Donnerstag, 09. Mai 2024

Gasumlage
Womit Verbraucherinnen und Verbraucher rechnen müssen

Energie-Unternehmen und Verbraucher geraten durch die hohen Gaspreise zunehmend unter Druck. Die Bundesregierung wollte mit der Gasumlage gegensteuern, doch steht diese nach Verstaatlichung des Gasimporteurs Uniper vor dem politischen Aus.

29.09.2022
    Eine Hand hält ein brennendes Streichholz an eine Flamme am Gasherd.
    Noch ist unklar, wie sich der Gaspreis entwickeln wird (imago/photothek/Thomas Imo)
    Update: Am 29. September hat die Bundesregierung die umstrittene Umlage für alle Gaskunden gekippt. Für die angeschlagenen Gasimporteure Uniper, Sefe und VNG würden stattdessen maßgeschneiderte Maßnahmen entwickelt, außerdem werde eine Gaspreisbremse geschaffen, geht aus einem von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) präsentierten Beschluss hervor.
    Vom 1. Oktober an soll die Gasumlage in Kraft treten. Damit müssen Verbraucherinnen und Verbraucher einige Wochen später mit ihrer Gasrechnung auch drei Umlagen zahlen: die Gasumlage, eine Umlage für Regelenergie und die Gasspeicherumlage. Die Umlagen werden die Energierechnungen für Verbraucher weiter in die Höhe treiben. Der Großteil der Kostensteigerungen ist direkt auf die gestiegenen Gaspreise durch die ausbleibenden russischen Gaslieferungen zurückzuführen.
    Nun mehren sich jedoch Stimmen, die ein Aus der Umlage fordern und stattdessen einen Gaspreisdeckel ins Gespräch bringen. Unklar ist aber, wie ein solcher zu finanzieren sei. Auslöser für den Richtungswechsel war die Entscheidung der Bundesregierung vom 21.9.2022, den Gasimporteur Uniper zu verstaatlichen, der neben anderen Firmen von der Gasumlage profitieren sollte.
    Auch wenn die Gasumlage gekippt würde, wird sie voraussichtlich am 1. Oktober in Kraft treten. Ob damit auch Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher einhergingen, ist derzeit noch ungeklärt.

    Was ist die Gasumlage?

    Wer Gas verbraucht, muss zukünftig pro Kilowattstunde 2,419 Cent zusätzlich als Gasumlage zahlen. Die Umlage wird also von allen Kunden von Gasversorgern und Stadtwerken gezahlt. Die Energieversorger profitieren allerdings nicht selbst von der Umlage, sondern sammeln diese lediglich ein. Ausgezahlt wird sie dann an die Importeure von Erdgas.
    Denn Gasimporteure sind durch die ausgefallenen Lieferungen aus Russland teilweise wirtschaftlich stark unter Druck geraten. Sie mussten ihre vertraglichen Lieferpflichten an Gasversorger und Stadtwerke einhalten und dafür Gas zu stark gestiegenen Weltmarktpreisen einkaufen, ohne selbst mehr Geld für ihr Gas fordern zu können.
    Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche finanzielle Verluste entstanden. Diese sind zum Teil so groß, dass sie den Fortbestand der Unternehmen gefährden. In der angespannten Lage auf dem Energiemarkt möchte die Bundesregierung Insolvenzen unbedingt vermeiden, denn diese würden vermutlich zu weiteren Preisanstiegen und Engpässen beim Gas führen.
    Um Geld aus der Umlage zu erhalten, müssen Importeure einen Antrag bei Trading Hub Europe (THE) stellen, der das Geld dafür wiederum von den Endversorgern wie Stadtwerken einsammelt. THE ist der sogenannte Marktgebietsverantwortliche für den deutschen Gasmarkt und hält beispielsweise eine Gasreserve vor, um Schwankungen im Markt auszugleichen. THE hat auch die Höhe der Gasumlage errechnet und wird diese auch möglicherweise im Laufe der Zeit anpassen. Die Berechnung erfolgt aus Daten der Importeure und ist nicht öffentlich nachvollziehbar, da darin Zahlen verwendet werden, die als Betriebsgeheimnisse gelten.
    Einige Importeure wie Shell und RWE haben bereits angekündigt, dass sie bis auf Weiteres auf Anträge für Ausgleichszahlungen verzichten und die Mehrkosten selbst tragen werden.
    Erste Zahlungen im Rahmen der Gasumlage sollen Gasimporteure nicht vor dem 31. Oktober, aber bis zum 1. April 2024 erhalten. So lange müssen Gaskunden sie auch bezahlen. Bis Ende Oktober tragen laut Bundeswirtschaftsministerium die betroffenen Gasimporteure alle Kosten für die Ersatzbeschaffung allein. Danach sollen 90 Prozent durch die Umlage finanziert werden – zehn Prozent müssen die Unternehmen weiterhin selbst tragen.

