Traumerbschaft mit Hindernissen

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Brittany Patterson kann es kaum fassen: Ein Unbekannter vererbt ihr in dem idyllischen Küstenstädtchen Miracle Harbor eine Bäckerei – die sie nur behalten darf, wenn sie innerhalb eines Jahres verheiratet ist! Woher soll sie einen Ehemann nehmen? Zumindest weiß sie, in wessen Nähe es heftig knistert, wessen Lächeln tausend Schmetterlinge in ihr aufflattern lässt: Anwalt Mitch Hamilton! Doch als sie ihn vorsichtig fragt, wie er über Heirat denkt, fordert er sie mit einer schockierenden Antwort heraus: „Nicht, wenn du die letzte Frau auf Erden wärst …“


  • Erscheinungstag 17.10.2023
  • Bandnummer 212023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518871
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

15. Februar

Brittany Patterson, die sich selbst bisher als unerschütterlich bezeichnet hätte, war schockiert. Um nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen oder sonst wie auszuflippen, hielt sie krampfhaft die Hände im Schoß gefaltet und versuchte, ihren Atem zu kontrollieren und cool zu bleiben.

Schwestern!

Ihr Leben lang war sie allein gewesen – und nun plötzlich nicht mehr. Obwohl … so ganz stimmte das nicht, schließlich hatte sie Adoptiveltern, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen, und eine Menge Freunde.

Doch als sie jetzt erneut voller Neugier die Gesichter ihrer Schwestern studierte, die ihrem so ähnelten, fühlte es sich an, als wäre sie ihr Leben lang einsam gewesen. Als hätte ihr Herz auf etwas gewartet, das einfach fehlte.

Sie waren nicht nur Geschwister, sondern Drillinge. Brit konnte sich nicht sattsehen und wollte unbedingt herausfinden, worin sie sich noch ähnlich waren: Abby, Corrine und sie. Genauso dringend wollte sie erfahren, warum sie sich erst heute zum ersten Mal sahen. Aber erst einmal zwang sie sich, dem silberhaarigen Jordan Hamilton zuzuhören – auch weil sie hoffte, der Anwalt könnte das Geheimnis lüften.

Stattdessen wurde alles nur noch geheimnisvoller.

Mr. Hamilton wusste weder, wer ihre leiblichen Eltern waren, noch, warum sie und ihre Schwestern getrennt aufgewachsen waren. Er konnte ihnen nur sagen, dass sie in seiner Kanzlei vor ihm saßen, weil eine Person, deren Namen er nicht nennen könne, sie wiedervereint sehen wollte und jedem Drilling ein Geschenk zugedacht hatte.

Wie durch einen Nebel hörte Brittany, dass Abby ein Haus geschenkt bekommen hatte, an das bestimmte Bedingungen geknüpft waren. Dann fiel ihr Name. Sie versuchte, sich zu konzentrieren … Himmel! Gleich zwei Schwestern!

„… dabei handelt es sich um die Main Street-Bäckerei in der Main Street 207, Miracle Harbor, Oregon. Und zwar unter der Bedingung, dass Miss Patterson für ein Jahr in Miracle Harbor wohnt und innerhalb dieses Zeitraums heiratet.“

Brittany atmete scharf ein, kniff die Augen zusammen und wartete darauf, dass der Anwalt lachte und das Ganze als Scherz deklarierte. Doch das tat er nicht.

„Mr. Hamilton, dahinter stecken meine Eltern, oder?“

Sicher bedauerten die beiden bereits, sie nach ihrem Autounfall quasi vor die Tür gesetzt zu haben. Klar! Sie haben irgendwie herausgefunden, dass ich letzte Woche das schöne Fabergé-Armband verkauft habe, und halten die Bäckerei und die Hochzeit für eine gelungene Rettungsaktion! In gewisser Weise war das tatsächlich eine brillante Idee.

„Ihre Eltern?“ Jordan Hamilton wirkte aufrichtig verblüfft.

„Na ja, es ist doch ein gelungener Coup, um mich zu disziplinieren. Ich muss auf einen Schlag einen Job und einen Ehemann organisieren.“ Sie sagte es leichthin, als wäre es ihr egal, dass ihre Eltern ihr nicht zutrauten, auch nur eines von beidem allein bewerkstelligen zu können … was zugegebenermaßen nicht unbedingt aus der Luft gegriffen war.

