Robotik

Die Anforderungen an Leitungen und Schirmung

20. August 2014, 8:51 Uhr | Jacques Besio, Frank Rothermund
© Lapp Group

Roboter sind heute integraler Bestandteil komplexer Produktionsprozesse in fast allen Industriezweigen. Sie müssen unter härtesten Bedingungen präzise und zuverlässig funktionieren, extreme Bewegungsabläufe ausführen und das millionenfach – genauso wie die Leitungen, Komponenten und Kabelsysteme, die die Roboter-Arbeit überhaupt erst möglich machen.

Nach Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) wurden im Jahr 2013 weltweit rund 179.000 Industrieroboter verkauft – ein erneuter Rekord und 12 % mehr als 2012. Was die kommenden Jahre betrifft, rechnet der internationale Verband der Roboter-Hersteller mit einem weiteren Wachstum von durchschnittlich 16 %.

In dem Maße, wie die Bedeutung der Robotik in der Automation wächst und auch die möglichen Einsatzpotenziale stetig breiter werden – von der Automobilindustrie über die Elektronikindustrie, die Getränke- und Nahrungsmittelbranche, die Metallverarbeitung bis hin zur Gummi-, Kunststoff- und Chemieindustrie – steigen auch die Anforderung an die Ausrüster, unter anderem im Umfeld der Verbindungstechnologie. Für letztere stellt die Robotik gar die Königsdisziplin dar, denn: Mit Komponenten von der Stange ist hier oft keine ideale Lösung darstellbar, da jeder Robotertypus andere Bewegungsabläufe ausführt und unterschiedlich aufgebaut ist. Mit anderen Worten: Die Nutzung von Standardkomponenten in komplexen Bereichen erfordert im Zweifelsfall unbefriedigende Kompromisse, die im Praxiseinsatz zu Problemen bei der Verwendung der Roboter- und Produktionssysteme führen können. Ergo sind die Anbieter von Kabelsystemen mehr und mehr gefordert, individuelle Sonderanfertigungen zu entwickeln.

Hybridleitungen für Industriueroboter, Lapp
Die ideale Lösung für die Verkabelung von Industrierobotern sind oft individuelle Hybridleitungen, die mehrere Kabel in einem vereinen und gezielt auf die jeweilige Anwendung ausgerichtet sind.
© Lapp Group

Im Detail unterscheidet man in der Robotik klassisch zwei Verkabelungsarten: Zum einen die klar definierten und von den Roboterherstellern spezifizierten Kabel oder Plug&Play-Konfektionslösungen – hier geht es vor allem darum, Daten und Energie für Antriebe und Steuerung zu übertragen sowie die „Grundversorgung“ der Werkzeuge zu gewährleisten. Die andere Herausforderung stellt die Verkabelung am und um den Roboter dar – hier müssen die oft komplexen Werkzeuge versorgt werden. Neben zahlreichen Daten- und Energieleitungen kommen dabei häufig auch Pneumatik- und Hydraulikelemente sowie weitere Medienschläuche zum Einsatz. Diese Vielfalt bedeutet, dass der Beratungsbedarf noch einmal deutlich höher ist, denn die optimale Lösung liegt nur in den seltensten Fällen auf der Hand.

Wie bereits angesprochen, ist die Standzeit der verbauten Leitungen in vielen Anwendungen – nicht nur in der Automobilindustrie – ein kritischer Fak­-tor. Von den Kabelherstellern werden in diesem Kontext vor allem drei zentrale Leistungsmerkmale eingefordert: Die Biegewechsellast der Leitungen, die Torsionsbelastung und die Lebensdauer. Auf diese Dinge muss speziell bei der Auswahl der Materialien wie auch beim Aufbau der Leitung bereits grundlegend Wert gelegt werden. In der Praxis be­deutet dies, dass beispielsweise Stütz-und Füllelemente verwendet werden, welche die teilweise anspruchsvollen Torsionswinkel erst möglich machen. In besonders anspruchsvollen Fällen helfen zusätz­liche Gleitvliese, um die Kabel „rund“ zu machen und die Drehbewegung der einzelnen Roboterachsen sicher mit Energie oder Daten zu versorgen.

Querschnitt eines Multibuskabels, Lapp
Querschnittszeichnung eines Multibuskabels, das Interbus, Profibus und Devicenet in sich vereint.
© Lapp Group

Nach Auswahl der passenden Komponenten und Definition der einzelnen Produktionsparameter wird in der Regel eine Testmenge gefertigt, um diese dann in der „Kabelfolterkammer“ auf Herz und Nieren zu prüfen. Neben den per Norm definierten Tests für flexible Kabel und Leitungen setzt man beispielsweise bei Lapp vor allem auf über 50 Jahre Erfahrung bei der Entwicklung von flexiblen Leitungen. Darauf gründend, sind eigens für die Tests entwickelte Maschinen entstanden, die neben der Torsionsfähigkeit der Leitungen auch den Stress der Kabel beim Einsatz im Roboter simulieren können. Bei der Torsions- und Biegetestanlage schwingen dazu zwei Drehkörper in einem schaukelartigen Rhythmus parallel. Optional lässt sich zusätzlich zu dieser dreidimensionalen Biegung eine zusätzliche Torsion am Drehkörper frei einstellen. Diese simuliert dann, wie beim Roboter Biegung und Torsion im selben Arbeitsgang das Kabel belasten.
Für den Fall, dass für eine bestimmte Anwendung vor allem die Torsionsfähigkeit relevant ist,  werden die Kabel auf einer definierten Länge senkrecht fixiert, um dann der Länge nach gegenläufig tordiert zu werden. In diesem Zuge lassen sich verschiedenste Drehwinkel und Drehgeschwindigkeiten abprüfen. Zusätzlich zu  diesen eigens entwickelten Tests setzt Lapp auch auf die Erprobung in möglichst praxisnahen Szenarien. Das heißt: Mittels eines Testroboters wird zum Beispiel ein definierter Arbeitsgang abgefahren und die Leitungen so unter realistischen Bedingungen „gestresst“.

Auf diese Weise wurde etwa auch die neue „Etherline Torsion Cat. 6A“ für den Einsatz am und im Roboter spezifiziert. Diese hochflexible Ethernet-Leitung für Energieführungsketten sowie mit Torsionsfähigkeit erlaubt eine Übertragung von bis zu 10 Gbit/s. Solche Datenraten sind notwendig, um im Rahmen immer schneller werdender Produktionsabwicklung große Datenmengen in kürzester Zeit übertragen zu können. Bisher gab es Leitungen mit solchen Datenübertragungsraten allerdings nur für starre oder flexible Verwendung. Dagegen war mit hochflexiblen Leitungen nur eine maximale Übertragungsrate bis zu 1 Gbit/s möglich.

Um diese Übertragungsrate von bis zu 10 Gbit/s zu realisieren, musste eine Lösung für die Abschirmung der einzelnen Aderpärchen sowie für die Gesamtschirmung gefunden werden, welche reißfest genug ist, um auch der Sonderbelastung bei dauerbewegtem Einsatz standzuhalten. In zahlreichen Tests wurde schließlich ein Bewicklungsverfahren festgelegt, bei dem man die Folie in einem optimierten Einlaufwinkel um die einzelnen Paare laufen lässt. Als Gesamtschirmung dient ein Kupferabschirmgeflecht, das zusätzlich durch ein alukaschiertes Vlies verstärkt wird.


  1. Die Anforderungen an Leitungen und Schirmung
  2. Hybridkabel im Trend
  3. Geflecht oder Umlegung?

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu U.I. LAPP GmbH