WM 2006: Deutschland - ein Sommermärchen

Das Jahr der WM in Südafrika läuft: Zum 19. Mal spielen im Sommer die besten Mannschaften der Welt um die begehrteste Trophäe, zum ersten Mal auf dem afrikanischen Kontinent. DFB.de-Autor Udo Muras erinnert in einer WM-Serie an kuriose Geschichten der Turnierhistorie.

Teil 18: Die WM 2006 in Deutschland

Im Jahre 1844 schrieb Heinrich Heine sein anrührendes Reisegedicht „Deutschland – Ein Wintermärchen“. Es handelt von einer unerfüllten Liebe und zugleich der Liebe zu seinem Land, das er nach einjährigem Exil wieder besuchte. Es ist heute noch ein Begriff und zumindest in literarischen Zirkeln bestens bekannt. Von Fußball handelte es nicht. Wie auch? Es war noch lange nicht die Zeit da ein Ball alle Welt in seinen Bann zu ziehen vermochte. 2006 erlebte Deutschland sein Sommermärchen und dieses Etikett ist Menschen in aller Welt bis dato ein Begriff, wie belesen sie auch sein mögen.

Es hatte keinen Dichter, aber viele Schöpfer und tausende Darsteller. Der Regisseur Sönke Wortmann gab seinem erfolgreichen Dokumentationsfilm über die aufregenden WM-Tage im Kreise der deutschen Mannschaft diesen Titel, der längst für das gesamte Turnier steht. Die 18. Fußball-Weltmeisterschaft übertraf auch fernab des Sportlichen alle Erwartungen. Kicker-Chefredakteur Rainer Holzschuh muss über seherische Fähigkeiten verfügt haben, als er im Sonderheft vor dieser WM schrieb: „Diese WM 2006 wird eine große, eine fantastische WM. Womöglich eine Kult-WM!“

Das wurde sie, denn sie erreichte ein wahrlich lohnendes Ziel: Fußball als Völker verbindendes Element, wohl nie hat es eine bessere Demonstration dieses Anspruchs gegeben. Die Gründerväter der WM-Idee würden sich bestätigt gesehen haben in jenem deutschen Sommer: Gemeinsam auf den Straßen beim Public Viewing in den WM-Städten feiernde Gäste aus 31 Nationen, die von den Gastgebern überaus freundlich aufgenommen wurden, prägten diese Weltmeisterschaft. Es war ein überwiegend friedliches Fest, zu dem auch der Himmel lachte – vier Wochen Sonnenschein. „So stellt sich der liebe Gott die Welt vor“, sagte Franz Beckenbauer, der als OK-Chef in jenen Tagen mit dem Helikopter durch die Lande flog und wirklich jedes Spiel sah, das möglich war. Nur ein Mal fehlte er – um zu heiraten. Fußball ist eben doch nicht alles.

14 Jahre Vorlauf hatte die deutsche Bewerbung um die zweite WM-Endrunde (nach 1974) genommen. Am 22. September 1992 hatte der DFB beschlossen, sich um die WM 2006 zu bewerben, am 1. Juni 1993 wurde die FIFA offiziell informiert. „Wir ermitteln den erklärten Wunsch von 5,3 Millionen Mitgliedern im DFB, aber auch den Wunsch unseres Landes, nach der Weltmeisterschaft 1974 und der Europameisterschaft 1988 zum dritten Mal eine außergewöhnliche Veranstaltung für die große Familie des Fußballs durchführen zu dürfen“, schrieb DFB-Präsident Egidius Braun an Fifa-Präsident Joao Havelange. Als am 6. Juli 2000 in Zürich die Entscheidung fiel, war Havelange nicht mehr an der Macht, sein Nachfolger Josef Blatter hatte übernommen. Er durfte dann auf Englisch die legendären Worte sagen: „And the winner is…Deutschland!“

"Die Welt zu Gast bei Freunden"

Damit hatten sich die immensen Anstrengungen des DFB, dessen Bewerbung 37 Kilogramm wog (1200 Seiten) und insbesondere die von Globetrotter Beckenbauer, bezahlt gemacht. Der hatte im Mai 2000 sogar die Meisterschaft seines FC Bayern, dessen Präsident er war, verpasst, weil er in Samoa auf Stimmenfang war. Letztlich bekam Deutschland eine hauchdünne Mehrheit von 12:11 Stimmen. So durfte sich Fußball-Deutschland in der Stunde tiefster Erniedrigung, gerade war man in der EM-Vorrunde ausgeschieden, aus vollem Herzen freuen. Beckenbauer sagte: „Ich bin überglücklich. Eine WM organisieren, das kannst Du nur einmal im Leben.“ Und wieder ging er auf Weltreise. Sobald das Teilnehmerfeld feststand, besuchte er binnen sechs Monaten 31 Länder, um sie persönlich nach Deutschland einzuladen. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ war das Motto dieser WM und Franz Beckenbauer lebte es glaubwürdig vor.

Fast drei Jahre lang wurden die Gäste ermittelt. Schon im September 2003 wurden in Südamerika die ersten Qualifikationsspiele ausgetragen. Kein Wunder, diesmal wollte wirklich fast die ganze Welt dabei sein, nur sieben von 204 Verbänden gaben keine Bewerbung ab. Erstmals war der Titelverteidiger nicht automatisch qualifiziert, aber Brasilien schaffte es auch zum 18. Mal – also wie immer – dabei zu sein. Argentinien, Ecuador und Paraguay folgten im Schlepptau des Weltmeisters. Uruguay blieb diesmal auf der Strecke und unterlag Ozeanien-Sieger Australien, das nach 1974 wieder zu einer WM fuhr. Immer in Deutschland durften die „Socceroos“ dabei sein.

Nord- und Mittelamerika entsandte mit den USA und Mexiko seine Dauerbrenner, Costa Rica meldete sich zum dritten Mal – und Exot Trinidad/Tobago war ein Debütant besonderer Art. Die Karibik-Insel war das kleinste Teilnehmer-Land der WM-Geschichte; 1,088 Millionen Einwohner fieberten mit den „Soca warriors“, die in Leo Beenhakker einen niederländischen Trainer hatten.

Alle Top-Teams in Deutschland dabei

Europa stellte inklusive Deutschland 14 Teilnehmer. Alle großen Namen waren dabei: England, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal die Holländer. Dennoch änderten sich die Machtverhältnisse auf dem Kontinent, wo plötzlich Länder wie Kroatien, Serbien-Montenegro oder die Ukraine als Gruppensieger firmierten. Lange Gesichter gab es in der Türkei. Der WM-Dritte von 2002 scheiterte in zwei von Ausschreitungen überschatteten Entscheidungsspielen an der Schweiz. Tschechien kam durch die Hintertür gegen Norwegen zur WM, Nachbar Polen nahm den Haupteingang. Ebenso wie die Schweden, die die meisten Tore (30) aller Qualifikanten in Europa erzielten.

Afrika erhielt erneut fünf Startplätze und entsandte neben Tunesien noch vier absolute WM-Neulinge: in Togo, der Elfenbeinküste, Ghana und Angola. Togo reiste mit einem deutschen Trainer zur WM, Otto Pfister übernahm noch 111 Tage vor der Endrunde das Amt und sollte einige Kapriolen erleben. In Asien setzten sich in Saudi-Arabien, Südkorea, Japan und Iran ausnahmslos Länder mit WM-Erfahrung durch, während dem Bahrain in den Ausscheidungsspielen mit Trinidad seine Premiere versagt blieb.

Der deutschen Mannschaft blieb die Last einer Qualifikation erspart und der neue Trainer Jürgen Klinsmann nutzte die zweijährige Vorbereitungszeit zum Experimentieren. 37 Spieler setzte der Weltmeister von 1990 ein, darunter elf Debütanten. Überhaupt standen mit seinem Amtsantritt die Zeichen mehr denn je nach einem Trainerwechsel auf Veränderung. Jeden Stein wolle er umdrehen und alles hinterfragen, kündigte Klinsmann kämpferisch an. Noch besser gefiel den Fußballfreunden im Land, was der Nachfolger Rudi Völlers am 29. Juli 2004 bei seiner Vorstellung sagte: „Die Fans haben den Wunsch und die große Hoffnung, dass wir 2006 im eigenen Land Weltmeister werden. Das ist auch meine Zielsetzung.“ Mutige Worte nach einem erneuten Aus in der Vorrunde einer Europameisterschaft, Titel-Träume in der Stunde Null. Doch Klinsmann ging ans Werk. Geradlinig und kompromisslos.

Amerikanische Fitnesstrainer brachte der Wahl-Kalifornier mit, sein früherer Sturmpartner Oliver Bierhoff übernahm den neugeschaffenen Posten des Managers, ein Psychologe wurde eingestellt, man trennte sich von Torwarttrainer Sepp Maier. Auch die Torwarthierarchie hinterfragte Klinsmann, was schon mit der Absetzung Kahns als Kapitän deutlich wurde.

Nun führte Michael Ballack die Mannschaft ins Spiel. Und zuweilen trug sie rote Trikots. Ein Bruch mit der DFB-Geschichte und äußeres Zeichen für die neue Zeitrechnung. Alle sollten sehen: Deutschland spielt künftig wieder aggressiv und auf Sieg. Und das mit Tempo. Analysen hatten ergeben, dass der deutsche Fußball zu langsam war im internationalen Vergleich, zu viele Ballkontakte gingen dem Spiel in die Spitze voraus. Das wollte der Reformer ändern und an seiner Seite stand der Mann für die Taktik: Joachim Löw, dem er im Juli 2004 24 Stunden Bedenkzeit gab, sein Assistent zu werden. Der heutige Bundestrainer ließ sich nicht lange bitten. Erfolge zeichneten die ersten Monate der Klinsmann-Ära aus. Das Auftreten war in der Tat ein anderes und schwungvolle Typen wie Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski verkörperten das neue Selbstvertrauen.

Confed Cup lässt Vorfreude wachsen

Bei der WM-Generalprobe, dem Confed Cup 2005, glückte auch der Schulterschluss mit dem Publikum und der dritte Platz mit beachtlichen Spielen die Fußballmächte Argentinien (2:2) und Brasilien (2:3) wurde allseits bejubelt. Die Vorfreude wuchs und konnte auch von Bedenkenträgern der Stiftung Warentest, die im Januar 2006 vier der 12 WM-Stadien Sicherheitsmängel attestierten, nicht gebremst werden.