Sechs Monate waren vergangen, seit die beiden ihr den Geldhahn abgedreht hatten, nachdem Brit ihre schöne rote Corvette zu Schrott gefahren hatte und im Krankenhaus gelandet war. Diesmal war die Reaktion ihrer Eltern knallhart gewesen: keine Geldzuwendungen, keine Kreditkarten, kein Zugang zum Bankkonto mehr. Sie fanden, es sei endgültig Zeit für sie, erwachsen zu werden, sich in der realen Welt zu behaupten und ihren Beitrag zum Wohl der Menschheit zu leisten.

Brittany hatte immer noch keinen Job gefunden, obwohl sie sich wirklich bemühte.

„Aber warum sollten deine Adoptiveltern uns herbestellen?“, fragte Corrine.

„Und mir ein Haus schenken?“, ergänzte Abby.

Brittany schluckte und schaute zu ihren Schwestern. Was sie dabei empfand, war zugleich das seltsamste und schönste Gefühl der Welt. Sie lächelte erleichtert. „Da habt ihr wohl recht. Ich denke, nicht mal sie sind reich genug, um …“

Sie brach ab, als die Tür hinter ihr geöffnet wurde. Instinktiv warf sie einen Blick über die Schulter – und erstarrte.

Sollte sie tatsächlich jemals in die Verlegenheit kommen, in einem verwunschenen Ort namens Miracle Harbor jemanden heiraten zu sollen oder zu wollen, wäre er auf jeden Fall ein geeigneter Kandidat.

Der Mann war einfach umwerfend! Ein attraktiver Riese von annähernd zwei Metern, nachtschwarzes Haar, olivfarbener Teint, dunkle Brauen, gerade Nase, sinnliche Lippen und ein markantes Kinn. Hinzu kam, dass seine konservative Kleidung keinen Deut half, den Körper eines trainierten Athleten zu kaschieren.

Dann trafen sich ihre Blicke, und Brittanys Herz schlug plötzlich ganz oben im Hals. Seine Augen waren strahlend blau, fast aquamarin. Unter unmöglich dichten dunklen Wimpern maß er sie mit einem Blick, den sie nicht anders als provokant und sinnlich bezeichnen konnte.

Trotz des tadellosen Schnitts seines weißen Hemds und der leger gelockerten Seidenkrawatte hätte er mit seinen langen muskulösen Beinen auch in einer ledernen Motorradkluft eine verdammt gute Figur abgegeben. Oder rittlings auf einem wilden Hengst …

„Mein Sohn Mitch“, stellte Jordan Hamilton vor.

Der nickte nur knapp. „Dad, ich brauche deine Unterschrift auf dem Phillips-Vertrag.“

Seine Stimme war wie dunkle Rohseide, die ihre erhitzte Haut streichelte. Brit schauderte, als hätte er sie körperlich berührt. Gleichermaßen elektrisiert wie verstört senkte sie den Blick und fixierte angestrengt ihre sorgfältig manikürten Fingernägel, bis er den Raum verlassen hatte.

Mr. Hamilton senior hüstelte entschuldigend. „Was die Bäckerei betrifft …“

Brittany tat ihr Bestes, um sich davon abzuhalten, in Gedanken seinem faszinierenden Sohn zu folgen. Ehrlich gesagt war eine Bäckerei absolut nicht ihre Kragenweite. Irgendetwas mit Öffentlichkeitsarbeit oder Marketing wäre weitaus mehr ihr Ding gewesen. Auch als Einkäuferin einer noblen Modemarke konnte sie sich sehen, natürlich inklusive einer Bekleidungspauschale und regelmäßiger Trips nach Mailand und Paris.

Aber da keine der angeschriebenen Firmen auch nur die Höflichkeit besessen hatte, zurückzurufen, musste sie wohl oder übel mit einer blöden Bäckerei beweisen, was in ihr steckte. Schon um dem Glauben an sie und dem Sympathievorschuss gerecht zu werden, der ihr aus den Augen ihrer neu gewonnenen Schwestern entgegenleuchtete.

