Brasilianischer Arbeiter im Bergbau hält Probe aus der Rohstoff-Gewinnung in der Hand.
Potential zum Abbau von wichtigen Rohstoffen bietet Europa genug. An der tatsächlich Ausschöpfung hakt es bislang aber.
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Satte 100 Prozent der seltenen Erden importiert die Europäische Union aus China. Und auch bei anderen Rohstoffen, die für die forcierte Energiewende unabdingbar sind, sieht es kaum besser aus. China dominiert – von der Gewinnung über die Verarbeitung bis zur fertigen Batterie. Die EU will im globalen Wettkampf mitziehen, der sogenannte Critical Raw Materials Act (CRMA) soll den Weg ebnen.

Im März von der EU-Kommission vorgeschlagen, hat er bislang alle Hürden der Gesetzgebung fast geräuschlos gemeistert. Mitte November einigten sich Parlament und EU-Staaten informell auf eine gemeinsame Position, am Donnerstag wird im Fachausschuss des Parlaments offiziell darüber abgestimmt. Reine Formsache, ist aus dem Parlament zu vernehmen. Schließlich habe der vorangegangene Trilog keine erheblichen Differenzen erkennen lassen.

Vermehrte Eigengewinnung

Im Grunde will die EU mit dem CRMA ihre Abhängigkeit von einzelnen Drittländern verringern; im Fokus steht wieder einmal China. Das Reich der Mitte dominiert sämtliche Produktionsstufen wichtiger Technologiegüter – genannt seien etwa die E-Mobilität oder auch Mikrochips. Rohstoffe werden im eigenen Land abgebaut, andere strategisch wichtige Mineralien in erheblichen Mengen aus Afrika und Südamerika importiert, wo China selbst zahlreiche Minen über staatsnahe Firmen betreibt und stark investiert ist.

Als Reaktion darauf fährt die Union eine mehrspurige Strategie. Neben einer verstärkten Diversifizierung und Eigengewinnung von Rohstoffen wird kräftig in die innereuropäische Batterieproduktion investiert. Schließlich soll der Bedarf bis 2030 um das 14-Fache steigen. Mit ähnlichen Größenordnungen wird auch für Lithium, Kobalt und Co gerechnet. Nachvollziehbar werden die EU-Ambitionen allen voran durch Quotenziele.

Bagger der SQM in einer Lithiummine in Chile.
Der Bedarf an Lithium wird Prognosen der Weltbank zufolge bis 2030 auf das 18-fache steigen. Derzeit werden erhebliche Mengen aus Chile und Australien bezogen. Doch auch in Österreich, etwa auf der Koralpe, gibt es Abbau-Potential – zum Unmut der lokalen Bevölkerung.
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Abbau als Gratwanderung

Demnach sollen bis 2030 mindestens zehn Prozent des Jahresverbrauchs in der EU gewonnen und 25 Prozent recycelt werden. Zudem sollen die Rohstoffen vermehrt in der EU weiterverarbeitet werden. Das soll garantieren, dass die EU künftig bei keinem der 34 kritischen Rohstoffe von einem Drittland zu mehr als 65 Prozent abhängig ist – weder in der Gewinnung noch in den nachgelagerten Stufen der Lieferkette.

Ganz so reibungslos wie der bisherige Ablauf wird die Umsetzung, geplant mit Anfang 2024, wohl nicht vonstattengehen. Abbaupotenzial besteht zwar ausreichend, doch die Vorhaben stoßen nicht selten auf heftigen Widerstand der örtlichen Bevölkerung. Zudem sind auch die Kosten in Europa erheblich höher als jene in Südamerika und Afrika. Kein Wunder daher, dass neue "strategische Partnerschaften" mit Drittländern angestrebt werden.

Eine weitere Gratwanderung, wie das deutsche Umweltbundesamt in einer Analyse vom Juli festhält. Demnach sei in einzelnen Gesetzespassagen von einem "übergeordneten öffentlichen Interesse" die Rede, das die eigene Versorgung über die Nachhaltigkeit ordne. Zudem werde unzureichend auf Sorgfaltspflichten hingewiesen. All das stelle eine Gefahr dar, für die örtliche Wasserversorgung ebenso wie für die vorherrschenden Arbeitsbedingungen. (Nicolas Dworak, 6.12.2023)