Doch ausgerechnet im WM-Jahr gab es erste sportliche Rückschläge: die sich bisher auf Nebensächlichkeiten wie Klinsmanns häufige Abstinenz – Huntington Beach blieb sein Hauptwohnsitz – konzentrierende Kritik nahm bedenkliche Ausmaße an, als die Mannschaft am 1. März 2006 in Florenz Italien 1:4 unterlag. Einige hatten es schon vorher gewusst: Zehn Spieler standen in Klinsmanns Kader, die in ihren Vereinen aus den verschiedensten Gründen nicht zu den Stammskräften zählten. „Nationalteam der Reserve“ titelte die Welt am Sonntag einen Vorbericht auf das Florenz-Fiasko, nachdem sich Abgeordnete aus dem Deutschen Bundestag zu Wort meldeten. Vertreter aller Parteien forderten Klinsmann auf, „dem Sportausschuss zu erklären, wie er Weltmeister werden will.“

Debatten um den richtigen Sportdirektor – Klinsmann wollte Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters installieren, der DFB setzte Matthias Sammer durch – und verärgerte Spieler wie der ausgeladene Christian Wörns, trübten die Vorfreude auf die WM. Als Klinsmann dann einem WM-Workshop fernblieb, zu dem alle 31 Trainer der Gastländer erschienen waren, tobte auch der Kaiser. Franz Beckenbauer: „Der Bundestrainer des Gastgeberlandes hätte da sein müssen. Das ist überhaupt keine Frage, das ist ein Pflichttermin und so viele Pflichten hat er ja nicht.“

Das Presseecho im März 2006 war verheerend. Im Focus schrieb Chefredakteur Helmut Markwort: „Die besten Fußballspieler des Landes werden einem Träumer überlassen, einem Einzelgänger, der mehr Guru ist als Stratege. Ein Anfänger und ein Besserwisser – eine gefährliche Mischung.“ Sollte es sich doch rächen, dass der DFB im Juli 2004 den Tipp von Berti Vogts gefolgt war – „Ruft doch mal den Jürgen an“ – und sich einen Trainer-Novizen aus Amerika geholt hatte?

Auch den Sturm der Entrüstung über die Demontage von Oliver Kahn, der einen Tag vor einem Spiel in Bremen erfuhr, dass Jens Lehmann bei der WM die Nummer eins sein würde, überstand Klinsmann. „Klinsi killt King Kahn“, titelte die Bild am 8. April. Klinsmann sprach von der „schwersten Entscheidung meiner jungen Trainer-Karriere.“

Kahn zeigt Größe

„Wir alle halten diese Entscheidung für falsch!“, schrieb Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge im Stadionheft in einem offenen Brief an Kahn, „Du bis zu Recht enttäuscht“. Alle Welt rechnete nun mit Kahns Rücktritt, doch der zeigte auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz zwei Tage nach der Degradierung wahre Größe: „Die Weltmeisterschaft im eigenen Land ist wichtiger als die Person Oliver Kahn.“, sagte er und betonte: „Wir brauchen eine positive Stimmung, dann kann diese Mannschaft Weltmeister werden.“ Dafür setzte er sich auch auf die Bank.

Es gab noch mehr personelle Überraschungen, als Klinsmann am 15. Mai in Berlin den Kader im Rahmen einer aufwendigen Präsentation mit 23 Filmporträts nominierte. Ohne Kevin Kuranyi, Fabian Ernst und Patrick Owomoyela, die seine Amtszeit mitgeprägt hatten – dafür mit Marcell Jansen, Mike Hanke und einem gewissen David Odonkor. Der 23jährige Dortmunder Flügelflitzer, bis dato ohne Länderspieleinsatz, verdankte sein Glück dem erneuten Verletzungspech eines Sebastian Deisler. „Er ist ein Riesentalent und bringt etwas mit, was wir dringend brauchen: Schnelligkeit, Überraschungsmoment. Mit seiner Frechheit gibt er uns Varianten.“, begründete Klinsmann den Coup.

Glückskind Odonkor musste den ganzen Tag Reporterfragen beantworten und wiederholte: „Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich werde heute Abend schlafen gehen und wenn ich morgen aufwache, hoffe ich dass es kein Traum wahr.“ Auch andere Länder hatten übrigens ihren Odonkor. Englands Trainer Sven-Göran Eriksson nominierte mit dem 17jährigen Theo Walcott von Arsenal London einen jungen Mann, der noch nie in der Premier League gespielt hatte und erntete viel Spott. Dennoch glaubte Eriksson an den Titel und sprach von der „stärksten englischen Mannschaft seit 40 Jahren“. Damals war England letztmals Weltmeister geworden. Deutschland bereitete sich derweil auf seine Gäste vor.

Rund eine Million Menschen wurden erwartet und zuhause mit allerlei guten Ratschlägen ausgestattet. Ein Benimm-Buch in den USA empfahl seinen Landsleuten vor der WM-Reise: „Lehnen Sie sich nie gegen ein fremdes Auto. Autos sind in Deutschland heilig.“ Darüber konnten die Deutschen noch lachen, weniger über die pauschale Warnung des deutschen Afrika-Rats vor „No-Go-Areas“ in Ost-Deutschland.

Ballack fehlt im ersten Spiel

Jürgen Klinsmann hatte andere Sorgen. In der Vorbereitung offenbarte die Abwehr gegen Japan (2:2) große Schwächen, zudem verletzten sich seine Säulen Michael Ballack und Philipp Lahm in Testspielen gegen Amateure. Als die WM am 9. Juni endlich begann, saß Ballack tatsächlich auf der Bank – wenngleich er sich selbst für einsetzbar erklärte. Klinsmann aber lehnte ab: „Die Wade ist noch nicht da, wo sie hin muss.“

Der Gastgeber musste also ohne seinen Kapitän die WM eröffnen. Zum Glück wartete in München mit Costa Rica keine unlösbare Aufgabe. „WM-Rekord gegen Costa Gurka?“, fragte Bild zwei Tage vor dem Anpfiff despektierlich und bekam sogar Recht. Der offiziellen Eröffnung, nach einem von bayerischer Folklore geprägten Showprogramm, durch Bundespräsident Horst Köhler folgte fünf Minuten und zehn Sekunden nach dem Anpfiff die fußballerische: Philipp Lahm, mit einer dicken Manschette an der verletzten linken Hand, umkurvte seinen Gegenspieler und drosch den Ball vom Strafraumeck in den Winkel. 1,5 Milliarden TV-Zuschauer waren weltweit Zeuge. „Das war das Tor meines Lebens“, strahlte der Münchner hinterher. Mit einem Urknall hatte Deutschland seine eigene WM eröffnet.

Am Ende stand nach weiteren Treffern von Miroslav Klose (2) und Torsten Frings ein 4:2 und das torreichste Eröffnungsspiel aller Zeiten. Die beiden Gegentore aber beunruhigten die Experten. Bayern-Manager Uli Hoeneß sprach vielen aus dem Herzen: „Gegen andere Teams dürfen wir uns diese Abwehr-Schnitzer nicht erlauben.“ Das fand auch die Mannschaft und so traf sich die Defensivabteilung nach dieser Partie mit dem Trainerstab zur Analyse. Fortan sollte es besser werden. Obwohl auch die Gegner besser wurden. In Dortmund kämpfte Polen in einem dramatischen Spiel bis in die Nachspielzeit aufopferungsvoll und in Unterzahl – zehn gegen zwölf hieß es in den letzten 15 Minuten, als Sobolewski vom Platz geflogen und das Publikum der zwölfte Mann war. Es sah alles nach einem 0:0 aus, als Klose und Rückkehrer Ballack in der 90. Minute binnen Sekunden jeweils die Latte trafen. Wieder tat dann der Sturm seine Pflicht, wenn auch nicht die erste Reihe. Dafür stachen Klinsmanns Joker: In der 91. Minute entwischte David Odonkor seinen Bewachern und flankte nach innen, wo sich Oliver Neuville schon aufhielt. Mit langem Bein markierte er im Fallen das 1:0, das so etwas wie die Initialzündung für eine gelungene WM bedeutete. Somit hatte sich Odonkors Nominierung schon bezahlt gemacht. Das Publikum zweckentfremdete in seiner Euphorie den Pokal-Hit und sang „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ – also ins WM-Finale.

Trauer dagegen bei den rund 25.000 Polen, für ihre Auswahl war nach der zweiten Niederlage schon alles vorbei.

Vorrunde verläuft für DFB-Team ohne Probleme

Das nächste Spiel führte die Mannschaft bereits nach Berlin, wo sie im Schloßhotel Grunewald ohnehin ihr komfortables Quartier aufgeschlagen hatte. Gegen Ecuador ging es nur noch um den Gruppensieg, auch die Mittelamerikaner waren bereits weiter. Klinsmann aber drohte, er nehme jeden nach 20 Minuten heraus, der einen Gang zurückschalte. So sahen 72.000 ein ungefährdetes 3:0 und die Tore waren Stürmersache: Miroslav Klose traf wieder doppelt und nun erschien auch der Name des Kölners Lukas Podolski erstmals auf der Anzeigetafel. Mit drei Siegen war nur 1970 eine deutsche Mannschaft durch die Vorrunde spaziert, es lief besser als gedacht.

Ausgerechnet Dauer-Optimist Klinsmann gab den Nörgler: „Das war eine Nummer schlechter als gegen Polen und haben sogar nach hinten gespielt. Das kann ich gar nicht sehen.“ Franz Beckenbauer aber setzte einen Kontrapunkt in der öffentlichen Bewertung und schrieb in der Bild-Zeitung: „Mit jedem Spiel spürt man, dass da etwas zusammenwächst. Hoffentlich der neue Weltmeister! Die ersten drei Spiele haben dem Land den Glauben an die Mannschaft zurückgegeben. Auch ich habe gestern begeistert das Berliner Olympiastadion verlassen.“ Von den Abwehrproblemen sprach nach dem zweiten Spiel ohne Gegentor niemand mehr und eine Stammelf hatte sich auch schon etabliert – eher ungewöhnlich für ein Turnier. Andere Favoriten hätten sich eine solche Vorrunde sicher auch gewünscht, doch drei Siege schafften nur noch Brasilien und Spanien. Immerhin blieb das Favoritensterben wie noch 2002 diesmal aus.

England tut sich schwer

In Gruppe B mühte sich England dennoch stark ab, um Platz 1 zu erreichen. Trotz allerhöchster Unterstützung. Prinz William saß beim Auftaktspiel gegen Paraguay in Frankfurt auf der VIP-Tribüne und drückte ebenso wie 25.000 „normale“ Fans die Daumen. Schon nach drei Minuten half es, ein Eigentor nach Beckhams Freistoß besorgte die Führung. Doch mehr kam nicht heraus an diesem ungewöhnlich heißen Tag, bis zum Abpfiff zitterte England um den Sieg.

Auch im zweiten Spiel taten sich die Engländer gegen Trinidad und Tobago schwer und erzielten die beiden Tore zum 2:0 erst in der Schlussphase. Nur im letzten Spiel gegen Schweden konnten die Briten, die den angeschlagenen Wayne Rooney nur als Teilzeitkraft einsetzten, phasenweise überzeugen. In einer hochklassigen Partie kassierte die englische Elf den 2:2-Ausgleich erst in der letzten Minute. Aber auch ohne Henrik Larssons Tor hätten die Schweden das Achtelfinale erreicht, denn Trinidad und Paraguay waren praktisch bereits aus dem Rennen.