Eine Stunde später schlenderte Brittany mit den beiden untergehakt über die Hauptstraße des malerischen Küstenortes und genoss die überraschten Blicke der Einwohner von Miracle Harbor.

Was für eine Idylle und was für eine traumhafte Kulisse!

Auf der einen Straßenseite rollten weiße Wellen an ein sandiges Ufer, auf der anderen präsentierten sich alte Backsteingebäude mit farbenfrohen Markisen.

„Nicht das schlechteste Fleckchen Erde, um hier ein Jahr zu verbringen“, lautete Brits Urteil. „Urig, pittoresk und absolut liebenswert. Dazu der Bonus, uns in Ruhe kennenlernen zu können …“ Sie seufzte elegisch, ohne den Satz zu beenden.

„Du hast anscheinend die Ehemann-Klausel verdrängt“, erinnerte Corrine sie säuerlich. In ihren Boyfriend Jeans mit einem Riss am Knie und der verblichenen Jeansjacke unterschied sie sich zumindest äußerlich stark von ihren Schwestern.

„Ach … die meisten heiraten doch weniger aus romantischen Gründen als aus Kalkül oder sogar dreister Berechnung. Ich bezweifle ernsthaft, dass auch nur eins der Paare, die zum Bekanntenkreis meiner Eltern gehören, aus Liebe geheiratet hat.“

Nichts in ihrem Tonfall verriet etwas von dem kleinen Mädchen, das sich ihr Leben lang heimlich nach echter Liebe gesehnt hatte – dem einzigen Geschenk, das ihre wohlhabenden Eltern ihr anscheinend nicht geben konnten.

„Ich finde das traurig“, sagte Abby leise, als hätte sie dieses kleine Mädchen trotz Brits gewollt forschen Tons zumindest flüchtig wahrgenommen.

„Aber realistisch“, warf Brittany ein und zwinkerte ihr herausfordernd zu. „Wenn mir meine Bäckerei gefällt, werde ich auf der Stelle eine Anzeige schalten: Ehemann gesucht … groß, dunkel, muskulös und einfach umwerfend. So wie dieser hinreißende Anwalt, der in der Kanzlei aufgetaucht ist, um etwas unterschreiben zu lassen. Wie hieß er noch?“

Als könnte ich das je vergessen!

Doch wenn sie ein Talent hatte, dann war es, die Menschen um sie herum nicht wissen zu lassen, was sie wirklich fühlte. Und erst recht nicht, was sie verletzen könnte.

Dabei hatte sie gar nicht das Gefühl, sich vor ihren neu gewonnenen Schwestern verstellen zu müssen. Es war eher so etwas wie eine alte Gewohnheit.

Mike … Ich glaube es war Mike“, meinte Corrine.

„Niemals!“, widersprach Abby. „Mark?“

Lachend schüttelte Brittany den Kopf. „Egal, aber definitiv mit einem M am Anfang“, entschied sie lachend und freute sich insgeheim darüber, dass keine ihrer Schwestern offensichtliches Interesse an ihrem Traumtyp zeigte.

„Ich freue mich sogar darauf, für ein Jahr herzuziehen, um euch beide in Ruhe kennenlernen zu können“, sagte Corrine mit einem fast schüchternen Lächeln. „Aber ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Es wird mindestens bis Mai dauern … und ich werde nicht heiraten.“ Ihr Mund wirkte plötzlich regelrecht verkniffen. „Niemand schreibt mir so etwas vor.“

„Keine Panik, ich kann dir helfen, einen Ehemann zu finden“, schlug Brittany begeistert vor. „Aber zuerst müssen wir deine Jeans loswerden. Du würdest einfach umwerfend in Ralph Lauren aussehen. Schau nur mich an!“

Sie lachte fröhlich über Corrines düstere Miene, drückte abbittend ihre Finger und wurde mit einem schüchternen Lächeln belohnt, das ihr einen flüchtigen Einblick in das sensible Innenleben ihrer Schwester erlaubte.

Es war wie ein Traum. Brittany fühlte sich wie von einer warmen Decke eingehüllt in die Geschwisterliebe von Abbie und Corrie, obwohl sie gerade erst wiedervereint waren und einander im Grunde gar nicht kannten. Sie hatte das Gefühl, nie zuvor so glücklich wie in diesem Moment gewesen zu sein. Aufgeregt und voller Vorfreude auf die Zukunft und all ihre wunderbaren Möglichkeiten.

