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Saison beendet: Erdbeeren pflücken erst wieder im nächsten Jahr

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Carla Lünsmann arbeitet als Verkäuferin in der Erdbeer-Hütte in Neuenhaus für rund zwei Monate. Zuvor war sie 45 Jahre lang Verkäuferin in der Textilbranche. Für viele Kunden und Selbstpflücker und -pflückerinnen gehört Lünsmann einfach mit dazu.
Carla Lünsmann arbeitet als Verkäuferin in der Erdbeer-Hütte in Neuenhaus für rund zwei Monate. Zuvor war sie 45 Jahre lang Verkäuferin in der Textilbranche. Für viele Kunden und Selbstpflücker und -pflückerinnen gehört Lünsmann einfach mit dazu. © KORTMANN

Die Erdbeerzeit endet am Freitag in Kierspe. Auch für Verkäuferin Carla Lünsmann endet dann eine intensive Zeit.

Kierspe – Die rote Jacke leuchtet in der braunen Holzhütte und das sonnengebräunte Gesicht zeigt: Hier wird und wurde lange Zeit an der frischen Luft gearbeitet. Die Farbe des Kleidungsstückes wiederum passt zu dem Produkt, das Carla Lünsmann fast zwei Monate lang verkauft hat: Erdbeeren. Die 67-Jährige ist das Gesicht des Erdbeerstandes an den Feldern in Neuenhaus.

Malwina zum Schluss

Die Saison neigt sich dem Ende zu, nur noch wenige Erdbeerpflücker und -pflückerinnen fanden den Weg am Dienstag zu den Feldern, die der Hof Michels aus Ennepetal für fast zwei Monate bewirtschaftet hat. „Das ist jetzt die Malwina-Sorte. Die wächst immer zum Schluss“, erklärt Lünsmann. „Die sind kleiner, aber zuckersüß. Wollen sie mal probieren?“, fragt die Verkäuferin. „Bald ist die Saison zu Ende, nur noch ein paar Tage“, schätzt sie. Aber das entscheide der Chef.

Zwei Frauen in Erdbeer-Rot: Heidi Peschel hat sich mit Carla Lünsmann in den Jahren angefreundet.
Zwei Frauen in Erdbeer-Rot: Heidi Peschel hat sich mit Carla Lünsmann in den Jahren angefreundet. © Kortmann, Thilo

Lünsmann arbeitet seit sieben Jahren in der Erdbeer-Hütte. Die Rentnerin verdient sich so etwas dazu. Von 8.30 bis 18.45 Uhr ist sie auf den Feldern im Einsatz – auch am Samstag und Sonntag. „Diese zwei Monate sind immer intensiv. Man kommt sonst zu nichts. Aber man weiß das ja vorher“, sagt sie. Und auch wenn es für die Rentnerin manchmal eine 80-Stunden-Woche bedeute, habe in diesem Jahr für sie wieder festgestanden: „Die Erdbeerzeit lasse ich mir nicht entgehen. Das macht mir so viel Spaß.“

Vollblut-Verkäuferin

Vor ihrem Renteneintritt hat Lünsmann 45 Jahre lang als Textilverkäuferin gearbeitet. Für den Verkäufer-Job sei sie gemacht, sagt sie. Jetzt ist sie dabei öfter an der frischen Luft als früher. „Auch Hitze macht mir nichts aus“, erklärt sie. Denn auch wenn es momentan nicht gerade sommerlich ist: In der Hütte könne es schon sehr heiß werden. „Ich bin da nicht zimperlich. Zudem weht hier oben oft ein kühles Windchen“, schildert Lünsmann, während sie mit den Fingern eine Wespe von einer Frucht entfernt, „die machen mir nichts aus, bin nicht allergisch gegen Wespenstiche“. Handschuhe seien gar nichts für sie, „da schwitzt man zu sehr drin“.

In den Pausen und ruhigen Phasen löst die Verkäuferin Kreuzworträtsel oder liest Zeitung.
In den Pausen und ruhigen Phasen löst die Verkäuferin Kreuzworträtsel oder liest Zeitung. © Kortmann, Thilo

In den ruhigen Phasen, wie jetzt häufig zum Ende der Saison hin, sitzt sie im Campingstuhl, liest Zeitung, löst Kreuzworträtsel. „Am meisten ist zu Beginn der Sommerferien los. Dann ist das für Familien hier wie ein Urlaub in der Natur. Und sie zeigen ihren Kindern, dass Erdbeeren nicht im Supermarkt wachsen“, sagt sie.

Viele Anekdoten von den Erdbeerfeldern weiß sie zu berichten. „36 Kilogramm ist bislang das meiste Gewicht, das eine Familie gepflückt hat. Danach kommen 31 Kilogramm“, so die Verkäuferin. „Es gibt eben Leute, die können richtig gut pflücken. Dann gibt es Besucher, die denken, dass die Erdbeeren von selber in den Korb springen“, erklärt sie.