    Warum steht die Gasumlage vor dem Aus?

    Die ohnehin umstrittene Gasumlage steht vor dem Aus, nachdem die Debatte durch die fast vollständige Verstaatlichung des in Notlage geratenen größten Gasimporteurs Deutschlands erneut angeheizt wurde: Am 21. September kündigte das Bundeswirtschaftsministerium an, dass die Bundesregierung Mehrheitsaktionär von Uniper mit insgesamt 99 Prozent werde. Kritiker sehen dadurch den eigentlichen Grund für die Einführung der Umlage entzogen.
    Portrait von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der wegen des Hin und Her bei der Gasumlage in der Kritik steht
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht wegen des Hin- und Her bei der Gasumlage unter Beschuss (dpa / pa / Patrick Pleul)
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht verfassungsrechtliche Risiken. Es stelle sich die Frage, ob die Erhebung der Umlage für ein Staatsunternehmen wie Uniper verfassungskonform sei. Dies werde unabhängig von der Einführung geprüft.
    Dafür sieht Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) allerdings keinen Bedarf mehr. Nach der Verstaatlichung von Uniper stelle sich Lindner bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage. "Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt“, sagte der FDP-Chef der Bild am Sonntag.
    Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sprach sich gegen die Gasumlage aus - diese sei "politisch nicht mehr gewollt" (27.09.2022). Im Deutschlandfunk forderte er stattdessen eine Gaspreisbremse in Kombination mit einer Ausweitung der Kapazitäten, also der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraft- sowie Kohlekraftwerken.
    Die SPD hat das Aus für die Gasumlage bereits in Kürze in Aussicht gestellt. "Ich bin fest überzeugt, dass wir diese Woche zum Ende der Gasumlage kommen", sagte SPD-Chefin Saskia Esken in der ARD.
    Grünen-Chef Omid Nouripour zeigte sich im Deutschlandfunk (26.9.2022) offen für die Abschaffung der Umlage. Wenn die SPD in dieser Woche darüber reden wolle, dann seien die Grünen gesprächsbereit. Sollte die Gasumlage nicht kommen, sei das ein Schritt nach vorne. Die Alternativen kosteten aber Geld und dafür müsse der Finanzminister Geld auf den Tisch legen. Die Union hält die Gasumlage ebenfalls nicht mehr für haltbar.

    Kommt jetzt die Gaspreisbremse?

    Die Forderung nach einem Gaspreisdeckel wird immer lauter. Die Grundidee ist, dass der Preis für einen Grundbedarf an Gas pro Haushalt festgelegt wird. Über diesen Deckel hinaus müsste weiterhin der volle Gaspreis gezahlt werden. Die Bundesregierung hat eine Expertenkommission eingesetzt, die verschiedene Modelle prüfen soll.
    Unklar ist jedoch, wie die Gaspreisbremse finanziert werden soll, denn sie dürfte den Staat viele Milliarden kosten. Die Forderungen nach einer Lockerung der Schuldenbremse lehnt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bislang ab. Sein Parteifreund, der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr betonte im Deutschlandfunk, die Schuldenbremse sei ein Instrument gegen die Inflation (27.09.2022). Denkbar wäre aber eine Finanzierung über einen Nachtragshaushalt 2022 – dieses Jahr ist die Schuldenbremse ausgesetzt. Alternativ könnten Gelder aus dem Klima- und Transformationsfonds eingesetzt werden.
    Sollte die Gasumlage gekippt werden, ist offen, woher das Geld kommen soll, um Gasimporteure zu stützen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wirbt laut Nachrichtenagenturen dafür, alle Finanzkraft aufzubringen, um die gute Substanz der deutschen Wirtschaft über die Krise zu bringen (27.09.2022). Habeck hat schon ein milliardenschweres Sondervermögen ins Spiel gebracht, um Hilfsprogramme für Unternehmen zu bezahlen. Damit ließe sich die Schuldenbremse umgehen.

    Welche weiteren Umlagen werden ab Oktober fällig?