Suchend schaute sie zu den bronzefarbenen Hausnummern über den Geschäften hoch und spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte: 201, 203, 205.

Dann sah sie die Bäckerei. Ihre Bäckerei …

1. KAPITEL

Drei Monate später …

„Einen Moment!“, rief Brittany, als es erneut an ihrer Wohnungstür klopfte. Sie warf einen kritischen Blick in den Schlafzimmerspiegel, ohne das ungemachte Bett, die verstreuten Kleidungsstücke oder die herumliegenden Kosmetikartikel zu beachten.

„Oje, ich sehe furchtbar aus …“, stöhnte sie. „Unzumutbar!“

Es klopfte erneut, laut und unerbittlich, was sie immer noch ignorierte. Es war einfach hoffnungslos! Ihr ärmelloses Brautjungfernkleid aus pfirsichfarbenem Chiffon war ein Traum. Es passte wie angegossen, umschmeichelte ihre schlanken Beine, betonte die zarte Wölbung ihres Busens, zeigte die Rundung sonnengeküsster Schultern.

Auch ihr Make-up war perfekt. Es betonte ihre hohen Wangenknochen ebenso wie die ungewöhnliche Augenfarbe. Ihr langes, kunstvoll aufgestecktes Haar schimmerte in Gold-, Weizen- und Honigtönen.

Sie sah in jeder Hinsicht perfekt aus … bis auf den rosapinkfarbenen Streifen, der sich quer über ihre kunstvolle Frisur zog. Sprenkel im gleichen Farbton zierten ihre nackten Arme, angefangen bei den Handgelenken bis hinauf zu den Schultern. Und sie ließen sich weder abwaschen noch wegwischen.

Das wusste Brittany, weil sie bereits alles probiert hatte: von Terpentin bis Nagellackentferner. Streifen und Sprenkel waren das Ergebnis der Neugestaltung des Verkaufsraumes ihrer Bäckerei … ohne Frage die zermürbendste Arbeit, die sie je geleistet hatte.

Nachdem sie sich für einen noblen, dezenten Rosaton entschieden hatte, war sie vier Tage lang mit nichts anderem beschäftigt gewesen, als ihn auf die Wände zu bringen, um die erträumte Wirkung zu erzielen. Leider war das Ergebnis nicht halb so ansprechend ausgefallen wie geplant, was sie ebenfalls noch zu verdauen suchte.

Und als modisches Accessoire auf Haaren und Haut war der Farbton eine echte Katastrophe.

Wieder klopfte es.

„Eine Minute!“, rief sie.

Zweifellos war es das Blind Date, das ihre Schwester Abby für sie organisiert hatte. Wegen der geplanten Wiedereröffnung der Bäckerei nächste Woche hatte sie keinen Sinn für irgendetwas anderes gehabt. Wie allerdings Abby neben ihrem Job als Näherin, der Erziehung eines Kleinkinds und ihrer Hochzeit Zeit gefunden hatte, auch noch einen Begleiter für sie zu finden, war Brit schleierhaft.

Angesichts von Abbys engem Zeitplan durfte sie wohl nicht zu viel erwarten. Überhaupt war es demütigend, sich im gesetzten Alter von siebenundzwanzig Jahren auf so etwas einlassen zu müssen! Vermutlich hatte der Typ seine besten Jahre längst hinter sich.

Andererseits waren sie hier in Miracle Harbor.

Und wenn sie bedachte, was Abby hier passiert war …

Was, wenn sie das gleiche Glück hätte und an diesem magischen Ort ihren Märchenprinzen fand, der sie erst zu einer Hochzeit und anschließend durch ihr ganzes zukünftiges Leben begleitete.

Mit einem letzten resignierten Blick in den Spiegel wirbelte sie herum und ging in Richtung Tür. Dabei ignorierte sie die bescheidene Einrichtung ihrer neuen Bleibe, die direkt über der Bäckerei lag. Sie hatte sie möbliert übernehmen müssen.

„Egal …“, murmelte sie vor sich hin. „Wahrscheinlich wird er ohnehin zu alt und zu schlicht sein, um überhaupt etwas außer mir zu registrieren.“

Und natürlich die rosa Highlights!