Dabei hatten die Karibik-Kicker zuvor den Schweden sogar einen Punkt abgetrotzt und eine Halbzeit in Unterzahl ohne Gegentor überstanden. Und gegen England, das sah alle Welt am Bildschirm, hatten sie ein irreguläres Tor bekommen, weil der lange Peter Crouch seinen Gegenspieler an den Rastalocken zog, ehe er einköpfte. Trinidad fuhr zwar nach dem abschließenden 0:2 gegen Paraguay ohne Tor, aber doch voller Stolz nach Hause. „Vor dem Spiel war doch eigentlich nur die Frage, ob wir die Spiele 0:5, 0:6 oder 0:8 verlieren“, sagte Trainer Leo Beenhakker, einer von vier Holländern auf den Trainerbänken bei dieser WM.

Ganz anders die Stimmung bei Paraguay, das als Geheimtipp in das Turnier gestartet war. Zwei 0:1-Niederlagen bestraften die zu defensive Spielweise. "Wir haben das bekommen, was wir verdient haben“, sagte ein selbstkritischer Trainer Anibal Ruiz, währen die Zeitung ABC titelte: „Das ganze Land weint.“

Bemerkenswert war in dieser Gruppe noch das schwedische Ausgleichstor gegen England zum 1:1, denn es war zugleich das 2000. der WM-Historie seit 1930. Die Klatschspalten füllten dagegen die englischen Spielerfrauen, die sich in Baden-Baden einquartiert hatten und die Puppen tanzen ließen. Ein Bar-Besitzer schätzte den Konsum der allabendlich aufkreuzenden Gruppe auf rund 45.000 Euro und wurde so zitiert: „Die Damen haben so viel getrunken, Nacht für Nacht, und dabei so viel Geld ausgegeben. So was haben wir noch nicht gesehen.“

Argentinien und Niederlande dominieren Todesgruppe

Jede WM hat bekanntlich ihre Todesgruppe, in Deutschland war es die Gruppe C. Mit Argentinien, der Niederlande, der Elfenbeinküste und Serbien-Montenegro trafen zwei WM-Favoriten und zwei Geheimtipps zusammen. Umso überraschender, dass nach dem zweiten Spieltag die Luft schon raus war. Argentinien und Holland kamen weiter und leisteten sich im im Vorfeld mit großer Spannung erwarteten letzten Spiel in Frankfurt ein 0:0.

Die Südamerikaner gewannen zunächst in einer der besten Partien des Turniers gegen die Elfenbeinküste 2:1, um im zweiten Gruppenspiel das desolate Team aus Serbien und Montenegro mit 6:0 zu besiegen. Vor dem 2:0 durch Cambiasso wanderte der Ball über 25 Stationen durch die Reihen der Argentinier. Verzückt tanzte Diego Maradona mit Anhang auf der Tribüne und lieferte den Kameraleuten amüsante Bilder. In der Nacht zuvor hatte er weniger Grund zur Freude, auf der A2 bei Hamm-Uentrop machte er Bekanntschaft mit einem deutschen Verkehrspolizisten: 200 Euro Bußgeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Die Holländer landeten punktgleich hinter Argentinien auf dem zweiten Platz und überzeugten diesmal besonders in der Defensivarbeit. Sie kassierten nur ein Tor, Barcelonas Mark van Bommel räumte vor dem Mittelfeld ab und rannte gegen Serbien sogar Schiedsrichter Markus Merk über den Haufen. Unabsichtlich, natürlich. In dieser Partie erzielte der zweite heutige Bayern-Star Arjen Robben den einzigen Treffer, gegen die Elfenbeinküste (2:1) traf auch Tormaschine Ruud van Nistelrooy. Nach dieser Partie war Afrikas Flaggschiff zum allgemeinen Bedauern bereits ausgeschieden. Sie starben in Schönheit, suchten stets die Offensive und lagen in der ersten Hälfte mit 0:2 in Rückstand. Gegen die Favoriten aus Argentinien und Niederlande konnte man nur noch auf 1:2 verkürzen, erst gegen Serbien und Montenegro reichte es im unbedeutendsten Spiel zum ersten WM-Sieg (3:2) des Landes. Danach traten beide Trainer zurück. Die Ivorer waren immerhin ein Farbtupfer dieser WM und die Mutter von Weltstar Didier Drogba kochte in Hamburg sogar einheimisches Essen für die Fans.

Serbien und Montenegro war die große Enttäuschung. In der Qualifikation hatten sie in zehn Spielen nur ein Gegentor kassiert, aber im WM-Sturm brachen alle Dämme. Nach dem 0:6 gegen Argentinien sagte der zerknirschte Trainer Ilija Petkovic: „Es war eines der schlimmsten Ergebnisse in unserer Fußballgeschichte. Davon werden noch Generationen reden.“ Der Frust war so groß, dass einige Funktionäre und zwei Spieler schon vor dem letzten Spiel abreisten.

Portugal mit ungewohnten Stärken

In Gruppe D gab Portugal den Ton an. Nicht gerade begeisternd und überraschend defensiv bewältigten die Spieler von Felipe Scolari ihre Pflichtübungen. Gegen den krassen Außenseiter aus Angola verwaltete sie das frühe 1:0 durch den Rekordtorjäger des Landes, Pauletta, bis zum Schlusspfiff. Auch gegen den Iran ließen sie kein Tor zu und als die Stars Deco und Cristiano Ronaldo mit Distanzschüssen trafen, konnten sie bereits den Einzug ins Achtelfinale feiern. Gegen Mexiko durften Reservisten ran, dennoch reichte es zu einem 2:1 und zum Gruppensieg.

Mexiko trauerte nicht, auch die Mittelamerikaner kamen weiter. Gepunktet hatten sie schon vorher: Dem mühevollen 3:1 gegen den Iran folgte ein enttäuschendes 0:0 gegen die WM-Neulinge aus Angola. Die Afrikaner gehörten zu den positiven Überraschungen des Turniers. Obwohl das Team praktisch nur aus Spielern unterklassiger europäischer Vereine bestand, hielt die Mannschaft in allen Vorrundenpartien mit. Doch zwei Punkte (zwei Mal 1:1) waren letztlich zu wenig. Trainer Goncalves aber stellte fest: „Wir haben unser Ziel erreicht und der Welt gezeigt, dass Angola nicht nur mit Bürgerkrieg und Armut zu verbinden ist.“

Der Iran blieb dagegen weit hinter seinen Zielen zurück. Konditionelle Schwierigkeiten und atmosphärische Störungen belasteten die Leistungsfähigkeit der Perser. Die Rolle des 37jährigen Sturmführers Ali Daei, nur noch ein Schatten seiner selbst, war umstritten. Als Bayern Münchens Ali Karimi im letzten Spiel gegen Angola eingewechselt werden sollte, weigerte er sich: „Ich habe Probleme mit Ali Daei und Trainer Ivankovic“, erklärte er später. So endete auch die dritte WM-Teilnahme der Iraner nach der Vorrunde.

Italien und Ghana setzen sich in Gruppe E durch

In der Gruppe E gab es eine Sensation. Nicht wegen Italien, das erwartungsgemäß den Sieg einfuhr. Das Team bezwang den WM-Neuling aus Ghana mit 2:0, ließ beim 1:1 gegen die USA etwas nach und schoss im letzten Spiel den ersatzgeschwächten Geheimtipp aus Tschechien aus dem Turnier (2:0). Begeistern konnte Marcello Lippis Squadra Azzurra weniger, manche Beobachter sprachen vom Comeback des Catenaccio. Die Sensation aber vollbrachte WM-Neuling Ghana, den die Auftaktniederlage gegen Italien nicht umwarf. Besonders gegen die starken Tschechen zeigten die Afrikaner eine berauschende Leistung und gewannen hochverdient mit 2:0. Dabei gelang Gyan das schnellste WM-Tor 2006 – schon nach 68 Sekunden. Das Kölner Publikum feierte den Außenseiter und sang „Steht auf, wenn ihr Ghana seid“. Gegen die USA hätte im letzten Spiel auch ein Unentschieden gereicht, durch den 2:1-Erfolg wurde Platz zwei jedoch souverän eingefahren.

Dass stattdessen die Tschechen würden abreisen müssen, ahnte niemand der sie beim 3:0 über die USA sah. Die Dortmunder Tomas Rosicky (2) und Jan Koller schossen die Tore, doch Koller verletzte sich und kam nicht mehr zum Zuge. Weitere Ausfälle warfen das Team von Karel Brückner aber aus der Bahn, weder gegen Ghana noch gegen Italien kamen die Tschechen noch zu einem Tor. Wie auch: Mit Milan Baros war nur noch ein Stürmer einsatzfähig und auch der musste nach einer Stunde mit Schmerzen vom Feld. So endete die Ära einer großen Spielergeneration, deren Protagonisten 1996 noch Vize-Europameister gewordne waren. Nedved, Poborsky und Smicer nahmen ihren Abschied.

Die USA musste sich mit Platz vier begnügen. Am Ende blieb es bei nur einem Punkt aus drei Spielen und bei der Beteiligung an einem unrühmlichen Rekord: im Spiel gegen Italien wurden drei Spieler des Feldes verwiesen (davon zwei Amerikaner), das hatte es erst drei Mal in der WM-Geschichte gegeben.

In Gruppe F enttäuschte Brasilien seine Anhänger trotz eines Welt-Rekordes. Nur in der zweiten Halbzeit gegen Japan (4:1) spielte die Selecao wie ein Weltmeister, davor dominierten Kalkül und Ergebnisverwaltung. Kroatien und Australien standen jeweils dicht vor einem Punktgewinn und Japan führte sogar, ehe Ronaldo mit dem Halbzeitpfiff den Ausgleich köpfte. Und doch: nach der Vorrunde hatte Brasilien sein zehntes WM-Spiel in Serie gewonnen – nach dem Siegeszug von 2002 – und eine neue Bestmarke aufgestellt. Doch die Diskussionen drehten sich weniger darum als vielmehr um die überflüssigen Pfunde bei Torjäger Ronaldo (94, 7 Kilo), von der Bild-Zeitung flugs in „Pummelnaldo“ umgetauft. Selbst Mitspieler Kaka stichelte nach dem 1:0 über Kroatien: „Ein bisschen mehr Bewegung würde der ganzen Mannschaft gut tun.“ Gegen Japan trieb ihn diese Kritik immerhin zu zwei Treffern. Bei dieser Partie sang übrigens auch der gegnerische Trainer die Nationalhymne Brasiliens: Zico, „der weiße Pelé“, konnte seine Herkunft nicht verleugnen und bewegte seine Lippen.