Mal naschen ist ja erlaubt und erwünscht, aber alles hat seine Grenzen. Irgendwann sagen wir auch was.

Carla Lünsmann

Auch habe sie schon eine Gruppe erlebt, die viel Zeit auf den Feldern verbracht habe, aber nur mit wenigen Erdbeeren zurückgekehrt sei – wahrscheinlich, weil ein größerer Teil der Früchte direkt im Magen landete statt in den Eimern. „Mal naschen ist ja erlaubt und erwünscht, aber alles hat seine Grenzen. Irgendwann sagen wir auch was“, so die Verkäuferin.

Es gebe auch ab und zu Familien, die das Erdbeerfeld mit einem großen Abenteuerspielplatz verwechselten. „Die toben dann durch die Felder und Pflanzen. Das geht natürlich auch nicht.“ Und Kinder spielten mit dem Wasser – eigentlich nur zum Händewaschen gedacht – aus dem 1000 Liter fassenden Wassertank. Dass dieser jetzt schon leer sei, sei noch nie vorgekommen, „normalerweise reicht das locker für die sechs bis acht Wochen“.

Großer Stammtisch

Auch an der Kasse hat sie schon einiges erlebt. Lünsmann rechnet alles mit dem Kopf aus, sie gehöre noch zur Generation „Taschenrechner geht nicht“, wie sie sagt. Plötzlich ruft sie, während sie auf ein gelbes Auto zeigt: „Da kommt meine Stammkundin!“ Es ist Heidi Peschel aus Meinerzhagen. Auch sie trägt das farblich passende Outfit zum Erdbeerenpflücken – rote Jacke, rote Turnschuhe. „Wir kennen uns schon sehr gut. Ich bin die Beeren-Tante“, sagt Peschel. Sie sammele nicht nur Erdbeeren, sondern auch Waldbeeren.

Es sei an der Hütte oft wie bei einem großen Stammtisch: „Man trifft sich hier, oft zufällig, sieht alte Bekannte und tauscht sogar auch Rezepte aus“, erklärt die Rentnerin. Sie selbst bereite aus den Erdbeeren nicht nur Shakes, Müsli und Marmelade zu, sondern auch eine Spirituose, einen Erdbeer-Limes mit Wodka. „Erdbeeren sind so eine wunderbare und gesunde Frucht. Und die Erdbeeren hier sind Natur pur“, lobt Peschel.

Natürlichkeit ist beliebt

Auf die Natürlichkeit der Erdbeeren, die nur in der Blüte gespritzt werden, schwört auch Kunde Ralf Güntner. Denn er sei eigentlich allergisch gegen Erdbeeren, „aber nur gegen die gespritzten“. Die Erdbeeren von den Feldern in Neuenhaus könne er dagegen ohne Probleme essen. „Da sind sie nicht der erste Kunde, der das erzählt“, antwortet Carla Lünsmann und ergänzt: „Dann nehmen sie sich doch noch ein paar mit. Am Freitag ist hier definitiv Schluss“.

Irina und Irina Busch aus Kierspe nutzten die letzte Gelegenheit. Mutter und Tochter haben den gleichen Vornamen.
Irina und Irina Busch aus Kierspe nutzten die letzte Gelegenheit. Mutter und Tochter haben den gleichen Vornamen. © Kortmann, Thilo

Darauf weist auch Chef Gerhard Michels hin, der die diesjährige Saison als „mittelmäßig“ bezeichnet. „In Kierspe war es diesmal sogar besser als in Ennepetal. Das ist sonst andersherum. Es gab in Kierspe ein Mal mehr Regen in diesem Jahr.“ Von den Kundenzahlen sei es hingegen ungefähr gleich geblieben im Vergleich zu den Vorjahren. Auch trotz der Preiserhöhungen pro Kilo um 30 Cent. „Die Kunden wissen, dass der Erdbeeranbau arbeitsintensiv ist. Da gibt es eine hohe Akzeptanz in Sachen Preise“, erklärt Michels.

Urlaub auf Rhodos

Für Lünsmann endet am Freitag eine intensive Zeit, „dann bin ich wieder Rentnerin. Aber zuhause rumsitzen ist nichts für mich“. Stattdessen reist sie viel, im Oktober wieder: „Rhodos ist mein zweites Zuhause. Da fahre ich seit 20 Jahren hin. Es ist so schön dort.“ Das mit den Bränden derzeit sei furchtbar, „eine Freundin lebt dort, die kann kaum atmen wegen des Rauches“. Im Oktober werde sich wohl hoffentlich wieder alles beruhigt haben, hofft Lünsmann. Erholung ist angesagt, denn schon jetzt steht für die Seniorin wieder fest: „Die Erdbeerzeit lasse ich mir auch im nächsten Jahr nicht entgehen. Da freue ich mich jetzt schon wieder drauf.“

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