Inzwischen begehrte ihr unbekannter Begleiter schon mehr mit einem Hämmern als mit einem Klopfen Einlass.

Mit einem betont kühlen Lächeln riss sie die Tür auf. „Ich sagte doch eine Minu … Sie?“ Brit schluckte.

Ob er von nun an jedes Mal auftauchen würde, während sie gerade von einem zukünftigen Eheglück fantasierte? Instinktiv trat sie aus der Wohnung in den Hausflur und zog die Tür fest hinter sich zu.

Er schaute sie nur stumm an. Wieder war sie fasziniert von seiner Augenfarbe … ein ungewöhnliches Blau, das an einen heißen Tag am Ozean erinnerte.

„Ich bin Mitch Hamilton“, sagte er mit dieser Stimme, die ein anständiges Mädchen wie sie dazu brachte, sich die romantischsten Sachen vorzustellen. Allein die Vorstellung, für den Rest ihres Lebens jeden Morgen in seinen Armen aufzuwachen, den Bartschatten auf seinem markanten Kinn …

„Wie gesagt … Mitch Hamilton“, wiederholte er mit einem Lächeln.

Miracle Harbor hin oder her, ich werde mich wegen keinem Mann lächerlich machen.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Hamilton“, erwiderte Brit förmlich.

Das war geschafft, aber nicht hinzuschauen war keine Option. In seinem marineblauen Anzug mit den feinen Nadelstreifen sah er umwerfend aus. Das strahlend weiße Seidenhemd brachte den Bronzeton seines dunklen Teints perfekt zur Geltung.

Doch wofür Brit noch weitaus empfänglicher war, war das gewisse Funkeln in den ungewöhnlichen Augen, das auf einen ungezähmten Teil seiner Persönlichkeit hindeutete.

Wie hatte Abby ihr das nur antun können? In dieser Sekunde wünschte sie sogar, ihre Schwester hätte genau das für sie arrangiert, was sie eben noch für einen Albtraum gehalten hatte: einen Begleiter, der zu alt, faltig und zu uninteressant war, um sie aus der Ruhe bringen zu können. Einen Mann, in dessen Gegenwart sie weder an ihr derangiertes Äußeres noch an ihre primitive Behausung denken musste … obwohl Mr. Perfect Letztere ohnehin nie zu Gesicht bekommen würde.

Aber ausgerechnet dieses Ausnahmeexemplar? Verdammt attraktiv, strotzend vor maskulinem Selbstvertrauen und subtiler Sinnlichkeit?

Und ich habe rosa Farbe im Haar und pinke Sommersprossen!

„Wie konnte sie mir das nur antun …“, murmelte sie düster.

„Wie bitte?“ Ihr Date trat einen Schritt zurück und schien nach einer Apartmentnummer zu suchen, als wünschte er sich, am falschen Ort zu sein.

„Sie sind doch Brittany? Brittany Patterson?“

„Unglücklicherweise ja.“

Mitch Hamilton beugte sich leicht vor. „Und wer hat Ihnen was angetan?“, fragte er mit erhobenen Brauen.

„Sie als Begleitung. Meine Schwester weiß wohl nicht …“

„Pardon, mein Vater Jordan Hamilton hat mich gefragt, ob ich Sie zur Hochzeit Ihrer Schwester begleiten kann“, erklärte er mit steifer Würde.

Na bravo! Nichts wünschte sie sich mehr, nur nicht in diesem Zustand! „Ich bin sicher, Ihr Vater, respektive Sie, haben die besten Absichten, aber ich brauche keine Eskorte. Ich bin durchaus in der Lage, allein …“

„Mein Auftrag lautet, Sie pünktlich zur Kirche zu bringen.“ Er schob den eleganten Jackenärmel zurück und schaute auf die Uhr – natürlich eine Rolex! „Was bedeutet, dass wir aufbrechen müssen. Jetzt.“

Neben diesem besonderen Timbre und einer beängstigenden Sinnlichkeit lag eine unerbittliche Strenge in seiner Stimme, die Brit schaudern ließ.

