Im Gastblog zeigt Mediator und Jurist Ulrich Wanderer, wie Mediation auch im Zuge von Unterhaltsfragen eine wichtige Rolle spielen kann.

Handeln Beiträge von Unterhaltskonflikten, so drehen sie sich wohl zum überwiegenden Teil um jene Zahlungen, die nach der Scheidung/Trennung/Auflösung an den oder die Ex gezahlt werden. Oft auch werden die noch offenen Rechnungen über die Kinder auf dem Spielfeld des Kindesunterhalts ausgetragen. Viel seltener jedoch werden Konflikte zwischen den volljährigen Kindern und den Eltern an Mediatorinnen und Mediatoren herangetragen, weswegen der folgende (freilich wieder in einigen Punkten aus Gründen der Verschwiegenheit entfremdete) Fall besondere Aufmerksamkeit verdient.

Geldscheine
Wird das Kind 18 Jahre alt und fordert die Unterhaltszahlung für sich ein, passiert dies nicht immer ohne Konflikten mit und zwischen den Eltern.
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"Guten Tag, Sie wurden uns von der Beratungsstelle XY empfohlen, würden Sie uns bei einem Konflikt zum Thema Unterhalt helfen?" So – oder zumindest sinngemäß so ähnlich – begann die Kontaktaufnahme von Frau J. Sie war im Rahmen des Amtstages von den Kolleginnen der "Familienberatung am Bezirksgericht" auf die Möglichkeit der Mediation hingewiesen worden, als sie mit ihrem Anliegen, einer Berechnung des Unterhaltsanspruches ans Gericht, kam. Zwar war der erste Gedanke eher an eine Unterhaltsklage gerichtet, doch ergab sich im Gespräch mit den beiden Beraterinnen auch Interesse an einer konsensualen Lösung im Rahmen eines mediierten Gesprächs.

Der Konflikt beginnt

Seinen Ausgang nahm der Konflikt, als die Mutter im Rahmen der Überlegung der Tochter, nach der Matura ein Medizinstudium zu beginnen, mit dem von der Mutter getrennt lebenden Kindesvater Kontakt aufgenommen hatte und mit diesem in Streit geraten war. Der Vater bestand darauf, das Geld fortan auf das Konto der Tochter und nicht mehr auf das Konto der Kindesmutter zu überweisen, was diese in finanzielle Probleme brachte, da sie den Kindesunterhalt in die Lebensführung fix eingeplant hatte. Als sich die Tochter ebenfalls erkundigt hatte, bat sie die Mutter ebenfalls, einer diesbezüglichen Änderung zuzustimmen.

In weiterer Folge war ein Streit darüber entsponnen, ob die Tochter einen größeren Teil ihres Unterhalts fortan als "Kostgeld" an die Kindesmutter abtreten würde. Die Mutter begründete den Wunsch einerseits durch die Kosten für Einkauf, Miete, Strom und Gas sowie auch in einem Nebensatz dadurch, dass ihre eigene Selbstständigkeit nicht wirklich ins Laufen gekommen war. In weiterer Folge eskalierte das Gespräch dahingehend, dass die Tochter ankündigte, zu Beginn des Studiums nach einer Wohngemeinschaft zu suchen, was neben dem "Verlust" der Unterhaltszahlungen auch noch eine eigene Unterhaltspflicht der Mutter in Geld zur Folge gehabt hätte.

Gespannte Stimmung beim ersten Termin

Als Mutter und Tochter bei der Mediatorin aufeinandertrafen, war die Stimmung gelinde gesagt optimierbar, sogar die Begrüßung fiel kühl aus. Die beiden Parteien setzten sich an möglichst entfernte Punkte des Sofas und verharrten während der Einleitung in einer sehr verschlossenen Körperhaltung. Die Frage nach grundsätzlichen Regeln für die Gesprächsführung beantwortete die Tochter dahingehend, dass die Mediatorin darauf achten möge, dass die Redezeiten ausgewogen sein mögen und jede Seite ihre Sichtweise ohne Unterbrechung darlegen können sollte.

Die Sicht der Mutter

Als Erste kam die Mutter zu Wort: Sie erzählte erst vom frühen Kinderwunsch, der dann auch im Rahmen der Lebensgemeinschaft mit dem Kindesvater nach mehreren Versuchen in Erfüllung gegangen war. Daraufhin hatte die Mutter ihren Arbeitsplatz in einer Bank aufgegeben, um sich nun ganz der Aufgabe als Mutter widmen zu können. Als wenige Jahre später die Beziehung mit dem Kindesvater zerbrach, musste sie sich wieder neu erfinden und startete mit einer selbstständigen Tätigkeit neu. Zwar schien es schwer, in der Selbstständigkeit Fuß zu fassen, doch halfen der Mutter die Zahlungen der Familienbeihilfe und des Kindesunterhalts, so manches Tief nicht ausbaden zu müssen. Auch war der Draht zum Kindesvater zwar wesentlich abgekühlt, doch hatte er sich gelegentlich bereiterklärt, in die Selbstständigkeit der Ex-Partnerin zu investieren. Nun drohte dieses Konstrukt zusammenzubrechen. Ohne die Zahlungen für die Tochter schien die Mutter ihre schwankende Auftragslage nicht kompensieren zu können, wobei sie im letzten Satz des Statements an die Tochter appellierte, sich dankbar für all die Jahre der Mühe als Alleinerzieherin zu zeigen.

