Lacina will kein Kronzeuge der ÖVP gegen Vermögenssteuern sein - und trauert dem Politikerleben nicht nach: "Die Leut' sind scheißfreundlich, sie behandeln dich nicht wie einen normalen Menschen." 

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Standard: Die ÖVP zitiert Sie gern als Kronzeugen gegen die Vermögenssteuer. Zu Recht?

Lacina: Da verrät die ÖVP nur die halbe Wahrheit. Ja, ich habe die Vermögenssteuer Anfang der Neunziger abgeschafft, weil diese de facto nur Betriebsvermögen getroffen hat, unabhängig von der Ertragslage. Gezahlt haben kapitalintensive Unternehmen wie die Voest, die seinerzeit Verluste eingefahren hat, während private Finanzanlagen nicht erfasst wurden. Aber im Gegenzug hatte die Regierung eine Reform der Erbschaftssteuer vereinbart. Die ÖVP hat diese verhindert - und nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes durch Nichtstun ein Auslaufen der Steuer erzwungen.

Standard: Die SPÖ hat sich nicht sehr dagegen gewehrt.

Lacina: Die SPÖ hat damals einen schweren Fehler gemacht und ist aus mir unverständlichen Gründen immer noch gegen eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer. Obwohl, ein Motiv fällt mir schon ein: Da gab es einen mittlerweile verstorbenen Onkel, der etwas zu vererben hatte ...

Standard: ... keinen echten Onkel, sondern jenen mit Zeitungsbesitz ...

Lacina: ... genau den. Wenn sich nun die breite Masse bedroht fühlt, fürchten sich die falschen Leute. Solange es die Steuer noch gab, entfiel nahezu die Hälfte des gesamten Aufkommens auf eine Handvoll der größten Fälle. Die kleinen Erbschaften können da gerne ausgenommen werden.

Standard: Warum soll man fürs Erben überhaupt Steuern zahlen?

Lacina: Grundlage des Erwerbs sollte Leistung sein - und Erben ist noch nicht wirklich eine Leistung. Das ist keinem bösen Marxisten eingefallen, sondern entspricht einer liberalen Grundauffassung. Und wir haben zum ersten Mal eine Generation der Erben, deren Vermögen nicht durch Krieg oder Inflation entwertet wurden.

Standard: Was sollte eine Steuerreform noch bringen?

Lacina: Eine Abflachung der schon bei Durchschnittsverdienern sehr hohen Progression und eine Verschmelzung von Steuer- und Sozialversicherungstarif, die dazu führen soll, dass die Belastung nicht mehr wie bisher ab einer gewissen Einkommenshöhe sinkt. Außerdem muss Arbeit niedriger und Vermögen höher besteuert werden. Ich bin deshalb auch für eine Reform der Grundsteuer, die derzeit mit unrealistischen, weil vielfach zu niedrigen Einheitswerten bemessen wird. Das ist absolut skandalös. Da Österreich nie eine Bodenreform erlebt hat, verteilen wir damit Steuergeschenke an betuchte Damen und Herren des Hochadels und der Kirche.

Standard: Die SPÖ fordert lieber eine allgemeine Millionärssteuer.

Lacina: Dann muss die Regierung aber das Bankgeheimnis beseitigen, um Finanzvermögen zu erfassen, und erst recht die Einheitswerte anheben. Sonst wird die SPÖ in Österreich zu wenige Millionäre finden.

Standard: Die Regierung hält dem den armen Häuslbauer entgegen.

Lacina: Den kann man mit entsprechenden Freigrenzen schonen. Aber Häuslbauer verursachen durch die Zersiedlung der Landschaft auch hohe Infrastrukturkosten. Wenn schon die Zufahrtsstraßen gebaut und die Kanalgebühren subventioniert werden, ist ein höherer Beitrag nur fair. Außerdem hat eine solche Steuer den ungeheuren Charme, dass Grund und Boden nicht nach Liechtenstein flüchten können.

Standard: Warum steht die SPÖ dann trotzdem auf der Bremse?

Lacina: Das ist der reinste Populismus. Inzwischen bestimmt ja nicht mehr die Politik die Schlagzeilen, sondern die Boulevardpresse die Meinung der Politiker. Da gibt es eine Kungelei.

