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Das "All-American-Girl" Taylor Swift wird von Anhängern jenes Mannes als Hexe beschimpft, die Amerika wieder groß machen möchten. Finde den Fehler.
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Wie gut er verlieren kann, hat er 2021 mit dem von ihm initiierten Sturm aufs Kapitol in Washington gezeigt. Bis heute verbreitet Donald Trump die Lüge, er sei 2020 um den Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl betrogen worden, als Beweis ist er sich selbst genug: In seinen Augen ist er ein Siegertyp, Punkt. Das ist leidlich bekannt und wird gemeinhin einer Mischung aus narzisstischer Störung und pathologischem Lügen zugeschrieben – nicht zu vergessen in dieser Melange: der Altersstarrsinn.

Diese Wesenszüge veranlassen Trump, sich immer wieder in Scharmützel zu begeben, die man bei Menschen mit Würde als würdelos bezeichnen, ähm, würde. Als Trump 2020 eine bizarre Friedensnobelpreis-Nominierung erhielt, wendete er sich auf Instagram an Michael Rapaport. Der US-Schauspieler (Cop Land, Atypical ...) gehört zu den schärfsten Trump-Kritikern und ging zu der Zeit bei den Emmy-Nominierungen leer aus. Anlass für Trump, ihm per Video auszurichten, dass er besser sei und Rapaport ein Loser. Man möchte das Sandkastenniveau nennen, würde man damit nicht all den dort spielenden Kindern unrecht tun.

Wenn Trump nicht selbst auf Kritiker losgeht, erledigen das seine Handlanger ehrenamtlich. In der Welt der "alternativen Fakten", der Blasen der sogenannten sozialen Netzwerke und Medien mit Schlag- und Breitseite wie Fox News geht ja fast alles.

Zurzeit schießen sich Trumpisten auf den Popstar Taylor Swift ein. Der Fox-Moderator Jesse Waters vermutet hinter ihrer Popularität den Einfluss des Pentagons, Abteilung psychologische Kriegsführung. Schon Nina Simone (ausgerechnet!) oder Louis Armstrong seien von der CIA beauftragt gewesen, selbst Elvis von Nixon für geheime Dienste angeheuert worden. Beweise? Wozu? Zweifel streuen reicht. Wer nicht für einen ist, ist gegen einen: eine Netzlogik, vor der selbst vermeintlich gemäßigte Personen nicht gefeit sind.

Anlässe für diesen Affront gegen den populärsten Popstar der Gegenwart gab es mehrere. Als Swift im Dezember vom Time-Magazin zur "Person des Jahres" erklärt wurde, wetterte der 19-jährige Reed Cooper gegen diese Entscheidung. Cooper muss man nicht kennen, er ist einer von vielen Hardcore-Trumpisten im Netz. Trump verbreitete Coopers Text, der Swift als linke Sängerin diffamierte, während er Trump als "Geschenk Gottes" pries, der alles zu Gold mache, was er anfasse.

25 Prozent weniger, ...

Trumps Auseinandersetzung mit Swift gibt es schon länger. Sie hat bereits 2018 Stellung gegen die Republikaner bezogen und nannte die damals bei den Kongresswahlen in Tennessee um den Senat ritternde Marsha Blackburn "Trump mit einer Perücke." Trump reagierte säuerlich, er möge Swift jetzt um 25 Prozent weniger, sagte er. Damals war ihr musikalischer Schwenk aus dem konservativ geprägten Country-Music-Fach noch nicht lange her, mittlerweile ist Swift eine populärkulturelle und mediale Großmacht in offener Ablehnung gegen Trump. Bei der letzten Präsidentenwahl 2020 postete Swift ein Selfie von sich mit Cookies, auf denen in Zuckerguss geschrieben stand: "Biden/Harris/2020". Darunter formulierte sie den Glauben, dass nur die beiden einen Heilungsprozess in den USA herbeiführen könnten.

... 23 Prozent mehr

Zwei Jahre später rief sie ihre Fans dazu auf, sich in die Wählerregister für die Kongresswahlen 2022 eintragen zu lassen. Die Neuregistrierungen stiegen daraufhin um 23 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Selbst wenn nicht abgesichert ist, dass diese Neueinträge nur auf Swifts Aufruf zurückgehen, ist klar: Derlei mediale Macht fürchten die Republikaner mehr als Obamacare.

Die radikalen Verschwörungsfreaks von QAnon nannten Swift zuletzt im Inquisitionsjargon eine "satanistische Hexe". Faktisch ist sie eine traditionelle Liberale, die sich für Gleichberechtigung, das Recht auf Abtreibung und Krankenversicherung für alle und gegen den galoppierenden Waffenirrsinn in den USA positioniert.

US-Politiker versuchen stets populäre Entertainer für sich zu gewinnen, für Trump ist das ein hartes Match. Lediglich den unter bipolaren Störungen leidenden Rapper Kanye West darf er für sich reklamieren – und vielleicht eine Handvoll verstrahlte C-Ligisten mehr. Joe Biden weiß Namen wie Bruce Springsteen oder Neil Young in seinem Lager. Das überrascht nicht, und das zieht nicht mehr in dem Ausmaß, wie wenn heute Taylor Swift Position für jemanden bezieht. Sie hat ein Publikum, das wenige Politiker erreichen. Das zählt. Selbst wenn es nur darum geht, am Ende das geringere Übel zu wählen. (Karl Fluch, 20.1.2024)