Es kostete sie enorme Kraft, sich zu beherrschen. Denn eines stand fest: Der Tag, an dem sie einem Mann wie ihm erlaubte, sie herumzukommandieren wie ein unmündiges Kind, würde niemals kommen. „Tja, das ist Pech, wir können nicht … oder besser gesagt, ich kann nicht. Ich bin noch nicht fertig.“

Damit lud sie ihn unerwartet zu einer kritischen Inspektion ein. Sich seinem prüfenden Blick ausgesetzt zu sehen, jagte Brit einen Schauer über den Rücken.

„Für mich sehen Sie gut aus.“

„Gut im Sinne von ganz nett? Oder gut im Sinne von umwerfend?“

„Sie scheinen etwas in Ihrer Frisur zu haben. Kaugummi?“ Er berührte ihr Haar, und Brit zuckte zurück.

„Das ist nur Farbe! Ich habe sie auch auf den Armen. Das Zeug will einfach nicht abgehen.“ Sie konnte nicht glauben, dass sie hier im Flur stand und mit einem Mann wie ihm und über etwas derartig Banales diskutierte. „Gibt es eigentlich keine Gesetze, die es verbieten, so etwas Hartnäckiges herzustellen?“

„Ich befürchte, das gehört nicht zu meinem Spezialgebiet.“ Er schien nur mäßig belustigt zu sein, was alles nur noch schlimmer machte.

„Was soll ich bloß tun?“, sagte sie mehr zu sich selbst.

„Auf gedämpftes Licht hoffen?“, schlug er ohne spürbares Mitgefühl vor. „Wir müssen jetzt gehen.“

„Ich … ich kann nicht. Aber das werden Sie nicht verstehen.“ Wie sollte er auch wissen können, wie wichtig es ihr war, gerade heute absolut makellos aufzutreten. Nicht nur für sich selbst … obwohl das natürlich ein zusätzlicher Bonus gewesen wäre.

„Heute ist Abbys großer Tag“, erklärte sie rau. „Und der muss einfach perfekt sein. Ich bin ihre Brautjungfer und damit automatisch auf jedem Hochzeitsbild.“ Plötzlich hatte sie das Gefühl, schon viel zu viel von sich preisgegeben zu haben. „Die Fotos werden in diesem schrecklichen Provinzblatt veröffentlicht, und ich …“

„So schlecht sieht es gar nicht aus“, unterbrach er sie, doch sein abschätziger Blick vermittelte ihr etwas anderes. „Dieser Kaugummiton ist vielleicht nicht Ihre Idealfarbe, aber immer noch besser als Mintgrün, denke ich.“

„Der Ton nennt sich frostige Morgendämmerung“, informierte sie ihn steif.

„Und wie ist frostige Morgendämmerung auf gebleichtem Blond gelandet?“

Gebleichtes Blond? Darauf wie auch immer zu reagieren, war unter ihrer Würde. Auf jeden Fall wusste dieser Mann, wie er sich Feinde machte.

„Ich male gerade …“

„Ah, eine Künstlerin!“, stellte er mehr für sich fest, als würde das ihre Exzentrik erklären. „Die letzte Ausstellung im hiesigen Museum hat ein Hund bestritten. Ernsthaft“, versicherte er, als Brittany ungläubig schnaubte. „Er hatte seinen Schwanz in Farbe getaucht und damit über die Leinwand gewedelt.“

Sie presste die Lippen zusammen. Der attraktivste Mann, der ihr je über den Weg gelaufen war, steckte sie, eine falsche Blondine, in dieselbe Kategorie wie einen Hund, der mit seinem Schwanz malte!

Und sie hatte diesem Tag mit so viel Spannung und Vorfreude entgegengefiebert. Es war der Tag, an dem ihre Schwester den Mann heiratete, den sie liebte. Und für Brittany war es ein Tag, der sie mit einer sehnsüchtigen Hoffnung erfüllte, dass ihr vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft dasselbe Glück widerfahren könnte.

Doch ihre geheimen Träume schienen sich gerade in Luft aufzulösen – zumindest für heute, wenn nicht für den Rest ihres Lebens.

„Ich bin keine Künstlerin“, sagte sie kühl. „Ich streiche meine Bäckerei.“

Mitch blinzelte und musterte erneut den Rosaton in ihrem Haar. „Wirklich?“

„Die Farbe sah an der Wand viel besser aus.“

„Wirklich?“, wiederholte er, und sie sah, wie es um seine Mundwinkel zuckte.

