Sonntag, 28. April 2024

Kommentar
Björn Höcke die Grundrechte abzuerkennen, wäre falsch

Eine Petition fordert, mittels des Grundgesetzes (Artikel 18) Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen. Solch eine Aberkennung sei generell fragwürdig, kommentiert Vladimir Balzer. Der AfD-Politiker sei ein ruchloser Rechtsextremist, kein Straftäter.

Ein Kommentar von Vladimir Balzer | 17.01.2024
Björn Höcke (AfD), Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, spricht während der Landespressekonferenz vor Journalisten im November 2023.
Käme es zur Aberkennung der Grundrechten, so würde das Höcke und seine demokratiefeindliche Truppen nur stärken, meint Vladimir Balzer. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
Es ist beeindruckend, wie Zehntausende für Demokratie und Freiheit auf die Straßen gehen und ein vielfältiges, offenes Deutschland verteidigen. Beeindruckend auch, wie inzwischen über Millionen Menschen eine der erfolgreichsten Petitionen in der Geschichte der Bundesrepublik unterzeichnet haben.
Man darf unterstellen, dass jeder einzelne von ihnen es gut meint. Aber zu fordern, einem einzelnen Bürger Grundrechte abzuerkennen? Damit er – wenn auch zeitweise – von Wahlen ausgeschlossen werden kann? Das ist ganz sicher der falsche Weg, um Demokratiefeinde wie Björn Höcke in die Schranken zu weisen. Und dafür gibt es viele Gründe.

Wirkung wäre das Gegenteil von dem, was die Unterzeichner wollen

Zunächst die Dauer des Prozesses. Bis das Bundesverfassungsgericht entscheidet, könnten Jahre vergehen. In der Zeit stehen wichtige Wahlen an, bei denen Extremisten wie Höcke in Ruhe ihre Erfolge feiern können. Und dann – sogar wenn es zu einer Grundrechtsaberkennung käme – die Wirkung eines solchen Gerichtsentscheidung wäre das Gegenteil von dem, was die Unterzeichner der Petition wollen. Sie würde Höcke und seine demokratiefeindlichen Truppen nämlich nur stärken.

AfD ist eine treue Schülerin des Trumpismus

Der prominente AfD-Funktionär könnte sich nicht nur zum Opfer stilisieren, er würde endgültig zu einer Ikone der völkischen Bewegung. Er kann dabei von Donald Trump lernen. Bei dem steht immer noch aus, ob er per Gerichtsbeschluss von der Präsidenschaftswahl ausgeschlossen wird, also ob ihm das Recht abgesprochen wird, zu kandidieren.
Viele von Trumps Anhängern respektieren den Rechtsstaat nicht, diskreditieren die Anklagen und Prozesse. Die AfD ist eine treue Schülerin des Trumpismus, wenn auch mit deutlich weniger Entertainment-Potenzial.  Sie schaut sich genau an, wie das Trump-Lager mit legalen Mitteln Demokratie und Rechtsstaat unterhöhlt. Wie es seinen Strategen gelingt, Donald Trump umso populärer zu machen, je mehr Verfahren gegen ihn laufen.

Das falsche Instrument ist für eine wehrhafte Demokratie

Insgeheim dürfte Höcke also dankbar sein für diese Petition gegen ihn. Und noch etwas. Die Aberkennung von Grundrechten für einen einzelnen Bürger dieses Landes ist generell fragwürdig. Höcke hat bisher keine Straftat  begangen, die dies rechtfertigt, etwa den Entzug der Freiheit bei Gefängnisstrafen. Er ist ein ruchloser Rechtsextremist. Aber er ist kein Straftäter. Was also für ein fragwürdiger Artikel, der das möglich macht. Er mag als Lehre aus der Nazizeit gerechtfertigt gewesen sein, aber er sollte 75 Jahre später abgeschafft werden.
Der Artikel 18 gehört nicht mehr ins Grundgesetz. Daher baut auch diese Petition auf einer Voraussetzung auf, die einfach das falsche Instrument ist für eine wehrhafte Demokratie. Etwas Anderes ist das Verbot von Parteien und Organisationen, die die demokratische Infrastruktur nutzen um der Demokratie zu schaden. Die sie systematisch von innen auszuhöhlen versuchen. Aber das ist eine andere Verbots-Debatte.