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Online-Ausstellung während CoronaSpektakulär zwielichtig von Luzern bis Chicago

Die Bushaltestelle Kreuzstutz in Luzern ist Schauplatz von Fischers Kunst: Er malt Wartende.

Das Basler Cartoonmuseum würde derzeit «Der Welt abgeschaut» zeigen, die erste Retrospektive des Luzerner Künstlers Christoph Fischer. Angesichts der Umstände probieren Museumsdirektorin Anette Gehrig und ihr Team nun neue Möglichkeiten aus: Auf der Museums-Website gibt es einen knapp dreiminütigen Trailer zu sehen – einen Schnellrundgang durch die Ausstellung. Und ab 6. April folgen online zahlreiche Anlässe, unter anderem Autorenlesungen mit Fischer und Kuratorenführungen durchs Museum mit Gehrig.

Christoph Fischer vor einem seiner bekanntesten Kunstwerke: Drei Meter hoher Strassenwischer Heinz aus Gips.

So erhält das Publikum doch einen Eindruck von der Ausstellung, denn diese ist wirklich spektakulär. Da steht zum Beispiel – über zwei Stockwerke sich ausdehnenddas insgesamt drei Meter hohe Gipsmodell des Strassenwischers Heinz. Die Besucherinnen und Besucher können erkennen, wie Fischer diesen Riesen gebaut hat, der seit 2016 in einem Kreisel an der Baselstrasse in Luzern steht.

Spektakulär gut sind aber auch die 64 gleichformatigen Gemälde, die Fischer von Wartenden an der Bushaltestelle Kreuzstutz gemalt hat (und die in einer kleinen, feinen Edition bei Patrick Frey als Buch erschienen sind). Da sieht man die aussergewöhnlichen handwerklichen Fertigkeiten Fischers.

Wenn man bei ihm nachfragt, wie es zu diesen Gemälden gekommen sei, wird man erfahren, dass ihnen eine ausgeklügelte Methode zugrunde liegt: Fischer hat eine Digitalkamera verwendet, an deren Objektiv er einen kleinen Feldstecher gehalten hat. So herangezoomt, fotografierte er die auf den Bus Wartenden ohne deren Kenntnis. «Es sind anonyme Porträts, und dadurch, dass ich sie male, findet eine Art Übersetzung statt.»

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Die Leute warten, Christoph Fischer fotografiert sie erst dabei…
Fischer fotografiert die auf den Bus Wartenden ohne deren Kenntnis… und übersetzt die Fotos danach in Bilder.
Durch das Malen würden die Menschen auch anonym, so Fischer.

Der Strassenwischer Heinz – auch er hat ein reales Vorbild und die 64 Porträts haben einen Zusammenhang. Christoph Fischers Atelier blickt hinaus auf den Kreuzstutz, den Kreisel und die Baselstrasse. «Früher habe ich dort auch mal gewohnt, aber es ist zu laut, der Verkehr ist enorm.» Es handelt sich also um eine Art Dokumentation. Oder eine Langzeitreportage.

Dieser Strasse hat sich auch der Dokumentarfilm «Rue de Blamage» angenommen, der diesen speziellen Winkel Luzerns zeigt. Dort, wo Strassenstrich und Drogenstrich ihre dunkle Nische gefunden haben «selbst jetzt, zu Zeiten von Corona», wie Fischer am Telefon sagt. Und dunkel übrigens im durchaus konkreten Sinn. Es ist ein Schattenort, den die Sonnenstrahlen meiden.

Chicago West Side ganz nah

Es fügt sich in der Ausstellung «Der Welt abgeschaut» eben eines zum anderen. Im Parterre sieht man Bleistiftzeichnungen, die der Künstler 2010 während eines viermonatigen Stipendienaufenthalts in Chicago gemacht hat. Er hielt sich im Quartier West Side auf, dort, wo viele Schwarze leben, wo Armut grassiert, wo die Kriminalitätsrate so hoch ist wie fast nirgends in den USA. «Ich wollte an einem Ort zeichnen, wohin ich sonst nicht gehen würde», sagt der 44-Jährige zu dieser Arbeit.

Er habe damals fast zwei Wochen gebraucht, bis er sich an dieses Viertel gewöhnt hatte, sagt er. «Ich zeichnete mit dem Block in der Hand im öffentlichen Raum. Bis man mich wahrnahm. Denn das erregte Neugier.» So sei er allmählich mit den Bewohnern in Kontakt gekommen. Wenn man sich die Zeichnungen anschaut, erkennt man rasch, dass das funktioniert hat. Denn es entstanden auch Eindrücke aus der Privatsphäre. Bei den Leuten daheim.

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… und Einblicke in das alltägliche Leben der Menschen zu erhalten.
Wer lebt in Chicago? Das wollte Fischer wissen, als er die Stadt besuchte.
Er wollte Ecken zeigen, die man sonst nicht zu Gesicht bekommt.

Reportage aus der Traumwelt

Nah an die Menschen heran, zeigen, wie sie leben, zeigen, wie sie sind. Das interessiert Fischer. Und das gilt, offensichtlich, auch für ihn selber. Er hat vor rund zehn Jahren angefangen, eine Art Traumtagebuch zu führen. Neben seinem Bett liegt immer ein kleines Notizbuch, in dem er sofort nach dem Aufwachen zeichnerisch festhält, was ihm das Unterbewusstsein für Geschichten erzählt hat.

«Während ich schlief» heisst dieses jüngste Projekt. Aus den kleinen Skizzen sind in Nachbearbeitung Schwarzweisszeichnungen im Querformat geworden. Wilde, fantasiegetränkte Bilder, die in ihrer demonstrativen Absurdität eigentlich nur aus der Traumwelt stammen können.

Brennende Teppiche, die aber auch ein Fussballfeld sein könnten, Quallen, Delfine und Maschendrahtzäune, Menschengestalten wie aus einem Horrorroman von Stephen King.

Sie irritieren, diese Bilder. Schauen wir da nicht ungefiltert in die Psyche eines Menschen? Wer träumt denn schon so oft von Tieren? Macht das alles nicht tendenziell Angst? Wie viel Unbewältigtes offenbart sich da dem Besucher?

Eine Reportage aus Fischers Traumwelt – seine neuesten Bilder.

Christoph Fischer sagt, es habe keine Verfremdung stattgefunden. Und anders als etwa die Surrealisten habe er sich auch keine Traumwelt einfach ausgedacht. Das sei wirklich seine Traumwelt! «Es ist eine Art Reportage. Ich berichte von einem Ort, an dem ich war und an dem ich etwas erlebt habe.» Sie seien eine Art Ghostwriting, diese 51 Traumbilder, denn er habe ja keinen willentlichen Einfluss auf deren Entstehung gehabt.

Aktuell sollte noch ein (Alb-)Traumbild dazukommen, eines, das den geknickten, den deprimierten Künstler zeigt. Der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens war zum Greifen nahe: eine Soloausstellung in einem renommierten Museum, in dem schon Grössen wie Robert Crumb oder Christoph Niemann zu Ehren kamen. Und jetzt? Der Laden zu, die Schotten dicht. Wie kommt Fischer nun über die Runden? Mit Auftragsarbeiten und als Dozent. Bis Anfang Juni sollte die Ausstellung eigentlich dauern. Mit viel Glück wird sie vorher noch aufgehen. Bis dann: Bytes und Pixel.

Christoph Fischer: «Der Welt abgeschaut». Bis 1. Juni. www.cartoonmuseum.ch

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