Australien schockt Japan

Das kleine Wunder, das man in Japan von ihm erwartete, konnte er aber nicht bewirken. Dafür qualifizierte sich Australien überraschend für das Achtelfinale. Mitentscheidend war das 3:1-gegen Japan in Kaiserslautern durch drei späte Tore in den letzten sechs Minuten. Joker Tim Cahill traf stach zwei Mal und fand hinterher pathetische Worte: „Das waren die dramatischsten zehn Minuten im australischen Fußball, das wird in die Geschichte eingehen.“

Gegen Brasilien wurde die Elf von Guus Hiddink nicht belohnt, die 0:2-Niederlage fiel zu hoch aus. Dennoch reichte im letzten Gruppenspiel ein Punkt gegen Kroatien für das Weiterkommen, der in einem packenden Spiel auch geholt werden konnte. Zwei Mal holten die Australier einen Rückstand auf und warfen die mit fünf Bundesliga-Legionären angetretenen Kroaten aus dem Turnier. So überstand erstmals ein Team aus Ozeanien die Gruppenphase. In dieser Partie wurde noch mehr Geschichte geschrieben: Schiedsrichter Graham Poll zeigte Hertha-Verteidiger Joe Simunic drei Mal die Gelbe Karte – in der 61., 90. und 93. Minute – ehe er ihn vom Feld schickte.

In den offiziellen Fifa-Statistiken kommt die dritte Verwarnung nicht vor, gesehen aber hat sie jeder. Fifa-Chef Sepp Blatter konnte sich kaum beruhigen: „So ein Fehler darf nicht vorkommen, das ist nicht zu verzeihen.“ Unverzeihlich wie der Auftritt Kroatiens, das seine Fans enttäuschte. Zwar nie chancenlos, blieb die Mannschaft aber ohne Sieg. Ein verschossener Elfmeter von Srna beim 0:0 gegen Japan brach dem WM-Dritten von 1998 das Genick. Und Japan blieb nichts außer diesem einen Punkt.

Schweiz überzeugt in der Defensive

In Gruppe G fielen nur elf Tore, Gruppensieger Schweiz überstand die Vorrunde ohne Gegentreffer. Zu Buche standen zwei 2:0-Erfolge gegen Togo und Südkorea und wie in der Qualifikation trennten sich die Eidgenossen von Frankreich zum dritten Mal Unentschieden. Das 0:0 ließ in Frankreich böse Erinnerungen an 2002 wach werden, als der damalige Titelverteidiger gänzlich ohne Tore blieb. Thiery Henry brach gegen Südkorea zwar den Bann, aber zu Jubeln gab es doch nichts – die Asiaten glichen noch aus. Auch weil ein Tor von Vieira nicht gegeben wurde. Trainer Raymond Domenech rief nach technischen Hilfsmitteln. „Wir Franzosen waren schon immer für den Videobeweis.“ Blatter nahm ihm alle Hoffnung: „Solange ich Präsident bin, wird es den Videobeweis nicht geben.“

Gegen Togo reichte es auch ohne Hilfsmittel und ohne den gesperrten Zinedine Zidane zum ersten Sieg (2:0) und somit zum Achtelfinale. Südkorea konnte nicht an die Erfolge bei der Heim-WM 2002 anknüpfen, als man das Halbfinale erreichte. Nur gegen Togo (2:1) gewannen die Asiaten, gegen Frankreich nutzten sie glücklich ihre einzige Torchance zu einem 1:1. Im letzten Spiel gegen die Schweiz (0:2) versagten den Spielern von Dick Advocaat die Nerven und so ging es wieder mal nach Hause.

Das schlechteste Bild aller Mannschaften gab jedoch Togo ab. Weniger sportlich, trotz dreier Niederlagen. Das westafrikanische Team lieferte ein tagelanges Stück aus dem Tollhaus. Schon vor Beginn des Turniers gab es einen Prämienstreit, die Spieler forderten die vereinbarten 50.000 Dollar für die Qualifikation und bestreikten schließlich das Training von Otto Pfister. Der Deutsche trat zurück und in Landsmann Winfried Schäfer stand schon ein williger Nachfolger parat. Aber es kam zu keiner Einigung: „Ich habe die Schnauze voll. Ich kann es nicht mehr hören. Ich warte auch nicht mehr auf einen Anruf. Es ist ein Chaos, was hier herrscht. Es sind viel zu viele Leute drum herum.“, zeterte Schäfer. Für die Bild-Zeitung richtete Togo gar „das größte Chaos der WM-Geschichte“ an.

Da setzte sich die Mannschaft für den bereits abgereisten Pfister ein und so saß der 68jährige nach dreitägiger Abstinenz plötzlich doch auf der Bank – bis Turnierende.

Einseitige Gruppe H

In Gruppe H gab es klare Fronten. Spanien und die Ukraine qualifizierten sich souverän, Tunesien und besonders Saudi-Arabien waren nicht konkurrenzfähig und holten nur einen Punkt im direkten Duell (2:2). Spanien beeindruckte beim 4:0 gegen die Ukraine und gewann danach immer etwas niedriger (3:1 und 1:0), tat eben nicht mehr als nötig. Trotz des 0:4-Debakels gegen Spanien konnte sich die Ukraine für das Achtelfinale qualifizieren. Für die Pleite machten die Spieler übrigens auch die Frösche in ihrem Potsdamer Quartier verantwortlich: „Nachts können wir wegen des Quakens nicht schlafen. Wir wollen sie jetzt einfangen.“ Oleg Blochins Elf schaffte danach ein überzeugendes 4:0 gegen Saudi-Arabien (4:0) und ein 1:0 dank eines Elfmeter-Geschenks im entscheidenden Spiel gegen Tunesien. Star Andrej Schewtschenko sorgte in Berlin für das einzige Tor im schwächsten Spiel dieser WM und für 200.000 Euro Prämie pro Kopf. Tunesien komplettierte das afrikanische Quartett der Gescheiterten, nur Ghana überstand die Vorrunde, was Saudi-Arabien erneut versagt geblieben war. Im Achtelfinale standen zehn Europäer, vier Lateinamerikaner, ein Afrikaner und Australien.

Erneut führte der Spielplan die deutsche Mannschaft nach München und wieder ging das Publikum begeistert nach Hause. Die Schweden waren kein Hindernis an jenem herrlichen Juni-Samstag, nachdem DFB-Scout und Ex-Bundestrainer Berti Vogts sagte: „Es hat in den letzten fünf, sechs Jahren keine Mannschaft besser gespielt.“ Günter Netzer pflichtete ihm bei: „Die ersten 30 Minuten gegen Schweden waren das Beste, was ich seit langer Zeit von der deutschen Mannschaft gesehen habe.“ Lukas Podolski war der Mann des Tages, schon nach zwölf Minuten hatte er zwei Tore geschossen. Die Bild-Zeitung schrieb: „So schnell wie unsere Jungs die Ikea-Kicker vermöbelten, kann niemand ein Regal aufbauen.“ Später kam etwas Glück dazu, die Schweden verschossen durch Larsson einen Elfmeter, aber am verdienten 2:0-Seg zweifelte niemand. Klinsmann berichtete der Öffentlichkeit: „In der Kabine wurde gesungen und getanzt.“

Achtelfinal-Aus für Spanien und die Niederlande

Andere tanzten nicht mehr auf dieser WM. Holland und Spanien reisten erneut früher ab als geplant und – gemessen an der Vorrunde – erwartet. Holland führte mit Portugal einen regelrechten Fußball-Krieg und als er zu Ende war, gingen nur 18 Spieler vom Feld. Vier Platzverweise schraubten den WM-Rekord in die Höhe, acht Verwarnungen kamen hinzu. Das Bild der Sünder Boulahrouz, van Bronckhorst und Deco, die gemeinsam entgeistert im Innenraum des Nürnbergers Stadions saßen, blieb haften. In der ersten Hälfte hatte es bereits Costinha erwischt. Nach dieser Kartenorgie sah auch der russische Schiedsrichter Iwanow Rot, die Fifa zog ihn aus dem Verkehr. Die Portugiesen trösteten sich, sie hatten dank Maniches Tor 1:0 gewonnen.

Die fröhliche holländische Fan-Karawane dagegen zog gen Heimat. Die junge spanische Mannschaft (24,5 Jahre im Schnitt) kassierte im 26. Spiel von Trainer-Opa Luis Aragones (67) ihre erste Niederlage – 1:3 gegen ein wiedererwachtes Frankreich. Es war auch die Auferstehung Zidanes, der erstmals bei dieser WM auffiel. Der 34jährige bereitete in Hannover das 2:1 von Vieira vor und erzielte das 3:1 selbst. Frankreich war plötzlich wieder ein Mitfavorit um den Titel, Spanien litt weiter unter seinem WM-Fluch, nie ein Halbfinale erreichen zu können. Aragones erhielt trotzdem einen Zwei-Jahres-Vertrag und wurde Europameister 2008.

Argentinien musste gegen Mexiko in die Verlängerung, ehe Maxi Rodriguez das erlösende 2:1 erzielte. Mexiko schied hoch erhobenen Hauptes aus und im Team-Hotel in Göttingen herrschte nun wieder Rauchverbot. Es war für Trainer und Kettenraucher Ricardo La Volpe aufgehoben worden. England suchte noch immer nach seiner Form, aber gegen Ecuador reichte ein lichter Moment von David Beckham, dem nach einer Stunde ein Freistoß-Tor gelang. Kurz darauf musste er sich auf dem Platz übergeben und Bild titelte: „England mit Hängen und Würgen ins Viertelfinale“.

Elfmeter lässt Australiens WM-Traum platzen

Was aber sollte man da erst zum Dusel-Sieg der Italiener über Australien sagen. Obwohl nach Materazzis Platzverweis in Unterzahl, hielten sie ein 0:0 und in der fünften Minute der Nachspielzeit bekamen sie einen sehr zweifelhaften Elfmeter. Der spanische Schiedsrichter Cantalejo wurde zum unbeliebtesten Mann im Fritz-Walter-Stadion, wo Francesco Totti das Geschenk dankend annahm. Australiens Traum war geplatzt, die WM um eine Hoffnung ärmer. Die nächste starb nicht ganz unerwartet in Dortmund, wo Brasilien Ghana mit 3:0 schlug, ohne überzeugt zu haben. Und wieder spielte der Schiedsrichter Schicksal: Das entscheidende 2:0 Adrianos war ein klarer Abseitstreffer. Zuvor hatte Ronaldo sein insgesamt 15. WM-Tor geschossen und Gerd Müller an der Weltspitze abgelöst.

Köln sah das dramatischste Spiel, denn das Achtelfinale Ukraine – Schweiz hatte auch nach zwei Stunden noch keinen Sieger. Aber auch vom Punkt trafen die bemitleidenswerten Schweizer drei Mal (Streller, Cabanas, Barnetta) nicht und stellten zwei WM-Rekorde auf: Noch nie hatte eine Mannschaft alle Elfmeter verschossen und nie war eine Mannschaft ohne Gegentor im gesamten Turnier ausgeschieden. Im Viertelfinale waren nur die Großmächte Argentinien und Brasilien keine Europäer – und Argentiniens Weg sollte nun auch zu Ende sein. In Berlin wartete die deutsche Mannschaft. 72.000 sahen das erste schwächere Spiel ihrer Lieblinge, aber das furiose Ende entschädigte für alles.

