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Bangen um einen guten Jahrgang

Mal tadellos, mal ungezügelt: Die südkoreanische Sängerin Youn Sun Nah könnte zur Festival-Entdeckung arrivieren.

Coronavirus-Massnahmen: Alle Konzerte bis am 19. April sind verschoben. Bitte informieren Sie sich beim Veranstalter über das aktuelle Programm.

Spricht man in diesen Tagen mit Veranstaltern von Musikfestivals, dann trifft man selten auf Unbeschwertheit und Seelenruhe. Das ist im Falle des Jazzfestivals Bern nicht anders. Festivalleiter Benny Zurbrügg ist zwar zuversichtlich, dass alles wie geplant über die Bühne geht, doch auch er wartet merklich angespannt darauf, was der Bundesrat am kommenden Freitag in Sachen Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie zu berichten hat. Nach heutigem Stand fallen die Konzerte im Marians Jazzroom und im Zelt vor dem Hotel Innere Enge in den Grössenbereich von Veranstaltungen, die ohne Bedenken stattfinden dürfen. Werden die Vorschriften jedoch beispielsweise auf das Niveau von Österreich verschärft, wo Indoor-Veranstaltungen über 100 Besucher verboten worden sind, dann würde es brenzlig in Sachen 45. Ausgabe des Jazzfestivals Bern.

Eine kleine Irritation hat das Programm indes schon erfahren, obzwar man diese durchaus auch als Gewinn werten könnte: Die Bands, die traditionellerweise von den amerikanischen Jazzschulen für die Zelt-Konzerte nach Bern gesandt werden, haben wegen Corona alle abgesagt. Zurbrügg wird nun mit der Jazzabteilung der Hochschule der Künste ein neues Programm ausarbeiten. Dieses wird Woche für Woche zusammengestellt und auf der Website des Festivals kommuniziert. Wer also neugierig ist, was in der Berner Szene an neuen Talenten heranwächst, dem sei der Gang ins Festivalzelt dringend empfohlen.

Trip-Hop im Marians?

Für das Programm im Club setzen die Veranstalter auf eine Mixtur, die sich in vergangenen Jahren bestens bewährt hat. Doch heuer tauchen im Programm – neben den diversen Festival-Evergreens und Publikumslieblingen wie Monty Alexander oder Cécile McLorin Salvant – Namen auf, die man sich in Bern erst noch merken muss. Eine solch überraschende Einladung ist die Sängerin Youn Sun Nah aus Südkorea (28.4. bis 2.5.). Hört man ihr letztes Tonwerk an, dann klingt das eher nach Trip-Hop mit musicalgeschulter Gefühlsstimme, nicht unapart, aber ein bisschen zu tadellos, als dass da grosse Gefühlswallungen entstehen könnten. Doch live ist die Dame kaum wiederzuerkennen. Dort gibt sie die ungezügelte Vokal-Improvisatorin und lässt sich vom Gitarristen Ulf Wakenius begleiten, einem der gefragtesten Gitarristen Europas, der bereits mit Joe Henderson, Niels-Henning Orsted Pedersen oder Oscar Peterson im Tonstudio stand.

Ebenfalls Grossartiges ist vom Auftritt des amerikanischen Trompeters Tom Harrell zu erwarten (5. bis 9.5.). Er hat letztes Jahr das gediegene Post-Bop-Album «Infinity» veröffentlicht, bei welchem er auf die Gitarre als melodieführendes Element setzt. Das motivische Spektrum reicht dabei von keltischen Einflüssen bis zu afrikanischen Themen – und als Solist besticht neben Harrell der allseits hochgelobte Saxofonist Mark Turner, der ebenfalls nach Bern reist. Mit einer ganz seltenen Gabe ist auch der Gitarrist Stanley Jordan gesegnet. Er versteht es, gleichzeitig Gitarre und Piano zu spielen. Dieses Kunststück vollführt er in einem Soloset, um im zweiten Teil des Abends im Trio eher dem Gitarrenhalsbrecher-Jazz zu frönen (14. bis 18.4).

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Auch eher ungewöhnlich fürs Jazzfestival Bern ist der Umstand, dass es eine Band auf die Bühne hievt, die sonst eher auf der Strasse zu Hause ist. Tuba Skinny frönt als Strassenmusikerband dem altehrwürdigen Ragtime-Jazz, ganz so, wie er in den Zwanzigerjahren in New Orleans zu hören war – nicht sonderlich originell, aber von exquisitem Kaliber und von leicht vergilbter Romantik durchweht (12. bis 16.5.).

Schwindel und Gebrochenheit

Apropos Romantik: Als die wahren Romantiker gelten landläufig die Mandolinenspieler. Diese mondsüchtigen Schwerblüter, die ihre Angebeteten kraft ihres holzigen Zupfinstruments schwindlig spielen. So jedenfalls will es das weit verbreitete Klischee, das von der Musik der tremoloverliebten Mandolinenspieler aus dem Italien des vorletzten Jahrhunderts herrührt.

Der Brasilianer Hamilton de Holanda spielt zwar sein Publikum ebenfalls schwindlig, doch mit Romantik hat er nicht so viel am Hut. Lieber sind ihm Eskapaden und der Geschwindigkeitsrausch. Dabei verweist seine Musik nur aufs erste Hinhören ins Gestern. Sie wurzelt zwar im Choro, dem Vorläufer des Samba, der seinen Reiz aus der Gleichzeitigkeit von Melancholie und Fröhlichkeit zieht, doch vergilbt mutet sie in keiner Weise an. Letztes Jahr war es dem Verfasser dieser Zeilen vergönnt, einem Konzert von Hamilton de Holanda in Brasilia beizuwohnen, wo er mit seiner Mandoline an einem 30000er-Open-Air inmitten der angesagtesten Indie-Bands des Landes auftrat. Das Konzert wurde zum Triumph, sein hochkomplexer Brasil-Jazz wurde mit minutenlangen Ovationen gefeiert (7. bis 11.4.).

Starten wird das Festival wie üblich mit drei Blues-Wochen, wobei hier der Auftritt des Sängers Curtis Salgado am meisten Spannung verspricht. In seiner Stimme findet sich eine schwer zu fassende Gebrochenheit, die seinem letzten Album «Rough Cut» einen niederschmetternden Touch gibt. Ausserdem war er es, der John Belushi zum Film «Blues Brothers» inspiriert haben soll (24. bis 28.3.).