„Das ist nicht amüsant!“ Wie hatte Abby ihr nur diesen Typen zumuten können?

„Natürlich nicht“, sagte er in einem Ton, als würde er im nächsten Moment noch Euer Ehren anhängen. „Noch weniger amüsant wäre es allerdings, wenn wir zu spät zur Hochzeit kämen und …“

Mit erhobenem Kinn und kaltem Blick rauschte sie an ihm vorbei die Treppe hinunter und wäre gestrauchelt, wenn ihr Begleiter nicht geistesgegenwärtig ihren Ellenbogen umfasst und sie gestützt hätte.

„Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Abend zu dem schlimmsten meines Lebens geraten könnte?“, murmelte Brittany, anstatt sich zu bedanken.

„Dito“, kam es trocken zurück, und schon war sie wieder frei.

Vor dem Haus öffnete Mitch ihr die Beifahrertür der schwarzen Luxuslimousine – eher konservativ als sportlich, wie sie für sich vermerkte –, glitt auf den Fahrersitz, startete den leistungsstarken Motor und versuchte nicht einmal, sich zu unterhalten. Wie ein Soldat, der Befehle ausführte.

„Sie wollten das hier nicht, oder?“, fragte sie geradeheraus.

Nicht eine Spur verlegen, maß er sie mit einem kurzen Seitenblick. „Ich tue meinem Vater damit einen Gefallen.“

„Sie müssen sehr an ihm hängen. Ihr offenkundiger Widerwillen …“

„Ich habe großen Respekt vor ihm“, unterbrach er sie lächelnd. „Aber es stimmt, dass ich mich nicht gerade darum reiße, einen … nennen wir es mal angespannten Abend mit einer mir völlig Fremden zu verbringen.“

„Also, ich finde, Sie hätten es schlimmer treffen können.“

„So?“ Das klang ebenso abwartend wie herausfordernd.

„Ich hätte alt sein können. Und zerknittert … und hässlich.“ Dass von seiner Seite keine Reaktion kam, war beleidigender als jede mögliche Antwort. „Außerdem habe ich mehr als deutlich gemacht, dass ich auch allein …“

„Ich hatte keine Wahl“, unterbrach er sie schon wieder. „Ich habe meinem Vater versprochen, Sie zu begleiten, und das werde ich tun.“

Es hätte sie glücklich machen müssen, dass er nicht zu der Sorte gehörte, die sich von einer Bekanntschaft mit ihr mehr versprach, als sie zu geben gewillt war. Andererseits … wie hätte er wohl auf sie reagiert, wenn sie sich nicht in dieser unseligen Situation begegnet wären?

Das Leben kann wirklich grausam sein …

Trotz dieser melodramatischen Erkenntnis genoss Brittany dann doch die ebenso prächtige wie romantische Hochzeit, sobald sie ihren Zielort erreicht hatten. Niemand achtete auf ihr buntes Haar, dafür aber jeder auf ihren Begleiter.

Abby und Shane wirkten überglücklich, als sie sich das Jawort gaben, der Rest des Abends jedoch bestätigte Brittanys düstere Vorahnungen …

Während des gesamten Dinners zeigte sich Mitch Hamilton ebenso immun gegen ihr Bemühen, ihn zu ignorieren, wie humorlos beim Zuhören der Geschichte, mit der sie die anderen Gäste am Tisch unterhielt. Dabei war es ein lustiges Erlebnis aus ihrer Kindheit, in dem es um fünfunddreißig Packungen roter Lebensmittelfarbe ging, mit denen sie den Pool ihrer Eltern in den Highwoods in Kalifornien in ein rotes Meer verzaubert hatte.

Der arrogante Kerl hatte keinen Mundwinkel verzogen, sondern nur mehr als gelangweilt auf seine Uhr geschaut, als würde er die Minuten zählen, bis er sie wieder mit Anstand loswerden konnte.

Dass sie sich trotzdem seiner körperlichen Anziehungskraft mehr als bewusst war, frustrierte sie zutiefst. Zumal diese Tatsache es ihr unmöglich machte, so zu tun, als würde er gar nicht existieren.

Autor

Cara Colter

Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel.
Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...

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