Lehmann und der Elfer-Zettel

Argentiniens Führung durch Ayala hatte Klose per Kopfball ausgeglichen, in der Verlängerung fielen keine Tore mehr. Vor dem Elfmeterschießen flackerte ein Bild über die Anzeigetafel, das spontanen Beifall weckte: Oliver Kahn drückte Jens Lehmann die Hand und wünschte ihm Glück. „Das ist jetzt dein Ding, du machst es“. Dafür sorgte auch Bundes-Torwarttrainer Andy Köpke, der Lehmann einen Zettel mit den Vorlieben der argentinischen Schützen gab. Um den Zettel, der nach der WM für eine Millionen Euro zugunsten der Aktion „Ein Herz für Kinder“ versteigert wurde, ranken sich zahlreiche Mythen. Dabei hat er faktisch nichts gebracht, wie Lehmann kürzlich enthüllte. Der erste Schütze, Cruz traf. Der Zweite, Ayala, wählte die andere Ecke und Lehmann hielt trotzdem. Den dritten Elfmeter von Rodriguez musste er passieren lassen und Cambiasso, der vierte, stand nicht auf dem mit Bleistift beschriebenen Zettel. Dafür half Lehmann sein gutes Gedächtnis: Ihm fiel plötzlich ein Freistoß Cambiassos ein aus der Champions League-Saison; da visierte der Mann von Inter Mailand die linke Ecke an. Und dahin geht auch sein Elfmeter – aber Lehmann war schon da. Riesen-Jubel auch auf den VIP-Rängen bei der Kanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler – und bei Millionen im ganzen Land.

Nüchtern kommentierte der neue Held der Nation seine Großtaten: „Von einem deutschen Torwart wird erwartet, dass er Elfmeter hält.“ Deutschland gewann auch sein drittes WM-Elfmeterschießen und stand im Halbfinale. Jürgen Klinsmann war berauscht vor Glück: „Ich bin unglaublich stolz und dankbar. Da ist eine Mannschaft zusammengewachsen, die sagt: wir wollen Weltmeister werden.“ Und die im 17. Versuch endlich einen der sogenannten Großen des Weltfußballs geschlagen hatte – sechs Jahre nach dem 1:0 in England. Argentiniens Trainer Jose Pekerman trat enttäuscht zurück. Auch bei den Spielern brach sich die Enttäuschung bahn, nach der Entscheidung entbrannte auf dem Platz eine wilde Rangelei – und ausgerechnet italienische TV-Bilder entlarvten Thorsten Frings als Schläger. Er traf Julio Cruz leicht im Gesicht. Aber so manche Faust flog im Mittelkreis von Berlin und Per Mertesacker erlitt sogar einen Tritt in den Unterleib – gesperrt wurde nur Torsten Frings. Eine folgenschwere Entscheidung.

Als Gegner wartete Italien, das am selben Tag die biederen Ukrainer in selten gesehner Manier zerpflückte und 3:0 siegte. Luca Toni schoss zwei Tore, Italien war nunmehr 23 Länderspiele unbesiegt und bestätigte seinen Ruf als Turniermannschaft.

Brasilien hat den nie gehabt, bei den Ballzauberern musste man gerade in Europa stets mit Einbrüchen rechnen. So war es auch 2006. In Frankfurt verstummten am 1. Juli die Samba-Trommeln. Ein Freistoß von Zidane landete beim völlig ungedeckten Thierry Henry und dessen Kopfball beförderte den Rekord-Weltmeister aus dem Turnier. Der große Pelé war wie immer in solchen Momenten geschockt: „Ich weiß nicht, wo die Spieler mit ihren Köpfen waren.“ Gerüchte über lange Party-Nächte bei dieser WM machten die Runde und niemand trauerte dem entthronten Titelverteidiger nach.

Schlecht Zweikampfwerte bei Brasilien

Die Zweikampfwerte der Superstars sprachen Bände: Kaka hatte nur 27% gewonnen, Ze Roberto 29%, Roberto Carlos 36%. „Die Brasilianer haben bei diesem Turnier niemals voll überzeugt“, richtete Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer. Trainer Carlos Alberto Parreira blickte nach vorne: „Lasst uns die Leiche mit Anstand begraben und aus der Asche stärker zurückkehren als je zuvor.“

So wie es sein Bezwinger vorgemacht hatte: 2002 eine Lachnummer, stand Frankreich nun im Halbfinale. Das komplettierte Portugal, das nach einer Internet-Umfrage der Fifa zur unterhaltsamsten Mannschaft des Turniers gewählt wurde. Dabei reduzierte sich der Unterhaltungswert des grausamen Spiels gegen England im Grunde auf das Elfmeterschießen nach zwei torlosen Stunden. Hier erfuhr das englische Trauma in dieser Disziplin seine Fortsetzung.

Nur Owen Hargreaves war in der Lage, Torwart Ricardo zu überwinden, drei Engländer scheiterten und verhalfen ihm zu einem WM-Rekord. Englands Trainer Sven-Göran Eriksson sprach sich von aller Schuld frei: „Wir haben im Training immer wieder Elfmeterschießen geübt. Ich weiß nicht was man sonst hätte tun können.“ Zu allem Übel war Wayne Rooney vom Platz geflogen und der ausgewechselte David Beckham trat als Kapitän zurück. Im Gefühl, nie mehr Weltmeister zu werden.

Vier Mannschaften träumten noch davon. Am 4. Juli endete der deutsche Traum – gegen den alten Rivalen Italien, der bei WM-Endrunden nie bezwungen wurde, setzte es in Dortmund eine bittere 0:2-Niederlage. Bitter weil es keine Gelegenheit mehr gab, zurückzuschlagen, nicht weil es unverdient gewesen wäre.

"Ihr seid trotzdem Helden"

Italien war während der 90 Minuten auf Augenhöhe und in der Verlängerung die bessere Mannschaft, zwei Mal traf sie den Pfosten. Und doch sah alles nach einem Elfmeterschießen aus, als der Verteidiger Fabio Grosso nach einer Ecke von der Strafraumgrenze abzog. Jens Lehmann war ohne Chance gegen den verdeckten Schuss – 0:1 in der 119. Minute. Deutschland brach kollektiv zusammen, das zweite Tor von del Piero war nicht mehr von Bedeutung. Die Bild-Zeitung erschien am nächsten Morgen mit dem Bild Jürgen Klinsmanns, der die Hände vor dem Gesicht hat und titelte: „Wir weinen mit Euch“. Etwas kleiner stand zu lesen: „Ihr seid trotzdem Helden!“

Das traf die Stimmung im Land. Zu begeisternd war diese Mannschaft aufgetreten, hatte sie ihr Land vertreten und Sympathien in aller Welt geweckt. Dass auf dem Platz und dann in der Kabine die Tränen flossen und die Wut über die Sperre für Frings hochkam – wen wunderte es? Michael Ballack, von Klinsmann in eine defensivere Rolle gedrängt bei dieser WM, klagte: „Das ist so bitter: Schon wieder habe ich ein WM-Finale verpasst.“ „Natürlich ist es kein Trost, wenn ich sage; der italienische Sieg war verdient“, schrieb Bild-Kolumnist Günter Netzer. Auch nicht, dass sie bei der Ankunft im Berliner Hotel morgens um drei Uhr von 100 Fans frenetisch gefeiert wurden. Nein, zumindest eine Nacht musste vergehen, ehe der größte Schmerz nachlassen würde. Noch bis halb sechs saßen einige im Hotelgarten, schlafen konnten sie doch nicht. Nun blieb nur das Spiel um Platz 3 in Stuttgart. Gegen wen? Gegen Portugal.

Denn Frankreich setzte seine Serie der knappen Siege fort und gewann mit 1:0 – schmucklos durch einen Elfmeter von Zidane, aber wen störte es? 22 Millionen Franzosen saßen am 5. Juli vor dem Fernseher, mehr denn je bei einem Spiel der L’Equipe tricolore“. „Zidane katapultiert Frankreich ins Finale“, jubelte die Zeitung Le Parisien, während sein Freund und Ex-Kollege bei Real Madrid weinte: Luis Figo trat aus der portugiesischen Nationalmannschaft zurück.

Nun hatte die WM ein Finale, auf das nur wenige getippt hatten: Frankreich und Italien fuhren nach Berlin. Deutschland verließ die Hauptstadt dagegen, um sich am Vortag anständig von seinem Publikum zu verabschieden. Der gute Vorsatz gelang. Obwohl Klinsmann einige Umstellungen vornahm und mit Ausnahme des dritten Torwarts Timo Hildebrand allen noch nicht gebrauchten Akteuren zu einem WM-Einsatz verhalf, bot die Mannschaft ein letztes Mal ein begeisterndes Spiel. Bastian Schweinsteiger, gegen Italien plötzlich Reservist, hatte seinen größten Tag bei dieser WM und schoss nach der Pause zweieinhalb Tore. Petits Eigentor wäre ohne seinen Schuss niemals gefallen. 3:1 hieß es nach 90 Minuten, wobei Oliver Kahn in seinem letzten Länderspiel noch in vorletzter Minute von Gomes bezwungen wurde. Schon im Stadion, aber noch mehr bei der Rückkehr zum Hotel spielten sich berauschende Szenen in Stuttgart ab. Zehntausende erwarteten morgens um eins den Mannschaftsbus und feierten die Hauptdarsteller des Sommermärchens. „Danke Jungs für vier tolle WM-Wochen. Stuttgart ist stolz auf Euch!“, stand auf einem Transparent, das in jeder anderen Stadt auch hätte hängen können. Noch bis morgens um sieben feierten die Spieler ihre WM-Party und Schweinsteiger erzählte, wie es sich anfühlt, von der Kanzlerin ein Küsschen bekommen zu haben.

Zidane verliert die Nerven

Dieser grandiosen WM fehlte nur noch ein würdiges Finale. Italien und Frankreich gaben sich alle Mühe, aber als es um 23.03 Uhr zu Ende war, sprachen nur wenige vom Niveau dieses Spiels. Alle Debatten drehten sich um einen Mann: Zinedine Zidane. Frankreichs Superstar hatte zunächst sein Team mit einem gewagten Elfmeter-Schlenzer an die Lattenunterkante in Führung gebracht, aber weit nach Materazzis schnellem Ausgleich zur Verzweiflung getrieben. In der Verlängerung provozierte ihn Materazzi mit einer abfälligen Bemerkung über seine Schwester und der stolze Zidane verlor die Nerven. Er rammte dem Italiener seinen Kopf vor die Brust und der vollendete die Posse und stürzte schreiend zu Boden. Schiedsrichter Elizondo aus Argentinien schickte ihn vom Platz, es geschah Zidane schon zum 14. Mal in seiner Karriere. Die zehn Minuten in Unterzahl überstand Frankreich zwar, aber nun fehlte der sicherste Elfmeterschütze. Es kam, was kommen musste: Italiens Spieler behielten im Gegensatz zum Finale von 1994 die Nerven und trafen sämtlichst, dagegen verschoss David Trezeguet als einziger. Italien war zum vierten Male Weltmeister geworden, jeder Spieler um 250.000 Euro reicher.

