Der Gesang der Einsiedlerdrossel klingt für das menschliche Ohr vertraut: Er beruht auf Obertönen, die auch die Grundlage unserer Musik sind. Das deutet darauf hin, dass diese Kulturleistung eine biologische Basis haben dürfte.

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Wien - Seit über hundert Jahren sind sowohl Ornithologen als auch Musikwissenschafter vom Gesang der männlichen Einsiedlerdrossel fasziniert. Warum das Gezwitscher der in Nordamerika beheimateten Art so viel Interesse auf sich zog, ist schnell erklärt: Man hört in ihrem Gesang Parallelen zur menschlichen Musik heraus, sagt Tecumseh Fitch, Professor für Kognitionsbiologie an der Universität Wien.

Fitch hat diese Ähnlichkeiten nun mit einem internationalen Forschungsteam erstmals interdisziplinär untersucht. Die Forschergruppe, der neben Fitchs Mitarbeiter Bruno Gingras auch die US-Komponistin Emily Doolittle (Cornish College of the Arts) und der deutsche Bioinformatiker Dominik Endres (Uni Marburg) angehörten, konnte im Fachjournal PNAS zeigen, dass die Töne der Einsiedlerdrosseln tatsächlich in den meisten Fällen kleine ganzzahlige Vielfache einer Grundfrequenz sind und dass diese Töne einer Ober- oder Naturtonreihe entsprachen.

Die Autoren verwarfen zudem die Hypothese, dass die Einsiedlerdrosseln die Töne wegen bestimmter Resonanzen des Vokaltrakts zustande kommen (ähnlich der Tonproduktion beim Alphorn), sondern aktiv und ganz bewusst auswählen. Das führte Fitch und seine Kollegen zu weiteren Hypothesen von allgemeinerer Bedeutung - so etwa hinsichtlich der Frage, warum die männlichen Vögel so singen, wie sie singen.

Die Forscher vermuten, dass die weiblichen Einsiedlerdrosseln ihre männlichen Partner aufgrund der Genauigkeit der Intonation aussuchen oder dass sie Tonhöhen leichter verarbeiten können, die einer Obertonreihe folgen - so wie wir Menschen. Da auch schon frisch geschlüpfte Küken eine Präferenz für konsonante Intervalle zeigen, sei davon auszugehen, dass die Naturtonreihe aus natürlichen Gründen gut klingt.

Was wiederum bedeuten würde, dass einige Merkmale von menschlichen Musiksystemen zumindest teilweise auf biologischen Prinzipien basieren. (tasch, DER STANDARD, 4.11.2014)