Rauch über den Dächern von Khartum.

Foto: AFP / Ashraf Shazly

Khartum – Im Sudan ist am Samstag ein Machtkampf zwischen der herrschenden Armee und paramilitärischen Gruppen in Gewalt umgeschlagen. Zu Gefechten kam es in der Hauptstadt Khartum und andernorts. Die Miliz RSF erklärte zunächst, sie habe die Kontrolle über den Präsidentenpalast, die Residenz von General Abdel Fattah al-Burhan sowie den internationalen Flughafen der Hauptstadt Khartum übernommen.

Das Militär teilte dagegen mit, die Armee wehre Angriffe auf zentrale Einrichtungen in Khartum ab. Die Luftwaffe sei im Einsatz, hieß es. Gegenüber dem Nachrichtensender "Al Jazeera" sagte Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan am Samstagnachmittag, die sudanesische Armee habe die Kontrolle über den Präsidentenpalast, den Flughafen und des Armeehauptquartiers. Die Angaben ließen sich aber vorerst nicht bestätigen.

Zuvor hatte die Paramilitärs der RSF mitgeteilt, die Armee habe einen der Stützpunkte der Gruppe umzingelt und mit schweren Waffen das Feuer eröffnet. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die RSF behaupteten zudem, ägyptische Truppen hätten sich ihnen ergeben. Laut ägyptischem Militär befinden sich ägyptische Truppen aufgrund gemeinsamer Übungen mit dem sudanesischen Militär im Land. Zur Beruhigung der Lage telefonierte Uno-Generalsekretär Antonio Guterres mit dem Anführer der beteiligten paramilitärischen Gruppe, Mohammed Hamdan Daglo.

RSF-Anführer: Al-Burhan wird gefangengenommen "oder wie ein Hund sterben"

Daglo sagte dem TV-Sender Al-Jazeera, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht bringen zu wollen. Al-Burhan werde entweder gefangen genommen "oder wie ein Hund sterben". Er gab dem Machthaber die Schuld an dem Konflikt. Die sudanesische Armee wiederum sagte, es werde keinen Friedendialog geben, ehe sich die RSF aufgelöst hätten.

Ein Reuters-Journalist berichtete, in Khartum führen Geschützwagen und gepanzerte Fahrzeuge auf. Sowohl in der Hauptstadt als auch laut Zeugen in angrenzenden Städten waren Schüsse zu hören. In Wohngebieten der Hauptstadt kam es Ärzten zufolge zu Zusammenstößen. Dabei seien mindestens drei Zivilisten getötet worden. Auch im Gebäude des sudanesischen staatlichen Fernsehens kam es einem Moderator zufolge zu Auseinandersetzungen. Aus weiter von der Hauptstadt entfernten Regionen wurde ebenfalls von Gefechten berichtet, unter anderem in Nord-Darfur.

Laut Angaben sudanesischer Ärzte vom späten Samstagabend sollen bei den Kämpfen bislang zumindest 25 Menschen getötet und 183 verwundet worden sein.

Flammen am Flughafen von Karthum.

Bereits in den vergangenen Tagen hatte es zahlreiche Meldungen über Auseinandersetzungen zwischen der Armee und der RSF gegeben. Diese drehen sich um die künftige Machtverteilung im Staat. Armee und RSF hatten gemeinsam 2019 nach prodemokratischen Massenprotesten den damaligen Diktator Omar al-Bashir gestürzt.

Kampf um die Zukunft

Eine zivile Übergangsregierung fiel allerdings einem neuerlichen Putsch der beiden im Jahr 2021 zum Opfer, die beiden Parteien führen seither gemeinsam einen "Souveränen Rat". An dessen Spitze steht Armee-Chef General Abdel Fattah al-Burhan Abdelrahman, sein Vize ist RSF-Führer Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti. Seither laufen auch Verhandlungen über die künftige Machtverteilung im Staat, wobei sich Armee und RSF nicht darauf einigen können, wer nach einer Fusion der beiden Kräfte an deren Spitze stehen solle.

Die Armee sieht sich selbst weiterhin in der Führungsrolle, der RSF-Chef Daglo fordert eine zivile Führung. Daran, dass er dies aus demokratischen Absichten tut, gibt es allerdings massive Zweifel. Die von Daglo geführten RSF sind eine Sammelorganisation, in der vor allem die einstige Dschandschawid-Miliz aufgegangen ist, die in den 2000er-Jahren in der Provinz Darfur massive Menschenrechtsverletzungen verübte. Am Samstag gaben die beiden einander gegenseitig die Schuld an der Eskalation.

"Fragile Lage"

Weil eine Konfrontation der beiden Gruppen den ohnehin ausgehungerten Staat in weiteres Chaos stürzen könnte, waren in den vergangenen Tagen eilige Schlichtungsversuche gelaufen. Dabei hatten sich beide Parteien eigentlich zu einer friedlichen Lösung ihrer Differenzen verpflichtet. Die US-Botschaft teilte am Samstag mit, die Eskalation sei "enorm gefährlich".

Zivile Parteien, die sich einst mit dem Militär und den RSF auf eine Übergangsregierung geeinigt hatten, riefen am Samstag zu einem Ende der Kämpfe auf. Sie baten zudem internationale und regionale Mächte um Hilfe. Die USA, Russland, Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinten Nationen und die Europäische Union forderten eine Ende der Gewalt. Ebenso das Nachbarland Tschad, das seine Grenzen zum Sudan schloss.

US-Außenminister Antony Blinken erklärte am Samstag, die Lage im Sudan sei fragil. Es gebe aber weiterhin die Chance für den Übergang zu einer Zivilregierung. Die russische Botschaft in Khartum zeigte sich besorgt über die Eskalation. Laut der Nachrichtenagentur Ria forderte die diplomatische Vertretung einen Waffenstillstand und Verhandlungen. Die britische Botschaft rief ihre Staatsbürger im Sudan auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Die Lage werde genau beobachtet, teilte sie über Twitter mit. (red, 15.4.2023)