Ulrich Wickert zum ÖRR

"Es werden keine Charaktere mehr herangezogen"

13:31 Minuten
Caren Miosga steht neben Ulrich Wickert im Tagesthemen-Studio.
Caren Miosga hat Ulrich Wickert als dienstälteste Tagesthemen-Moderatorin überholt. Immerhin durfte er diese Nachricht verkünden. © picture alliance / dpa / Ulrich Perrey
Ulrich Wickert im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 11.11.2022
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Die Öffentlich-Rechtlichen stecken unbestritten in der Krise. Dazu trage nicht nur ein Nachwuchsproblem bei, sondern auch ungeklärte Beschäftigungsverhältnisse, sagt Ulrich Wickert. Eine Umgestaltung dürfe aber nicht nur von den Intendanzen ausgehen.
Er selbst stand jahrzehntelang am Nachrichtentisch der ARD-"Tagesthemen", nun betrachtet Ulrich Wickert die Krise, in der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) derzeit befindet, eher von außen. Neben einem fehlenden Meinungsspektrum beklagt der Journalist und Autor ein grundsätzliches Problem im ÖRR: "Es werden keine Charaktere mehr herangezogen." Wickert führt aus: "Einem Charakter muss man viel Freiheit lassen, dem muss man Mut geben, den muss man in den dritten Programmen auch mal machen lassen." Der ÖRR leide unter einem Nachwuchsproblem.
Zudem übt er Kritik an WDR-Intendant Tom Buhrow, der inzwischen auch den ARD-Vorsitz innehat. "Das Bedauerliche ist, dass die Intendanten sich Fragen stellen, aber keine Antworten kommen." Man müsse sich ernsthaft fragen, ob man alle Rundfunkanstalten der ARD benötige, so Wickert weiter.
Ulrich Wickert zur ÖRR-Debatte

Ein Ruf nach mehr Bandbreite

11.11.2022
35:32 Minuten
Ulrich Wickert, Journalist und Autor, steht an eine Wand gelehnt.
Ulrich Wickert, Journalist und Autor, steht an eine Wand gelehnt.
Neben finanziellen Fragen, sei für ihn die wirklich wichtige Frage, wie man das öffentlich-rechtliche System inhaltlich stützen könne. Wickert zufolge verhindere der ÖRR eine Kopplung von Politik und Medien, wie es etwa in den USA mit Fox News und Donald Trump Praxis sei.

Zu wenig verbindliche Arbeitsplätze

Besonders kritisch äußert sich der 79-Jährige zu den mangelnden festen Beschäftigungsverhältnisse im ÖRR: "Es ist absurd, dass freie Mitarbeiter 100 Tage arbeiten können und dafür ein relativ schlechtes Honorar bekommen – und dann dürfen sie nicht mehr." Dahinter steckt die Sorge, dass freie Mitarbeiter sich eine Festanstellung einklagen könnten. Er selbst war lange Zeit in freier Mitarbeit redaktionell tätig, habe aber als Auslandskorrespondent eine Festanstellung angenommen, erzählt Wickert.
Aufgrund der beitragsfinanzierten Programmgestaltung sei der ÖRR in einer besonderen Verantwortung, sagt der langjährige ARD-Moderator. Eine Umgestaltung müsse daher nicht nur von den Intendanzen, sondern auch von der Politik vorangetrieben werden. "Mut entdeckt man nicht plötzlich, man hat ihn", sagt Wickert in Bezug auf fehlende Reformen im ÖRR. Dass es beispielsweise sechzehn Rundfunksinfonieorchester gibt, halte er für überflüssig. Diese sollten eher von den Ländern statt den Rundfunkanstalten finanziert werden, konstatiert Wickert.
(lsc)
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