Wer die Pressekonferenz am vorigen Donnerstag verfolgt hat, könnte den Eindruck gewonnen haben, der Geburtsstunde eines neuen Österreich beizuwohnen: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) präsentierten den Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes und sparten nicht mit Selbstlob. Es sei ein "Paradigmenwechsel", eine "Transparenzrevolution" und ein Jahrhundertereignis! Die Regierung schaffe nämlich das sogenannte Amtsgeheimnis ab.

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Kommt jetzt der "gläserne Staat", oder bleibt doch wieder alles beim Alten?
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Wer sich mit dem vorgeschlagenen Informationsfreiheitsgesetz näher befasst, wird die Sache allerdings nüchterner sehen. Der vorliegende Entwurf sieht zunächst eine proaktive Informationspflicht von Organen der Verwaltung sowie anderer hoher staatlicher Einrichtungen vor. Diese Organe haben Informationen "von allgemeinem Interesse in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen"; dies allerdings nur insoweit, als diese Informationen nicht geheimzuhalten sind.

"An der vielbeschworenen österreichischen Verwaltungskultur ändert sich nichts."

Diese proaktive Informationspflicht wäre an sich ein wichtiges Instrument für mehr Transparenz. Nach dem vorgeschlagenen Entwurf ist sie freilich nicht durchsetzbar. Wenn zum Beispiel Verwaltungsorgane nicht von sich aus tätig werden und Informationen von allgemeinem Interesse nicht der Öffentlichkeit bekanntgeben, so erfährt die Öffentlichkeit auch nicht, welche Informationen vorhanden sind. Selbst wenn sie über Hinweise verfügt, dass es hier wichtige Informationen gäbe, gibt es kein Rechtsmittel, diese proaktive Informationspflicht durchzusetzen.

Totes Recht

Eine solche "Pflicht" ist daher nur wirksam, soweit die Verwaltung von sich aus bereit ist, ihr Wissen zu teilen. Dass damit nicht so ohne weiters gerechnet werden kann, zeigt das traurige Beispiel des Artikels 20 Absatz 5 B-VG. Nach dieser Bestimmung im Bundes-Verfassungsgesetz haben auch jetzt schon alle Verwaltungsorgane Studien sowie die dafür aufgewendeten öffentlichen Mittel von Amts wegen zu veröffentlichen; dies geschieht freilich nur in ganz seltenen Fällen. Ein anderes Beispiel ist der Paragraf 9 des Umweltinformationsgesetzes. Diese Bestimmung sieht seit 2005 eine solche proaktive Informationspflicht von Umweltdaten vor. Spricht man mit NGOs oder Umweltjuristen, so stellt man rasch fest, dass diese Bestimmung weithin totes Recht ist.

Der Entwurf sieht weiters ein sogenanntes Informationsbegehrenvor; unter dieser Bezeichnung verbirgt sich das, was seit dem Jahr 1988 als Auskunftsrecht des Bürgers gegenüber der Verwaltung bereits geltendes Recht ist. Will man an dieser Neuregelung etwas Positives finden, so ist darauf hinzuweisen, dass die Fristen der Durchsetzung dieses Rechts etwas gekürzt werden und dass nunmehr auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geschaffen wird. Man kann also nicht mehr, wie bisher, als letzte Instanz den Verwaltungsgerichtshof, sondern auch den Verfassungsgerichtshof anrufen; die Bedeutung dieser zusätzlichen Instanz ist jedochenden wollend, weil der Verfassungsgerichtshof erfahrungsgemäß Beschwerden gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte nicht behandelt, sondern an den Verwaltungsgerichtshof abtritt.

Ein anderer Punkt macht deutlich, dass das Selbstlob, das sich die Regierung gespendet hat, nichts anderes als ein PR-Gag ist: Sowohl die proaktive Informationspflicht wie auch die Erfüllung eines Auskunftsbegehrens stehen unter dem Vorbehalt, dass nicht eine Geheimhaltungsbestimmung Platz greift. Diese Geheimhaltungsbestimmung findet sich im Absatz 2 des neuen Artikels 22a B-VG. Liest man diese Bestimmung genauer, so sieht man, dass sämtliche Geheimhaltungstatbestände, die die geltende Verfassung bereits derzeit für die Amtsverschwiegenheit vorsieht, bestehen bleiben und noch um eine zusätzliche vermehrt wird: In Zukunft soll eine Geheimhaltung auch dann erforderlich sein, wenn dies "zur Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Verwaltungskörpers erforderlich ist". Ein Bundesminister kann also die Erteilung einer Auskunft verweigern, wenn er zum Beispiel andernfalls mit hohen Schadenersatzforderungen gegen den Bund konfrontiert werden könnte. Eine höchst bedenkliche Bestimmung.

Weiter Verschwiegenheit

Worin besteht also die Transparenzrevolution? Man kann bei Nichterfüllung eines Informationsbegehrens nun auch den Verfassungsgerichtshof anrufen und die Verfahrensfristen sind geringfügig verkürzt. Wird die Amtsverschwiegenheit abgeschafft? Nein; richtig ist nur, dass das Wort "Amtsverschwiegenheit" aus der Verfassung entfernt und durch "Informationsfreiheit" ersetzt wird. Die bisherigen Verschwiegenheitstatbestände bleiben aber bestehen, werden sogar um einen erweitert, und es ist weiterhin die Behörde, die letztlich darüber entscheidet, ob eine von ihr gewünschte Information der Verschwiegenheit unterliegt. Da auch die Gerichte im Streitfall diese Information nicht erhalten, sind sie bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf die Begründung der Behörde, warum eine Geheimhaltung erforderlich sein soll, angewiesen.

An der vielbeschworenen österreichischen Verwaltungskultur ändert sich also nichts. Die hat ein von mir sehr geschätzter Sektionschef einmal so umschrieben: "Wissen S’, Herr Professor, mit ein bissl guten Willen findet sich immer ein Geheimhaltungstatbestand." Diese Verwaltungskultur könnte nur durch die Einführung eines Informationsbeauftragten, wie er bereits in zahlreichen Staaten der europäischen Union vorgesehen ist, durchbrochen werden. Daran haben die Entwurfsverfasser aber keinen Gedanken verschwendet. (Heinz Mayer, 12.10.2023)