Die Sicht der Tochter

Die Tochter hatte sich die Erzählung der Mutter angehört, ohne ihr ins Wort zu fallen, doch mit sichtlicher Emotion. Als sie nun bezüglich ihrer Sichtweise gefragt wurde, zeichnete sie ein etwas anderes Bild der letzten Jahre. Sie sprach davon, dass sie sich seit Jahren zulasten der beruflichen Tätigkeit der Mutter zurückgesetzt gefühlt hatte und daher auch schon länger mit dem Gedanken spielte, zum baldigst möglichen Zeitpunkt eine eigene Wohnung zu suchen. Auf die Aussagen bezüglich der Finanzierung der Selbstständigkeit der Mutter reagierte sie sehr stark mit den Worten: "Ich weiß das ja eh, aber dass du so offen zugibst, dass du das Geld, das Papa für mich zahlt, für dich verplant hast, finde ich schon stark! Wir können ja gerne über alles reden, aber bitte versteh, dass ich mich freuen würde, wenn du deine Bedürfnisse nicht immer an erster Stelle siehst. Ich hatte es in der Schule nicht leicht und möchte jetzt endlich das tun, wovon ich schon lange träume. Du hast mir ja auch selber immer gesagt, dass du gerne Ärztin geworden wärst, lass doch wenigstens mich nun Medizin studieren!"

In weiterer Folge sprach die Tochter auch ihre eigene geringfügige Tätigkeit an, sie hatte das Angebot ihrer Chefin in Aussicht, nach Möglichkeit auch Stunden aufzustocken und so die Eltern bei der Unterhaltspflicht zu entlasten. Der erste Termin endete mit einem Dialog, der von beiden Seiten zwar angespannt, jedoch um Verständnis bemüht geführt wurde und der damit endete, dass die Mutter versprach, die Tochter bei der Vorbereitung auf die Studienberechtigungsprüfung für das Medizinstudium zu unterstützen.

Langsame Annäherung

Als die Mediatorin das zweite Treffen mit der Frage eröffnete, was denn zwischen den Terminen geschehen sei, überraschte die Tochter mit der Nachricht, dass der Vater angeboten hatte, ihr jene Wohnung, die er ihr ursprünglich vererben wollte, bereits jetzt unentgeltlich zu Wohnzwecken während des Studiums zur Verfügung zu stellen, wobei die Tochter im Gegenzug auf 200 Euro des Unterhalts verzichtete.

Nunmehr war der Plan, dass die Tochter die 90 Quadratmeter große Wohnung mit zwei Freundinnen teilen wollte, die einen geringen Beitrag an die Tochter als Miete zahlen würden. Daher würde sich die Unterhaltspflicht auch der Mutter durch die beiden Eigeneinkommen der Tochter durch Job und Mieteinnahmen reduzieren. Dennoch änderte dies wenig daran, dass die Mutter fortan nicht nur keine finanziellen Zuflüsse aus dem Titel des Kindesunterhalts mehr vom Kindesvater erhielt, sondern vielmehr auch noch einen (zwar geringeren) Betrag an die Tochter zu leisten hatte. Hier war es noch schwierig für die Mutter zuzustimmen, doch schlug die Mediatorin an dieser Stelle vor, die Mutter möge sich mit einer zufällig in der Gemeinschaftspraxis anwesenden Juristin dahingehend beraten, wie die rechtliche Lage diesbezüglich war.

Nach einer kurzen Beratungspause zeigte sich die Mutter mit dem Vorschlag eines Vergleiches hinsichtlich des Unterhalts für die Tochter einverstanden. Vereinbart wurde, dass ein monatlicher Unterhalt unter der Voraussetzung der regelmäßigen Erbringung eines Nachweises bezüglich des Studienfortschrittes in der Höhe von 300 Euro gezahlt werden sollte. Die Familienbeihilfe sollte noch bis zum Jahresende auf das Konto der Mutter fließen, danach würde der Betrag der Tochter zugutekommen.

Der Abschlusstermin

Bei einem Abschlusstermin erfragte die Mediatorin die Emotionen der beiden Mediandinnen und wollte dadurch ihr Commitment mit der erzielten Lösung erkunden. Es stellte sich heraus, dass beide wieder Kontakt zu der eingangs erwähnten Familienberatung gesucht hatten, um die bei der Mediation aufgebrochenen Mutter-Tochter-Konflikte aus der Kindheit der Tochter zu bearbeiten. In weiterer Folge bot auch noch der Ex-Partner der Mutter an, letztmalig deren Selbstständigkeit durch Empfehlung in seinem beruflichen Netzwerk zu unterstützen.

Nicht Lösung aller Probleme, aber mancher

Mediation ist nicht der Schlüssel zur Lösung aller Probleme, sie deckt manchmal sogar Punkte auf, die von den offensichtlichen Konflikten bedeckt gehalten wurden. Und doch hilft Mediation dabei, in einem strukturierten Setting konkrete Konflikte zu bearbeiten und (meist) auch zu lösen. Ein gutes und professionelles Netzwerk kann helfen, jene Fragen, die nicht vom Auftrag oder den Möglichkeiten der Mediation umfasst sind, parallel oder auch nach Ende der Mediation zu klären, zumal – wie schon auch mehrmals in den Forumsbeiträgen bemerkt wurde – Mediation keine Therapie ist. Doch dies ist eine andere Geschichte. (Ulrich Wanderer, 10.8.2023)