Franz Beckenbauer kommentierte das so: „Die Italiener gestalteten das Elfmeterschießen wie sie im gesamten Turnier aufgetreten waren. Clever und fehlerfrei, ohne allzu viel Zauber. So gewinnt man vielleicht nicht alle Herzen, aber Titel.“ Italien feierte trotzdem ausgelassen, Trainer Marcello und seine Helden wurden am folgenden Montag im Parlament empfangen, ehe sie wie einst die Cesaren durch Rom kutschiert wurden.

Nun war es Zeit, Bilanz zu ziehen. Der Kicker schrieb: „Diese 18. Weltmeisterschaft war die schönste, stimmungsvollste, emotionalste, bestorganisierte, bestbesuchte, kostspieligste aber auch ertragreichste WM aller Zeiten.“ Das Organisationskomitee erwirtschaftete einen Gewinn von 135 Millionen Euro, nur ein Mal (1994 in den USA) waren noch mehr Zuschauer gekommen als 2006 (3,35 Millionen), obwohl nun alle Spiele ausverkauft waren. Einmalig! Miroslav Klose wurde als zweiter Deutscher nach Gerd Müller (1970) WM-Torschützenkönig. Am schönsten aber ist die Feststellung, dass die Welt wohl nie ein besseres Bild von Deutschland gehabt als in jenem wunderbaren Sommer 2006.

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Das Jahr der WM in Südafrika läuft: Zum 19. Mal spielen im Sommer die besten Mannschaften der Welt um die begehrteste Trophäe, zum ersten Mal auf dem afrikanischen Kontinent. DFB.de-Autor Udo Muras erinnert in einer WM-Serie an kuriose Geschichten der Turnierhistorie.

Teil 18: Die WM 2006 in Deutschland

Im Jahre 1844 schrieb Heinrich Heine sein anrührendes Reisegedicht „Deutschland – Ein Wintermärchen“. Es handelt von einer unerfüllten Liebe und zugleich der Liebe zu seinem Land, das er nach einjährigem Exil wieder besuchte. Es ist heute noch ein Begriff und zumindest in literarischen Zirkeln bestens bekannt. Von Fußball handelte es nicht. Wie auch? Es war noch lange nicht die Zeit da ein Ball alle Welt in seinen Bann zu ziehen vermochte. 2006 erlebte Deutschland sein Sommermärchen und dieses Etikett ist Menschen in aller Welt bis dato ein Begriff, wie belesen sie auch sein mögen.

Es hatte keinen Dichter, aber viele Schöpfer und tausende Darsteller. Der Regisseur Sönke Wortmann gab seinem erfolgreichen Dokumentationsfilm über die aufregenden WM-Tage im Kreise der deutschen Mannschaft diesen Titel, der längst für das gesamte Turnier steht. Die 18. Fußball-Weltmeisterschaft übertraf auch fernab des Sportlichen alle Erwartungen. Kicker-Chefredakteur Rainer Holzschuh muss über seherische Fähigkeiten verfügt haben, als er im Sonderheft vor dieser WM schrieb: „Diese WM 2006 wird eine große, eine fantastische WM. Womöglich eine Kult-WM!“

Das wurde sie, denn sie erreichte ein wahrlich lohnendes Ziel: Fußball als Völker verbindendes Element, wohl nie hat es eine bessere Demonstration dieses Anspruchs gegeben. Die Gründerväter der WM-Idee würden sich bestätigt gesehen haben in jenem deutschen Sommer: Gemeinsam auf den Straßen beim Public Viewing in den WM-Städten feiernde Gäste aus 31 Nationen, die von den Gastgebern überaus freundlich aufgenommen wurden, prägten diese Weltmeisterschaft. Es war ein überwiegend friedliches Fest, zu dem auch der Himmel lachte – vier Wochen Sonnenschein. „So stellt sich der liebe Gott die Welt vor“, sagte Franz Beckenbauer, der als OK-Chef in jenen Tagen mit dem Helikopter durch die Lande flog und wirklich jedes Spiel sah, das möglich war. Nur ein Mal fehlte er – um zu heiraten. Fußball ist eben doch nicht alles.

14 Jahre Vorlauf hatte die deutsche Bewerbung um die zweite WM-Endrunde (nach 1974) genommen. Am 22. September 1992 hatte der DFB beschlossen, sich um die WM 2006 zu bewerben, am 1. Juni 1993 wurde die FIFA offiziell informiert. „Wir ermitteln den erklärten Wunsch von 5,3 Millionen Mitgliedern im DFB, aber auch den Wunsch unseres Landes, nach der Weltmeisterschaft 1974 und der Europameisterschaft 1988 zum dritten Mal eine außergewöhnliche Veranstaltung für die große Familie des Fußballs durchführen zu dürfen“, schrieb DFB-Präsident Egidius Braun an Fifa-Präsident Joao Havelange. Als am 6. Juli 2000 in Zürich die Entscheidung fiel, war Havelange nicht mehr an der Macht, sein Nachfolger Josef Blatter hatte übernommen. Er durfte dann auf Englisch die legendären Worte sagen: „And the winner is…Deutschland!“

"Die Welt zu Gast bei Freunden"

Damit hatten sich die immensen Anstrengungen des DFB, dessen Bewerbung 37 Kilogramm wog (1200 Seiten) und insbesondere die von Globetrotter Beckenbauer, bezahlt gemacht. Der hatte im Mai 2000 sogar die Meisterschaft seines FC Bayern, dessen Präsident er war, verpasst, weil er in Samoa auf Stimmenfang war. Letztlich bekam Deutschland eine hauchdünne Mehrheit von 12:11 Stimmen. So durfte sich Fußball-Deutschland in der Stunde tiefster Erniedrigung, gerade war man in der EM-Vorrunde ausgeschieden, aus vollem Herzen freuen. Beckenbauer sagte: „Ich bin überglücklich. Eine WM organisieren, das kannst Du nur einmal im Leben.“ Und wieder ging er auf Weltreise. Sobald das Teilnehmerfeld feststand, besuchte er binnen sechs Monaten 31 Länder, um sie persönlich nach Deutschland einzuladen. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ war das Motto dieser WM und Franz Beckenbauer lebte es glaubwürdig vor.

Fast drei Jahre lang wurden die Gäste ermittelt. Schon im September 2003 wurden in Südamerika die ersten Qualifikationsspiele ausgetragen. Kein Wunder, diesmal wollte wirklich fast die ganze Welt dabei sein, nur sieben von 204 Verbänden gaben keine Bewerbung ab. Erstmals war der Titelverteidiger nicht automatisch qualifiziert, aber Brasilien schaffte es auch zum 18. Mal – also wie immer – dabei zu sein. Argentinien, Ecuador und Paraguay folgten im Schlepptau des Weltmeisters. Uruguay blieb diesmal auf der Strecke und unterlag Ozeanien-Sieger Australien, das nach 1974 wieder zu einer WM fuhr. Immer in Deutschland durften die „Socceroos“ dabei sein.

Nord- und Mittelamerika entsandte mit den USA und Mexiko seine Dauerbrenner, Costa Rica meldete sich zum dritten Mal – und Exot Trinidad/Tobago war ein Debütant besonderer Art. Die Karibik-Insel war das kleinste Teilnehmer-Land der WM-Geschichte; 1,088 Millionen Einwohner fieberten mit den „Soca warriors“, die in Leo Beenhakker einen niederländischen Trainer hatten.

Alle Top-Teams in Deutschland dabei

Europa stellte inklusive Deutschland 14 Teilnehmer. Alle großen Namen waren dabei: England, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal die Holländer. Dennoch änderten sich die Machtverhältnisse auf dem Kontinent, wo plötzlich Länder wie Kroatien, Serbien-Montenegro oder die Ukraine als Gruppensieger firmierten. Lange Gesichter gab es in der Türkei. Der WM-Dritte von 2002 scheiterte in zwei von Ausschreitungen überschatteten Entscheidungsspielen an der Schweiz. Tschechien kam durch die Hintertür gegen Norwegen zur WM, Nachbar Polen nahm den Haupteingang. Ebenso wie die Schweden, die die meisten Tore (30) aller Qualifikanten in Europa erzielten.

Afrika erhielt erneut fünf Startplätze und entsandte neben Tunesien noch vier absolute WM-Neulinge: in Togo, der Elfenbeinküste, Ghana und Angola. Togo reiste mit einem deutschen Trainer zur WM, Otto Pfister übernahm noch 111 Tage vor der Endrunde das Amt und sollte einige Kapriolen erleben. In Asien setzten sich in Saudi-Arabien, Südkorea, Japan und Iran ausnahmslos Länder mit WM-Erfahrung durch, während dem Bahrain in den Ausscheidungsspielen mit Trinidad seine Premiere versagt blieb.

Der deutschen Mannschaft blieb die Last einer Qualifikation erspart und der neue Trainer Jürgen Klinsmann nutzte die zweijährige Vorbereitungszeit zum Experimentieren. 37 Spieler setzte der Weltmeister von 1990 ein, darunter elf Debütanten. Überhaupt standen mit seinem Amtsantritt die Zeichen mehr denn je nach einem Trainerwechsel auf Veränderung. Jeden Stein wolle er umdrehen und alles hinterfragen, kündigte Klinsmann kämpferisch an. Noch besser gefiel den Fußballfreunden im Land, was der Nachfolger Rudi Völlers am 29. Juli 2004 bei seiner Vorstellung sagte: „Die Fans haben den Wunsch und die große Hoffnung, dass wir 2006 im eigenen Land Weltmeister werden. Das ist auch meine Zielsetzung.“ Mutige Worte nach einem erneuten Aus in der Vorrunde einer Europameisterschaft, Titel-Träume in der Stunde Null. Doch Klinsmann ging ans Werk. Geradlinig und kompromisslos.

Amerikanische Fitnesstrainer brachte der Wahl-Kalifornier mit, sein früherer Sturmpartner Oliver Bierhoff übernahm den neugeschaffenen Posten des Managers, ein Psychologe wurde eingestellt, man trennte sich von Torwarttrainer Sepp Maier. Auch die Torwarthierarchie hinterfragte Klinsmann, was schon mit der Absetzung Kahns als Kapitän deutlich wurde.

