Wien – Es ist eine alte Gepflogenheit in Österreich: Politikerinnen und Politiker mischen sich in die Lohnverhandlungen der Sozialpartner nicht ein und halten sich auch mit Kommentierungen aller Art zurück. Finanzminister Magnus Brunner hat diese Linie zwar nicht überschritten, sich aber in einem Fernsehinterview recht weit aus dem Fenster gelehnt. Im ORF-Report auf die hohen Inflationszahlen in Österreich angesprochen – die Teuerung lag im Mai bei neun Prozent –, sagte Brunner, dass einer der Hauptgründe für die Entwicklung die hohen Lohnabschlüsse in Österreich seien. Dann holte Brunner aus und meinte: "Wir sind mitten in einer Lohn-Preis-Spirale." Er habe Verständnis für gute Lohnabschlüsse, aber zu hoch sollten sie nicht sein, weil sonst die Teuerung weiter befeuert werde.

Aber stimmt das, ist die Lohn-Preis-Spirale schon voll im Gang? Eine exakte Definition des Begriffs gibt es nicht, gemeint ist aber meist, dass hohe Lohnforderungen zu weiteren Preissteigerungen führen und sich Löhne und Preise immer weiter befeuern. Dafür gebe laut Experten in Österreich keine Anzeichen. "Eine Lohn-Preis-Spirale haben wir heuer nicht und auch im kommenden Jahr nicht", sagte Wifo-Chef Felbermayr bei der Präsentation der neuesten Prognose des Forschungsinstituts am Mittwoch.

Das hat mehrere Gründe. Zunächst sorge die heimische Art der Lohnverhandlungen dafür, dass hohe Inflationserwartungen bei Preisen keine Rolle spielen, sagte Felbermayr. Abgegolten wird in den Lohnverhandlungen nämlich immer die Inflation der vergangenen zwölf Monate, also Unternehmen müssen mehr bezahlen für schon durchgesetzte Preiserhöhungen. Das hat einen dämpfenden Effekt, weil sich Inflationserwartungen nicht verselbstständigen. Zweitens hat die Oesterreichische Nationalbank analysiert, dass in Österreich ein Lohnanstieg um einen Euro die Preise über drei Jahre um etwa 30 Cent steigen lässt. Sprich: Höhere Löhne führen zu höheren Preisen, aber es entsteht keine Spirale, weil die Weitergabe nicht einmal voll geschieht. Ohne zusätzliche Impulse steigt die Teuerung also nicht weiter. (szi, 29.6.2023)

Finanzminister Magnus Brunner warnt vor zu hohen Lohnabschlüssen.
Finanzminister Magnus Brunner warnt vor zu hohen Lohnabschlüssen.
APA