Standard: Seit Ihrem offenen Brief, in dem Sie vor ein paar Jahren die SPÖ kritisiert haben, hat sich also nichts geändert?

Lacina: Nein, diese Kritik hat sich zu meinem Bedauern bestätigt. Aber ich habe nichts anderes erwartet, der Brief war eher zur Rettung der eigenen Seele gedacht. Die Sozialdemokratie leidet an Ununterscheidbarkeit zu anderen Parteien, der ÖVP geht es nicht viel anders. Es wird Leere produziert und mit Worthülsen gefüllt.

Standard: War das zu Ihren Zeiten denn wirklich so viel besser?

Lacina: Wenn wir damals den Onkeln und Tanten alles recht gemacht hätten, gäbe es etwa die Kapitalertragssteuer bis heute nicht. Heute gilt in einem viel stärkeren Ausmaß als früher: Machterhalt ist das Wichtigste. Das ist kein rein österreichisches Phänomen. Die Politik wird immer kurzatmiger, siehe den Populismus in der Euro-Krise: Die Rettung Griechenland hätte einen Bruchteil gekostet, hätte die EU rechtzeitig reagiert. Doch statt Solidarität zu demonstrieren, um die Märkte zu beruhigen, hat die deutsche Regierung lieber auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen geschielt.

Standard: Läuft die Krisenbewältigung aus Ihrer Sicht fair ab?

Lacina: Nein, da ist eine Umverteilung nach oben im Gange. Riskante Anlagen haben gute Gewinne abgeworfen, für die Rettung des Kapitals kommt nun der Steuerzahler auf. Die Kosten der Krise werden auf die Staaten abgewälzt, die Sozialleistungen kürzen sollen und einen Sockel von Arbeitslosen mitschleppen. Meine Sorge: Wenn in Ländern 40, 50 Prozent der Jugendliche ohne Job sind, geht das Vertrauen in die Politik verloren. Dann sind die Empörten am Zug, die außer Empörung aber nichts anzubieten haben.

Standard: Was könnte man tun?

Lacina: All das spricht ebenfalls für höhere Reichensteuern, zumal die wachsende Ungleichheit der Verteilung mit ein Grund für die Krise war: Es gibt sehr große Vermögen, die, wie es beim alten Karl Marx heißt, anlageheischend sind und sich riskante Märkte gesucht haben - wie man nun weiß, mit teilweise fatalen Folgen.

Standard: Das spricht aber auch für eine Bankenabgabe. Haben Sie dem Bank-Austria-Vorstand denn empfohlen, zuzustimmen?

Lacina: Der Vorstand hat diese Abgabe von vornherein akzeptiert. Die Frage nach der Intelligenz kann man aber schon stellen. In unserem Bereich spielt das Investmentgeschäft ja keine entscheidende Rolle, das ist in Wirklichkeit noch die alte Kundenbank. Vernünftiger wäre eine Finanztransaktionssteuer, dann könnten wir uns die Bankenabgabe sparen.

Standard: Wer im Finanzministerium nach dem beliebtesten Minister aller Zeiten fragt, dem sagen Beamte: eine Mischung aus Lacina und Karl-Heinz Grasser.

Lacina: Uh, da sehe ich wenige Gemeinsamkeiten. Grasser war ein ausgezeichneter Verkäufer, da kann ich mit ihm nicht konkurrieren. Dafür haben wir im Gegensatz zu Grasser wie die Schießhunde aufgepasst, eine strikte Trennlinie zwischen persönlichem und staatlichem Einkommen, zwischen Mein und Dein, zu ziehen.

Standard: Fehlt Ihnen die Prominenz des Politikerlebens?

Lacina: Nein, ich habe das Bad in der Öffentlichkeit nie gebraucht. Der Verlust der Anonymität ist ein hoher Kaufpreis für die Politik. Anfangs freut man sich, wenn man auf der Straße erkannt wird, doch mit der Zeit wird's unangenehm. Oft sind die Leut' scheißfreundlich. Sie behandeln dich nicht wie einen normalen Menschen.(Gerald John, DER STANDARD; Printausgabe, 8.8.2011)