Nun führte Michael Ballack die Mannschaft ins Spiel. Und zuweilen trug sie rote Trikots. Ein Bruch mit der DFB-Geschichte und äußeres Zeichen für die neue Zeitrechnung. Alle sollten sehen: Deutschland spielt künftig wieder aggressiv und auf Sieg. Und das mit Tempo. Analysen hatten ergeben, dass der deutsche Fußball zu langsam war im internationalen Vergleich, zu viele Ballkontakte gingen dem Spiel in die Spitze voraus. Das wollte der Reformer ändern und an seiner Seite stand der Mann für die Taktik: Joachim Löw, dem er im Juli 2004 24 Stunden Bedenkzeit gab, sein Assistent zu werden. Der heutige Bundestrainer ließ sich nicht lange bitten. Erfolge zeichneten die ersten Monate der Klinsmann-Ära aus. Das Auftreten war in der Tat ein anderes und schwungvolle Typen wie Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski verkörperten das neue Selbstvertrauen.

Confed Cup lässt Vorfreude wachsen

Bei der WM-Generalprobe, dem Confed Cup 2005, glückte auch der Schulterschluss mit dem Publikum und der dritte Platz mit beachtlichen Spielen die Fußballmächte Argentinien (2:2) und Brasilien (2:3) wurde allseits bejubelt. Die Vorfreude wuchs und konnte auch von Bedenkenträgern der Stiftung Warentest, die im Januar 2006 vier der 12 WM-Stadien Sicherheitsmängel attestierten, nicht gebremst werden.

Doch ausgerechnet im WM-Jahr gab es erste sportliche Rückschläge: die sich bisher auf Nebensächlichkeiten wie Klinsmanns häufige Abstinenz – Huntington Beach blieb sein Hauptwohnsitz – konzentrierende Kritik nahm bedenkliche Ausmaße an, als die Mannschaft am 1. März 2006 in Florenz Italien 1:4 unterlag. Einige hatten es schon vorher gewusst: Zehn Spieler standen in Klinsmanns Kader, die in ihren Vereinen aus den verschiedensten Gründen nicht zu den Stammskräften zählten. „Nationalteam der Reserve“ titelte die Welt am Sonntag einen Vorbericht auf das Florenz-Fiasko, nachdem sich Abgeordnete aus dem Deutschen Bundestag zu Wort meldeten. Vertreter aller Parteien forderten Klinsmann auf, „dem Sportausschuss zu erklären, wie er Weltmeister werden will.“

Debatten um den richtigen Sportdirektor – Klinsmann wollte Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters installieren, der DFB setzte Matthias Sammer durch – und verärgerte Spieler wie der ausgeladene Christian Wörns, trübten die Vorfreude auf die WM. Als Klinsmann dann einem WM-Workshop fernblieb, zu dem alle 31 Trainer der Gastländer erschienen waren, tobte auch der Kaiser. Franz Beckenbauer: „Der Bundestrainer des Gastgeberlandes hätte da sein müssen. Das ist überhaupt keine Frage, das ist ein Pflichttermin und so viele Pflichten hat er ja nicht.“

Das Presseecho im März 2006 war verheerend. Im Focus schrieb Chefredakteur Helmut Markwort: „Die besten Fußballspieler des Landes werden einem Träumer überlassen, einem Einzelgänger, der mehr Guru ist als Stratege. Ein Anfänger und ein Besserwisser – eine gefährliche Mischung.“ Sollte es sich doch rächen, dass der DFB im Juli 2004 den Tipp von Berti Vogts gefolgt war – „Ruft doch mal den Jürgen an“ – und sich einen Trainer-Novizen aus Amerika geholt hatte?

Auch den Sturm der Entrüstung über die Demontage von Oliver Kahn, der einen Tag vor einem Spiel in Bremen erfuhr, dass Jens Lehmann bei der WM die Nummer eins sein würde, überstand Klinsmann. „Klinsi killt King Kahn“, titelte die Bild am 8. April. Klinsmann sprach von der „schwersten Entscheidung meiner jungen Trainer-Karriere.“

Kahn zeigt Größe

„Wir alle halten diese Entscheidung für falsch!“, schrieb Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge im Stadionheft in einem offenen Brief an Kahn, „Du bis zu Recht enttäuscht“. Alle Welt rechnete nun mit Kahns Rücktritt, doch der zeigte auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz zwei Tage nach der Degradierung wahre Größe: „Die Weltmeisterschaft im eigenen Land ist wichtiger als die Person Oliver Kahn.“, sagte er und betonte: „Wir brauchen eine positive Stimmung, dann kann diese Mannschaft Weltmeister werden.“ Dafür setzte er sich auch auf die Bank.

Es gab noch mehr personelle Überraschungen, als Klinsmann am 15. Mai in Berlin den Kader im Rahmen einer aufwendigen Präsentation mit 23 Filmporträts nominierte. Ohne Kevin Kuranyi, Fabian Ernst und Patrick Owomoyela, die seine Amtszeit mitgeprägt hatten – dafür mit Marcell Jansen, Mike Hanke und einem gewissen David Odonkor. Der 23jährige Dortmunder Flügelflitzer, bis dato ohne Länderspieleinsatz, verdankte sein Glück dem erneuten Verletzungspech eines Sebastian Deisler. „Er ist ein Riesentalent und bringt etwas mit, was wir dringend brauchen: Schnelligkeit, Überraschungsmoment. Mit seiner Frechheit gibt er uns Varianten.“, begründete Klinsmann den Coup.

Glückskind Odonkor musste den ganzen Tag Reporterfragen beantworten und wiederholte: „Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich werde heute Abend schlafen gehen und wenn ich morgen aufwache, hoffe ich dass es kein Traum wahr.“ Auch andere Länder hatten übrigens ihren Odonkor. Englands Trainer Sven-Göran Eriksson nominierte mit dem 17jährigen Theo Walcott von Arsenal London einen jungen Mann, der noch nie in der Premier League gespielt hatte und erntete viel Spott. Dennoch glaubte Eriksson an den Titel und sprach von der „stärksten englischen Mannschaft seit 40 Jahren“. Damals war England letztmals Weltmeister geworden. Deutschland bereitete sich derweil auf seine Gäste vor.

Rund eine Million Menschen wurden erwartet und zuhause mit allerlei guten Ratschlägen ausgestattet. Ein Benimm-Buch in den USA empfahl seinen Landsleuten vor der WM-Reise: „Lehnen Sie sich nie gegen ein fremdes Auto. Autos sind in Deutschland heilig.“ Darüber konnten die Deutschen noch lachen, weniger über die pauschale Warnung des deutschen Afrika-Rats vor „No-Go-Areas“ in Ost-Deutschland.

Ballack fehlt im ersten Spiel

Jürgen Klinsmann hatte andere Sorgen. In der Vorbereitung offenbarte die Abwehr gegen Japan (2:2) große Schwächen, zudem verletzten sich seine Säulen Michael Ballack und Philipp Lahm in Testspielen gegen Amateure. Als die WM am 9. Juni endlich begann, saß Ballack tatsächlich auf der Bank – wenngleich er sich selbst für einsetzbar erklärte. Klinsmann aber lehnte ab: „Die Wade ist noch nicht da, wo sie hin muss.“

Der Gastgeber musste also ohne seinen Kapitän die WM eröffnen. Zum Glück wartete in München mit Costa Rica keine unlösbare Aufgabe. „WM-Rekord gegen Costa Gurka?“, fragte Bild zwei Tage vor dem Anpfiff despektierlich und bekam sogar Recht. Der offiziellen Eröffnung, nach einem von bayerischer Folklore geprägten Showprogramm, durch Bundespräsident Horst Köhler folgte fünf Minuten und zehn Sekunden nach dem Anpfiff die fußballerische: Philipp Lahm, mit einer dicken Manschette an der verletzten linken Hand, umkurvte seinen Gegenspieler und drosch den Ball vom Strafraumeck in den Winkel. 1,5 Milliarden TV-Zuschauer waren weltweit Zeuge. „Das war das Tor meines Lebens“, strahlte der Münchner hinterher. Mit einem Urknall hatte Deutschland seine eigene WM eröffnet.

Am Ende stand nach weiteren Treffern von Miroslav Klose (2) und Torsten Frings ein 4:2 und das torreichste Eröffnungsspiel aller Zeiten. Die beiden Gegentore aber beunruhigten die Experten. Bayern-Manager Uli Hoeneß sprach vielen aus dem Herzen: „Gegen andere Teams dürfen wir uns diese Abwehr-Schnitzer nicht erlauben.“ Das fand auch die Mannschaft und so traf sich die Defensivabteilung nach dieser Partie mit dem Trainerstab zur Analyse. Fortan sollte es besser werden. Obwohl auch die Gegner besser wurden. In Dortmund kämpfte Polen in einem dramatischen Spiel bis in die Nachspielzeit aufopferungsvoll und in Unterzahl – zehn gegen zwölf hieß es in den letzten 15 Minuten, als Sobolewski vom Platz geflogen und das Publikum der zwölfte Mann war. Es sah alles nach einem 0:0 aus, als Klose und Rückkehrer Ballack in der 90. Minute binnen Sekunden jeweils die Latte trafen. Wieder tat dann der Sturm seine Pflicht, wenn auch nicht die erste Reihe. Dafür stachen Klinsmanns Joker: In der 91. Minute entwischte David Odonkor seinen Bewachern und flankte nach innen, wo sich Oliver Neuville schon aufhielt. Mit langem Bein markierte er im Fallen das 1:0, das so etwas wie die Initialzündung für eine gelungene WM bedeutete. Somit hatte sich Odonkors Nominierung schon bezahlt gemacht. Das Publikum zweckentfremdete in seiner Euphorie den Pokal-Hit und sang „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ – also ins WM-Finale.

Trauer dagegen bei den rund 25.000 Polen, für ihre Auswahl war nach der zweiten Niederlage schon alles vorbei.

Vorrunde verläuft für DFB-Team ohne Probleme

Das nächste Spiel führte die Mannschaft bereits nach Berlin, wo sie im Schloßhotel Grunewald ohnehin ihr komfortables Quartier aufgeschlagen hatte. Gegen Ecuador ging es nur noch um den Gruppensieg, auch die Mittelamerikaner waren bereits weiter. Klinsmann aber drohte, er nehme jeden nach 20 Minuten heraus, der einen Gang zurückschalte. So sahen 72.000 ein ungefährdetes 3:0 und die Tore waren Stürmersache: Miroslav Klose traf wieder doppelt und nun erschien auch der Name des Kölners Lukas Podolski erstmals auf der Anzeigetafel. Mit drei Siegen war nur 1970 eine deutsche Mannschaft durch die Vorrunde spaziert, es lief besser als gedacht.

