Steuerbeamter (m/w/d)
Ermittler im Dickicht der Zahlen
Tino Bäckmann ist Steuerbeamter im gehobenen Dienst und kommt dabei manchmal auch Betrügern auf die Spur
„Die Steuer wird Ende der Woche abgebucht, dann ist auch ihr Steuerkonto wieder bereinigt“, sagt Tino Bäckmann. Die Frau am anderen Ende der Leitung ist erleichtert, Mahnungen vom Finanzamt erhält keiner gern. Zehn Minuten hat es gedauert, den Unterschied zwischen Einkommens- und Umsatzsteuer zu erklären. Wenn er am Telefon ist, zeigen Tinos Finger auf die Tabellen am Bildschirm, als säße der Anrufer neben ihm.
Kommunikation sei das Wichtigste bei seiner Arbeit, resümiert er. Nicht nur Zahlen verstehen. Der 24-Jährige ist Steuerbeamter im gehobenen Dienst des Freistaats. Sein Büro im Finanzamt Dresden ist eingerichtet mit Schreibtisch, Computer und knapp 200 Aktenfächern.
Mit fünf Kollegen prüft Tino 3.800 Steuerzahler, deren Nachnamen mit R oder S beginnen. Er bearbeitet Lohnsteuererklärungen von Arbeitnehmern, prüft Umsätze von Selbstständigen und setzt die Steuer fest, die diese zahlen müssen. Veranlagung ist der etwas sperrige Begriff dafür. Tino telefoniert, erklärt, mahnt ausstehende Zahlungen an. Das sei nicht immer einfach, denn beim Geld hört für viele bekanntlich die Freundschaft auf, auch die Freundlichkeit. Kein Problem: „Ich muss nicht jeden mögen, aber professionell mit ihm umgehen können.“ Zudem bereite die Ausbildung den angehenden Steuerbeamten auch auf schwierige Situationen vor. „In Rollenspielen lernt jeder Techniken, um solche Gespräche zu entschärfen.“
Nach einem Auswahltest bekam Tino den Platz an der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung in Meißen. Die Fächer klingen nach einem Jura-Studium: Abgabenrecht, Bilanzrecht, Öffentliches und Privates Recht, Internationales Steuerrecht. „Schon in der Schulzeit habe ich mich für Recht interessiert“, sagt Tino. Doch statt eine Anwaltslizenz anzustreben, legte sich der Gymnasiast früh auf die Ausbildung beim Freistaat fest. „Ich finde wirtschaftliche Zusammenhänge spannend“, begründet er seine Berufswahl.
Die Arbeitszeit kann Tino frei einteilen. Er muss lediglich im zeitlichen Rahmen zwischen 6:30 Uhr und abends halb neun als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und 40 Stunden pro Woche arbeiten. Meist kommt er morgens um sieben. Ab acht Uhr ist er telefonisch erreichbar. Die ruhige Stunde dazwischen nutzt der junge Beamte für knifflige Aufgaben: Zuarbeiten für Chef oder Finanzministerium, Einsprüche von Steuerzahlern. Auch im Finanzamt passieren Fehler, die korrigiert werden müssen. „Du musst schon ein bisschen rechnen und 19 Prozent Umsatzsteuer überschlagen können“, sagt er. „Haben wir uns vertan, wird der Steuerbescheid geändert und das Geld geht zurück an den Steuerpflichtigen.“
Ganz anders sieht es aus, wenn ihm in einer Steuererklärung etwas komisch vorkommt. Dann wird Tino zum Ermittler, begibt sich auf Spurensuche. Denn jeder zu wenig eingenommene Euro fehlt am Ende dem Freistaat und damit den Bürgern. Für Schulen, Schwimmhallen oder Straßenbau. So mancher Steuerpflichtige wird gegenüber dem Finanzamt kreativ, um Geld zu sparen. Da tauchen Ausgaben auf, die zwar nicht gerechtfertigt sind, aber die Steuern senken würden, wenn Tino sie akzeptiert. Mancher deklariert ein schick eingerichtetes Wohnzimmer zum teuren Arbeitszimmer, obwohl das Büro woanders ist. Um Betrug zu verhindern, rechnet Tino nach, wälzt Steuergesetze, prüft die Internetseiten des Unternehmers oder telefoniert mit ihm oder dessen Steuerberater. Wenn die Angaben nicht plausibel sind, geht der Fall an eine Fachabteilung, beispielsweise den Prüfdienst, der dem Steuerzahler vor Ort auf den Zahn fühlt. Wird der Beamte fündig, kann es ein Gerichtsverfahren für den Steuersünder geben. Tino könnte später auch beim Prüfdienst arbeiten. Aber will er das? „In so einer Fachabteilung wird man zwar zum Spezialisten, aber der Blick für andere Dinge geht verloren“, findet er. Wer ihm zuhört, spürt, dass der junge Mann längst angekommen ist in seinem Traumberuf. Und der hat mit vielen Menschen zu tun.
Text & Fotos: Tobias Wolf