts beibehalten. Experten hinterfragen die Ergebnisse des Projekts zwar, weil sich die Unternehmen selbst dafür melden konnten und sie bei der Umsetzung unterstützt wurden. Dass die Vier-Tage-Woche einen positiven Effekt haben kann, verdeutlicht das Projekt trotzdem.

IHK: Erste deutsche Unternehmen wollen Modell einführen

Kai de Buhr, Vorstand des Energieeffizienz-Unternehmens Giga Energie aus dem Münsterland, will die Vier-Tage-Woche jetzt auf Druck seiner Mitarbeitenden einführen. Gerade die Jüngeren würden sich eine bessere Work-Life-Balance wünschen, erzählt er. Sie verwiesen auch auf die Studie aus Großbritannien.

Die Einführung des Arbeitszeitmodells sei zwar mit einem großen Organisationsaufwand verbunden, dennoch sei die Vier-Tage-Woche umsetzbar. „Unsere Techniker fangen früh an und sind eigentlich um 16 Uhr fertig. Man könnte dann aber durchaus noch zwei Stunden weiterarbeiten“, sagt de Buhr. Deswegen könnte man die 39 Arbeitsstunden auf vier Tage umverteilen und dafür den Freitag freigeben. Zu einem geringeren Verdienst bei weniger Stunden seien die Mitarbeitenden ohnehin nicht bereit gewesen.

Wie genau das Modell aussehen soll, prüft Giga Energie noch. De Buhr kommt es vor allem darauf an, dass die Arbeit auch in vier Tagen vollständig erledigt wird. Schließlich seien die Auftragsbücher voll. „Ich bin kein Gegner der Vier-Tage-Woche. Wenn wir in vier Tagen das Gleiche schaffen wie in fünf, ist das völlig in Ordnung“, sagt er.

Klaus Fenster von der IHK Siegen hält das Arbeitszeitmodell im Handwerk ebenfalls für vorstellbar. Dass ein Betrieb deswegen aber die Arbeitszeit auf 32 Stunden senken könnte, sei eher keine Option. Bei den 25.000 Mitgliedsunternehmen der IHK Siegen sei derzeit noch keine größere Diskussion über die Vier-Tage-Woche zu beobachten. Auch die IHK Erfurt hat dazu noch keine klare Position.

Die größte deutsche IHK München Oberbayern spürt hingegen deutlich, dass ihre 410.000 Mitgliedsunternehmen ein zunehmendes Interesse an der Vier-Tage-Woche haben. Das gelte sowohl für eine Teilzeitregelung bei vollem Lohnausgleich als auch für die Umverteilung der Stundenzahl auf andere Wochentage.

„Sofern die innerbetrieblichen Abläufe das erlauben, bieten immer mehr Unternehmen eine Vier-Tage-Woche an, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren“, teilt die IHK München auf Capital-Anfrage mit. Wie viele es momentan genau sind, kann sie nicht sagen. Erste Unternehmen würden aber bestätigen, offene Stellen durch das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle leichter besetzen zu können. Je nach Ausgestaltung könnten sie zudem neue Beschäftigungsgruppen ansprechen, wie z.B. angehende Ruheständler, Rentnerinnen oder junge Eltern.

Produzierende Betriebe sind skeptisch

Das kommt dem Wunsch vieler Deutscher entgegen. Denn eine Yougov-Umfrage im Auftrag der HDI Versicherung unter fast 4000 Berufstätigen zeigte 2022, dass drei Viertel der Deutschen die Einführung einer Vier-Tage-Woche begrüßen würden, die meisten allerdings nur mit vollständigem Lohnausgleich.

Am größten war die Zustimmung in der Industrieproduktion. Gerade hier erfordert die Umsetzung eines flexiblen Arbeitszeitmodells aber viel Organisation, da bestimmte Maschinen dauerhaft ausgelastet sein müssen. Dem Unternehmensverband der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg sind aus diesem Grund keine Mitgliedsunternehmen bekannt, die eine Vier-Tage-Woche eingeführt haben.

Auch der Klebstoff-Hersteller DELO aus der Nähe von Landsberg am Lech ist von der Vier-Tage-Woche bisher nicht überzeugt. „Zu denken, dass man in einer Vier-Tage-Woche dieselbe Menge an Arbeit schafft wie in einer normalen Arbeitswoche, halten wir als produzierendes Unternehmen für illusorisch“, sagt Matthias Stollberg von DELO. Außerdem werde der Organisationsaufwand bei so einer Umstellung „massiv erhöht“, da viele Abstimmungsprozesse erforderlich seien. Dazu käme, dass man sich als international agierendes Unternehmen auch so schon nur wenige Stunden am Tag mit Standorten in anderen Zeitzonen überschneide.

Dass eine Vier-Tage-Woche nicht unbedingt in allen Branchen und Abteilungen gleich gut umsetzbar ist, sagen Vertreter verschiedener Verbände. Für Wissenschaftsberufe, Bürotätigkeiten und den Dienstleistungsbereich halten sie das Modell für machbar.

Wenn die Vier-Tage-Woche allerdings nur für Teile des Unternehmens möglich ist, etwa für die Verwaltung, könnten sich die Mitarbeitenden ungleich behandelt fühlen. Der Verband der Metall- und Elektroindustrie für Berlin-Brandenburg berichtet, dass auch diese Sorge ihre produzierenden Unternehmen noch davon abhalte, die Vier-Tage-Woche einzuführen.

Fachkräftemangel ist schwieriges Argument

Experten des Weltwirtschaftsforums halten die Vier-Tage-Woche besonders für den ÖPNV, die Logistik oder das Gesundheitswesen für schwierig, weil dabei eine Präsenz an allen Wochentagen erforderlich sei. Gerade dort werden aber dringend Fachkräfte gesucht, die durch attraktivere Arbeitszeiten angezogen werden könnten.

„Wir beobachten am Markt gerade zwei gegenläufige Entwicklungen“, erklärt Alexandra Thom von der IHK Kiel. „Einerseits gibt es den zunehmenden Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen wie der Vier-Tage-Woche. Andererseits sind die Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels um jede Stunde froh, die gearbeitet wird.“ Das Gefühl, durch eine Vier-Tage-Woche auf Arbeitskraft zu verzichten, stoße daher kaum auf Zuspruch.

Eine weitere Hürde für die Einführung der Vier-Tage-Woche stellen neben dem Organisationsaufwand momentan auch noch die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen dar. Zwar ist es grundsätzlich erlaubt an vier Tagen pro Woche jeweils maximal zehn Stunden zu arbeiten, weil der freie Tag in die Gesamtarbeitszeit einberechnet wird. Statt einer täglichen eine wöchentliche Maximal-Arbeitszeit einzuführen, hält die IHK München jedoch für sinnvoller.

„In Deutschland ist die Flexibilität bei der Erbringung der Arbeitszeit stark beschränkt, obwohl die europäische Arbeitszeitrichtlinie mehr Freiheiten erlaubt“, heißt es von der IHK München. „Wir fordern deshalb weniger politische Vorgaben und mehr individuelle Lösungen.“

Für flexible Arbeitszeitmodelle im Allgemeinen scheint die Offenheit momentan größer zu sein als für das Konzept der Vier-Tage-Woche. Sollte sich die Lage am Arbeitsmarkt aber weiter zuspitzen, könnte sich das ändern. Der Giga-Energie-Vorstand de Buhr befürchtet zudem eine Art Überbietungswettbewerb, wenn erste Unternehmen nun groß mit der Vier-Tage-Woche werben. In Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels könnte der freie Arbeitstag auch zum Wettbewerbsnachteil werden.

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