Harnwegsinfektionen: erkennen – behandeln – vorbeugen

Harnwegsinfektionen sind eine der häufigsten Komplikationen bei Querschnittlähmungen. Sie sollten nicht als nahezu unvermeidbare Begleiterscheinung hingenommen, sondern bestmöglich begrenzt werden. Dazu gibt es intervenierende, aber auch vorbeugende Maßnahmen.

Bei Fachleuten gilt bei Querschnittlähmung jeder Harnwegsinfekt (HWI) als „kompliziert“. Zum einen können derartige Infekte ein Hinweis sein auf eine nicht hinreichend behandelte Neurogene Dysfunktion des unteren Harntrakts (Neurogene Blasenfunktionsstörung), zum anderen fehlen mitunter klinische Symptome, da Betroffene aufgrund ihrer Querschnittlähmung Warnzeichen nicht wahrnehmen können (Leitlinie, 2021).

Welche Faktoren begünstigen den Ausbruch einer HWI?

Harnwegsinfektionen werden meist durch Bakterien ausgelöst, „die sich in der Blase befinden, aber dort nicht hingehören“. Koch und Geng nennen u.a. folgende Faktoren, die eine HWI bei Querschnittlähmung begünstigen:

  • Blasen- oder Nierensteine
  • Diabetes mellitus
  • Blasenkatheter
  • Stuhlinkontinenz
  • geschwächtes Immunsystem
  • unzureichende Auswaschung der Blase, zu kleine Trinkmenge
  • hohe Restharnmenge in der Blase
  • Tumore
  • Neurogene Blasenfunktionsstörung

Woran erkenne ich eine Harnwegsinfektion?

Eine bakterielle Entzündung der Harnwege kann sich sehr unterschiedlich stark bemerkbar machen. Manchmal wird sie gar nicht wahrgenommen, darum empfiehlt es sich, regelmäßig zu Hause Teststreifen zu verwenden, die Abweichungen von den normalen pH-Werten des Urins nachweisen. Wird der Urin zu alkalisch (ph-Wert größer 7) fühlen sich die meisten Bakterien in diesem Milieu wohler.

Andere mögliche Symptome sind:

  • trüber, dicker Urin
  • übelriechender Urin
  • Blut im Urin
  • vermehrtes Harnlassen von geringen Mengen
  • Kopfschmerzen
  • ggf. Schmerzen im unteren Bauchbereich
  • Flankenschmerz
  • vermehrte spinale Spastik
  • Übelkeit
  • Unwohlsein, Schwächegefühl, Lethargie
  • bei Intermittierendem Katheterismus: neu auftretende Inkontinenz, häufigeres Katheterisieren
  • bei Dauerkatheter: Auslaufen um den Katheter herum
  • Zeichen einer Autonomen Dysreflexie wie erhöhte Temperatur, ggf. Anstieg der Muskelspastik, Schweißausbrüche, Schüttelfrost (siehe auch Beitrag Was geschieht bei einer Autonomen Dysreflexie?)

Diagnostik

Ob tatsächlich ein Harnwegsinfekt vorliegt, lässt sich auch zu Hause mit einem Schnelltest ermitteln. Ein Teststreifen wird in den Urin – idealerweise mit einem Einmalkatheter gewonnen – getaucht, nach zwei Minuten liegt das Resultat vor.

Im Labor werden aus einer gewonnen Urinprobe, die auf schnellstem Weg zum Labor gebracht werden sollte, ein Urinstatus gemacht und eine Bakterienkultur angelegt. So kann die Anzahl der Bakterien und die Anzahl der Leukozyten festgestellt werden. 

Ein klinisch relevanter Harnwegsinfekt wird wie folgt definiert:

Steht fest, dass ein HWI vorliegt, geht die Arbeit weiter: Für die Therapie müssen die Keime, die den Infekt auslösen, bestimmt werden. Optimalerweise veranlasst der Arzt einen differenzierten Urinstatus und eine Keim- und Resistenzbestimmung, um ein wirksames Antibiotikum verschreiben zu können (Koch, Geng, 2021).

Wichtig, aber auch für Fachleute mitunter schwer, ist die Unterscheidung zwischen „asymptomatischer Bakteriurie“ und „klinisch relevantem Harnwegsinfekt“ (Haas, 2021). Denn werden suprapubische oder transurethrale Dauerkatheter verwendet, muss de facto mit einer Keimbesiedlung des unteren Harntraktes gerechnet werden. „Eine Therapie ist in diesen Fällen nur bei Auftreten von Symptomen wie Fieber, erhöhter Leukozytenanzahl, der Leukozytose oder bei autonomer Dysreflexie sowie vor invasiven diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen gerechtfertigt“, so die aktuelle Leitlinie zur neuro-urologischen Versorgung querschnittgelähmter Patienten.

