Karl Nehammer im März 2023, eine Rede haltend
Spricht am Freitag über seinen "Österreich-Plan": Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
Foto: Heribert Corn / www.corn.at

Wenn ÖVP-Obmann Karl Nehammer am Freitag etwas an die Öffentlichkeit bringt, was vorweg unter dem Namen "Österreich-Plan" zizerlweise, aber messagemäßig kontrolliert in das allgemeine politische Bewusstsein einsickern sollte, ist das nichts anderes als der verschämte Anspruch, Bundeskanzler zu bleiben. Er ist heuer mit dieser Spekulation auf das Kanzleramt nicht der Erste. Den Anspruch darauf hat vor ihm schon Herbert Kickl beim freiheitlichen Neujahrstreffen erhoben, er aber ohne Wenn und Aber, ohne Kompromisse.

Für Nehammers Auftritt kursierten schon vor seiner Realisierung verschiedene Definitionen. Es sei ein letzter Versuch, angesichts der Meinungsumfragen das Ruder noch einmal herum- oder vielleicht doch lieber das Gesetz des Handelns an sich zu reißen. Dem Trend verriet ein Vertrauter gar, er werde kein ÖVP-Wahlprogramm, sondern seinen ganz persönlichen politischen Zukunftsplan präsentierten. Nach allem, was bisher darüber zu vernehmen war, sieht es nicht so aus, als würde Nehammer als Zukunftsplaner einer strahlenden Zukunft entgegengehen.

Ideologische Brosamen

Mit Sicherheit ist die Welser Präsentation ein vorläufig letzter Versuch, sich Kickl gleichzeitig vom Leib zu halten und ihn mit ideologischen Brosamen anzufüttern für den Fall, dass sich nur mit ihm eine Regierungsbeteiligung der ÖVP noch lohne. Das beginnt schon bei der Wahl des Tagungsortes. Es ist ja kein Zufall, dass dafür eine Stadt gewählt wurde, in der ein blauer Bürgermeister herrscht, sondern ein Fingerzeig, dass man keine übertriebenen Berührungsängste habe, wo nur die äußere Form gewahrt wird.

Alle Ideen, die bisher aus dem Fundus von Nehammers Zukunftsplan bekannt geworden sind, sind Spekulationen auf die Ängste vieler Wählerinnen und Wähler, wie sie auch von den Freiheitlichen eingesetzt werden. Das Publikum darf sich aussuchen, ob damit einem Kickl das Wasser abgegraben werden soll oder ob man sich damit an ihn anbiedern will. Die ÖVP und mit ihr ihr Obmann haben die Öffentlichkeit darüber bisher im Unklaren gelassen, sie lassen damit auch ihre Beteuerungen, eine schwarz-blaue Koalition mit einem Kickl käme nicht infrage, wenig glaubwürdig erscheinen.

Neues Kapitel

Den vielen Signalen des Noch-Bundeskanzlers an die FPÖ, von der zunehmenden Härte gegen Migranten bis zur stärkeren Überwachung der Bevölkerung, steht kaum ein Signal in Richtung auf jene Parteien gegenüber, die unser demokratisches System nicht abschaffen, sondern verbessern wollen, allen voran die Sozialdemokratie als deren stärkste.

"Apokalyptischer i-Tüpfel-Reiter unter dem Panier des Schnitzels."

Statt sich endlich freizuspielen von der so rasch und peinlich verblühten Selbstherrlichkeit eines Sebastian Kurz und ein neues Kapitel österreichischer Politik aufzuschlagen, scheint sich Nehammer entschlossen zu haben, im Geiste der ÖVP Niederösterreich weiterzuwurschteln und als apokalyptischer i-Tüpfel-Reiter unter dem Panier des Schnitzels, wenn es darauf ankommt, eher mit Kickl als gegen ihn in die Wahlschlacht um Österreich zu reiten.

Was sich die Wählerinnen und Wähler, für die das Welser Treffen ja inszeniert wird, mindestens erwarten können, ist Klarheit über den Wahltermin und die Koalitionsvorstellungen des Österreich-Planers. Andernfalls wäre dieser Startschuss zu Wahlen ein Schuss in den Ofen. (Günter Traxler, 26.1.2024)