    Neben der Gasumlage müssen Gaskunden ab Oktober weitere Zusatzkosten schultern, nämlich die Umlagen für Regelenergie und eine Gasspeicherumlage. Wie Trading Hub Europe am 18. August mitteilte, müssen Gasversorger vom 1. Oktober an auf jede von Haushalten und kleinen Firmen verbrauchte Kilowattstunde Erdgas 0,57 Cent für sogenannte Regelenergie zahlen. Bei großen Firmen beträgt die Umlage 0,39 Cent je Kilowattstunde. Die Mehrwertsteuer ist in den genannten Beträgen noch nicht enthalten.
    Regelenergie, also Gas, wird eingesetzt, um das Gasnetz stabil zu halten. Die Regelenergieumlage gibt es schon mehrere Jahre. Sie wird jedes Jahr neu festgesetzt. Aktuell liegt sie bei null Euro. Hauptgrund für den Anstieg sind laut THE die stark gestiegenen Gaspreise im Großhandel.
    Neu ist die Gasspeicherumlage. Sie beträgt 0,059 Cent je Kilowattstunde. Die Gasspeicherumlage soll Trading Hub Europe die Kosten ersetzen, die zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, etwa für den Gaseinkauf. Die Speicherumlage sei notwendig, betonte Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen. "Je voller unsere Speicher, desto besser unsere Ausgangslage bei der Versorgungssicherheit im Winter", sagte er. Die Stadtwerke würden die Gasspeicher- und Gasbeschaffungsumlage leider weitergeben müssen. Die Umlagen machten im Verhältnis zu den allgemeinen Preissteigerungen an den Märkten aber eher den kleineren Anteil aus, betonte er.

    Wieviel beträgt die Mehrwertsteuer auf Gas ab Oktober?

    Um die Belastungen durch steigende Energiekosten für Verbraucherinnen und Verbraucher abzumildern, will die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Gas vorübergehend senken. Sie soll zeitlich befristet bis Ende März 2024 nur 7 anstatt 19 Prozent betragen, gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 18. August in Berlin bekannt. Er erwarte von den Unternehmen, dass sie die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.
    Die Bundesregierung hatte zunächst geplant, die Gasumlage vollständig von der Mehrwertsteuer zu befreien. Das war nach EU-Recht aber nicht möglich. Die EU-Kommission erteilte der entsprechenden Anfrage aus Berlin eine Absage.

    Mit wie viel Mehrkosten müssen Gaskunden rechnen? 

    Für Gaskunden bedeuten die ab 1. Oktober geltenden Umlagen, dass die bereits massiv gestiegenen Energiekosten weiter steigen werden. So bedeutet die Gasumlage für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bei sieben Prozent Mehrwertsteuer knapp 518 Euro Mehrkosten pro Jahr. Für Regelenergie und Gasspeicherbefüllung kommt bei sieben Prozent Mehrwertsteuer eine weitere Belastung in Höhe von 135 Euro dazu. Die jährliche Mehrbelastung beträgt damit 653 Euro. Die Mehrwertsteuersenkungen kann die Mehrkosten durch die Umlage nach einer Berechnung des Preisvergleichsportals Check 24 nicht vollständig kompensieren. Bei einem Einfamilienhaus mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr sorge der ermäßigte Steuersatz für eine Einsparung von 375 Euro pro Jahr.
    Ein Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 5.000 Kilowattstunden Gas pro Jahr muss etwa 163 Euro mehr bezahlen. In einem Paar-Haushalt mit einem jährlichen Jahresverbrauch von 12.000 Kilowattstunden liegen die zusätzlichen Kosten bei rund 391 Euro.
    Die Gasumlage, die zunächst die Energieversorger bezahlen müssen, könnte auf der November- oder gar erst der Dezemberrechnung für die Endkunden sichtbar werden. Aus Gründen des Verbraucherschutzes müssen die Gasversorger die Umlage vier bis sechs Wochen vorher ankündigen - zum Start der Umlage am 1. Oktober dürfte das für viele zu knapp werden.

    Wer ist von der Gasumlage ausgenommen?

    Bislang ist unklar, wie mit Kunden verfahren wird, deren Verträge Festpreise für einen bestimmten Zeitraum garantieren. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es dazu bisher, dass dies geprüft werde. Der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen warnte in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) davor, dass die Preisanpassungen gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungklausel bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden könnten. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden und des Kleingewerbes, bei einigen Versorgern sogar deutlich mehr. Auch eine Klagewelle von Kunden mit Festverträgen wird nicht ausgeschlossen. 

    Fernwärme-Kunden müssen vorerst nicht zahlen

    Außerdem sind Fernwärmekunden laut Bundeswirtschaftsministerium noch nicht von der Umlage erfasst. Dieser Aspekt werde derzeit noch geprüft. In Deutschland heizen laut der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen rund 14 Prozent der Haushalte mit Fernwärme. Die Fernwärme wiederum entsteht fast zur Hälfte durch das Verbrennen von Gas.