Bei klinisch relevanten Werten hingegen wird eine „resistenzgerechte antibiotische Therapie über 7 – 14 Tage im oberen Dosierungsbereich“ angeraten (Leitlinie, 2021). Der Betroffene kann die Behandlung unterstützen, z.B. durch reichliche Flüssigkeitsaufnahme, damit Erreger ausgespült werden. Blasentees aus harntreibenden Kräutern können zudem die Harnmenge steigern. Vier bis sieben Tage nach Abschluss der Behandlung sollte der Urin nochmals überprüft werden.

Was kann ich tun, um einen Harnwegsinfekt vorzubeugen?

Die regelmäßige und vollständige Blasenentleerung, viel trinken, eine gewissenhafte Pflege des Genitalbereichs und die sorgfältige Hygiene beim Katheterisieren wirken gemeinsam gegen die Ausbreitung und das Wachstum von Bakterien.

Die Fachliteratur empfiehlt sowohl Betroffenen mit einer schlaffen als auch einer spastischen Blase den intermittierenden Selbstkatherterismus, um die Blase zuverlässig und druckfrei zu entleeren. Sie können lernen, sich selbst zu katheterisieren, wenn die Motorik der Hände das zulässt. Ansonsten funktioniert der Fremdkatheterismus auf dieselbe Weise. Ratsam ist eine Entleerung der Blase alle vier Stunden (siehe auch: Zur Durchführung des Intermittierenden Selbstkatheterismus).

Generell sollten Betroffene reichlich trinken, egal, ob man gerade an einer Blasenentzündung leidet oder nicht. Bei Menschen mit Querschnittlähmung sollte die Ausscheidungsmenge ca. 1.500 ml in 24 Stunden betragen (siehe auch: Trinkverhalten bei Querschnittlähmung).

Zusätzlich kann Blasentraining Betroffenen helfen, ein besseres Gefühl für ihre Blasentätigkeit bzw. eine bewusste Wahrnehmung dieser zu bekommen und angemessen darauf zu reagieren. Zu Beginn eines Blasentrainings werden Urinmengen sowie die Zeit zwischen Trinken und Entleerung und Reaktionen des Körpers auf eine volle Blase etc. genau protokolliert. Mit der Zeit wird so ein vorausschauender Umgang mit der Blase erreicht, der in Kombination mit der passenden Entleerungstechnik Infektionen vermeiden kann.

Auch Impfungen, bzw. Immunstimulierungen können – nach Absprache mit dem Arzt – unter Umständen eine Möglichkeit sein, sich gegen wiederkehrende HWI zu wappnen. Meist wird mit Escherichia coli, also Kolibakterien, gearbeitet. Mehr zu diesem Thema im Beitrag Leben mit Querschnittlähmung: Impfung als Chance bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten.

Bei häufigen (zwei oder mehr pro Jahr) fieberhaften oder rezidivierenden (wiederkehrenden, drei oder mehr pro Jahr) Harnwegsinfektionen kann auch über eine Antibiotika-Prophylaxe nachgedacht werden. Ein wöchentlicher Wechsel zweier Antibiotika scheine die Infektrate zu senken, so die neuro-urologische Leitlinie. Genannt wird pro Woche eine orale Einmal-Gabe nach dem WOCA-Schema (Weekly Oral Cycling Antibiotics).

Zugleich geben die Autorinnen und Autoren der Leitlinie zu bedenken: „Eine HWI-Prophylaxe sollte erst dann eingeleitet werden, wenn die Labordiagnostik überprüft und die Risikofaktoren für das Entstehen von Harnwegsinfektionen beseitigt wurden.“ Ursachenbeseitigung und Vermeidung von Resistenzbildung gehen langfristig vor.

Zudem gibt es zahlreiche ergänzende Methoden von homöopathischen Präparaten bis zu Hausmitteln, die vorbeugend eingesetzt werden können. Über diese informiert der Beitrag Alternative Methoden zur Vorbeugung und Heilung von bakteriellen Harnwegsinfekten.

Für weiterführende Informationen siehe auch: Neurogene Blasenfunktionsstörungen: Konservative Therapien sowie Neurogene Blasenfunktionsstörungen: Operative Verfahren


Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.