Ausgerechnet Dauer-Optimist Klinsmann gab den Nörgler: „Das war eine Nummer schlechter als gegen Polen und haben sogar nach hinten gespielt. Das kann ich gar nicht sehen.“ Franz Beckenbauer aber setzte einen Kontrapunkt in der öffentlichen Bewertung und schrieb in der Bild-Zeitung: „Mit jedem Spiel spürt man, dass da etwas zusammenwächst. Hoffentlich der neue Weltmeister! Die ersten drei Spiele haben dem Land den Glauben an die Mannschaft zurückgegeben. Auch ich habe gestern begeistert das Berliner Olympiastadion verlassen.“ Von den Abwehrproblemen sprach nach dem zweiten Spiel ohne Gegentor niemand mehr und eine Stammelf hatte sich auch schon etabliert – eher ungewöhnlich für ein Turnier. Andere Favoriten hätten sich eine solche Vorrunde sicher auch gewünscht, doch drei Siege schafften nur noch Brasilien und Spanien. Immerhin blieb das Favoritensterben wie noch 2002 diesmal aus.

England tut sich schwer

In Gruppe B mühte sich England dennoch stark ab, um Platz 1 zu erreichen. Trotz allerhöchster Unterstützung. Prinz William saß beim Auftaktspiel gegen Paraguay in Frankfurt auf der VIP-Tribüne und drückte ebenso wie 25.000 „normale“ Fans die Daumen. Schon nach drei Minuten half es, ein Eigentor nach Beckhams Freistoß besorgte die Führung. Doch mehr kam nicht heraus an diesem ungewöhnlich heißen Tag, bis zum Abpfiff zitterte England um den Sieg.

Auch im zweiten Spiel taten sich die Engländer gegen Trinidad und Tobago schwer und erzielten die beiden Tore zum 2:0 erst in der Schlussphase. Nur im letzten Spiel gegen Schweden konnten die Briten, die den angeschlagenen Wayne Rooney nur als Teilzeitkraft einsetzten, phasenweise überzeugen. In einer hochklassigen Partie kassierte die englische Elf den 2:2-Ausgleich erst in der letzten Minute. Aber auch ohne Henrik Larssons Tor hätten die Schweden das Achtelfinale erreicht, denn Trinidad und Paraguay waren praktisch bereits aus dem Rennen.

Dabei hatten die Karibik-Kicker zuvor den Schweden sogar einen Punkt abgetrotzt und eine Halbzeit in Unterzahl ohne Gegentor überstanden. Und gegen England, das sah alle Welt am Bildschirm, hatten sie ein irreguläres Tor bekommen, weil der lange Peter Crouch seinen Gegenspieler an den Rastalocken zog, ehe er einköpfte. Trinidad fuhr zwar nach dem abschließenden 0:2 gegen Paraguay ohne Tor, aber doch voller Stolz nach Hause. „Vor dem Spiel war doch eigentlich nur die Frage, ob wir die Spiele 0:5, 0:6 oder 0:8 verlieren“, sagte Trainer Leo Beenhakker, einer von vier Holländern auf den Trainerbänken bei dieser WM.

Ganz anders die Stimmung bei Paraguay, das als Geheimtipp in das Turnier gestartet war. Zwei 0:1-Niederlagen bestraften die zu defensive Spielweise. "Wir haben das bekommen, was wir verdient haben“, sagte ein selbstkritischer Trainer Anibal Ruiz, währen die Zeitung ABC titelte: „Das ganze Land weint.“

Bemerkenswert war in dieser Gruppe noch das schwedische Ausgleichstor gegen England zum 1:1, denn es war zugleich das 2000. der WM-Historie seit 1930. Die Klatschspalten füllten dagegen die englischen Spielerfrauen, die sich in Baden-Baden einquartiert hatten und die Puppen tanzen ließen. Ein Bar-Besitzer schätzte den Konsum der allabendlich aufkreuzenden Gruppe auf rund 45.000 Euro und wurde so zitiert: „Die Damen haben so viel getrunken, Nacht für Nacht, und dabei so viel Geld ausgegeben. So was haben wir noch nicht gesehen.“

Argentinien und Niederlande dominieren Todesgruppe

Jede WM hat bekanntlich ihre Todesgruppe, in Deutschland war es die Gruppe C. Mit Argentinien, der Niederlande, der Elfenbeinküste und Serbien-Montenegro trafen zwei WM-Favoriten und zwei Geheimtipps zusammen. Umso überraschender, dass nach dem zweiten Spieltag die Luft schon raus war. Argentinien und Holland kamen weiter und leisteten sich im im Vorfeld mit großer Spannung erwarteten letzten Spiel in Frankfurt ein 0:0.

Die Südamerikaner gewannen zunächst in einer der besten Partien des Turniers gegen die Elfenbeinküste 2:1, um im zweiten Gruppenspiel das desolate Team aus Serbien und Montenegro mit 6:0 zu besiegen. Vor dem 2:0 durch Cambiasso wanderte der Ball über 25 Stationen durch die Reihen der Argentinier. Verzückt tanzte Diego Maradona mit Anhang auf der Tribüne und lieferte den Kameraleuten amüsante Bilder. In der Nacht zuvor hatte er weniger Grund zur Freude, auf der A2 bei Hamm-Uentrop machte er Bekanntschaft mit einem deutschen Verkehrspolizisten: 200 Euro Bußgeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Die Holländer landeten punktgleich hinter Argentinien auf dem zweiten Platz und überzeugten diesmal besonders in der Defensivarbeit. Sie kassierten nur ein Tor, Barcelonas Mark van Bommel räumte vor dem Mittelfeld ab und rannte gegen Serbien sogar Schiedsrichter Markus Merk über den Haufen. Unabsichtlich, natürlich. In dieser Partie erzielte der zweite heutige Bayern-Star Arjen Robben den einzigen Treffer, gegen die Elfenbeinküste (2:1) traf auch Tormaschine Ruud van Nistelrooy. Nach dieser Partie war Afrikas Flaggschiff zum allgemeinen Bedauern bereits ausgeschieden. Sie starben in Schönheit, suchten stets die Offensive und lagen in der ersten Hälfte mit 0:2 in Rückstand. Gegen die Favoriten aus Argentinien und Niederlande konnte man nur noch auf 1:2 verkürzen, erst gegen Serbien und Montenegro reichte es im unbedeutendsten Spiel zum ersten WM-Sieg (3:2) des Landes. Danach traten beide Trainer zurück. Die Ivorer waren immerhin ein Farbtupfer dieser WM und die Mutter von Weltstar Didier Drogba kochte in Hamburg sogar einheimisches Essen für die Fans.

Serbien und Montenegro war die große Enttäuschung. In der Qualifikation hatten sie in zehn Spielen nur ein Gegentor kassiert, aber im WM-Sturm brachen alle Dämme. Nach dem 0:6 gegen Argentinien sagte der zerknirschte Trainer Ilija Petkovic: „Es war eines der schlimmsten Ergebnisse in unserer Fußballgeschichte. Davon werden noch Generationen reden.“ Der Frust war so groß, dass einige Funktionäre und zwei Spieler schon vor dem letzten Spiel abreisten.

Portugal mit ungewohnten Stärken

In Gruppe D gab Portugal den Ton an. Nicht gerade begeisternd und überraschend defensiv bewältigten die Spieler von Felipe Scolari ihre Pflichtübungen. Gegen den krassen Außenseiter aus Angola verwaltete sie das frühe 1:0 durch den Rekordtorjäger des Landes, Pauletta, bis zum Schlusspfiff. Auch gegen den Iran ließen sie kein Tor zu und als die Stars Deco und Cristiano Ronaldo mit Distanzschüssen trafen, konnten sie bereits den Einzug ins Achtelfinale feiern. Gegen Mexiko durften Reservisten ran, dennoch reichte es zu einem 2:1 und zum Gruppensieg.

Mexiko trauerte nicht, auch die Mittelamerikaner kamen weiter. Gepunktet hatten sie schon vorher: Dem mühevollen 3:1 gegen den Iran folgte ein enttäuschendes 0:0 gegen die WM-Neulinge aus Angola. Die Afrikaner gehörten zu den positiven Überraschungen des Turniers. Obwohl das Team praktisch nur aus Spielern unterklassiger europäischer Vereine bestand, hielt die Mannschaft in allen Vorrundenpartien mit. Doch zwei Punkte (zwei Mal 1:1) waren letztlich zu wenig. Trainer Goncalves aber stellte fest: „Wir haben unser Ziel erreicht und der Welt gezeigt, dass Angola nicht nur mit Bürgerkrieg und Armut zu verbinden ist.“

Der Iran blieb dagegen weit hinter seinen Zielen zurück. Konditionelle Schwierigkeiten und atmosphärische Störungen belasteten die Leistungsfähigkeit der Perser. Die Rolle des 37jährigen Sturmführers Ali Daei, nur noch ein Schatten seiner selbst, war umstritten. Als Bayern Münchens Ali Karimi im letzten Spiel gegen Angola eingewechselt werden sollte, weigerte er sich: „Ich habe Probleme mit Ali Daei und Trainer Ivankovic“, erklärte er später. So endete auch die dritte WM-Teilnahme der Iraner nach der Vorrunde.

Italien und Ghana setzen sich in Gruppe E durch

In der Gruppe E gab es eine Sensation. Nicht wegen Italien, das erwartungsgemäß den Sieg einfuhr. Das Team bezwang den WM-Neuling aus Ghana mit 2:0, ließ beim 1:1 gegen die USA etwas nach und schoss im letzten Spiel den ersatzgeschwächten Geheimtipp aus Tschechien aus dem Turnier (2:0). Begeistern konnte Marcello Lippis Squadra Azzurra weniger, manche Beobachter sprachen vom Comeback des Catenaccio. Die Sensation aber vollbrachte WM-Neuling Ghana, den die Auftaktniederlage gegen Italien nicht umwarf. Besonders gegen die starken Tschechen zeigten die Afrikaner eine berauschende Leistung und gewannen hochverdient mit 2:0. Dabei gelang Gyan das schnellste WM-Tor 2006 – schon nach 68 Sekunden. Das Kölner Publikum feierte den Außenseiter und sang „Steht auf, wenn ihr Ghana seid“. Gegen die USA hätte im letzten Spiel auch ein Unentschieden gereicht, durch den 2:1-Erfolg wurde Platz zwei jedoch souverän eingefahren.

Dass stattdessen die Tschechen würden abreisen müssen, ahnte niemand der sie beim 3:0 über die USA sah. Die Dortmunder Tomas Rosicky (2) und Jan Koller schossen die Tore, doch Koller verletzte sich und kam nicht mehr zum Zuge. Weitere Ausfälle warfen das Team von Karel Brückner aber aus der Bahn, weder gegen Ghana noch gegen Italien kamen die Tschechen noch zu einem Tor. Wie auch: Mit Milan Baros war nur noch ein Stürmer einsatzfähig und auch der musste nach einer Stunde mit Schmerzen vom Feld. So endete die Ära einer großen Spielergeneration, deren Protagonisten 1996 noch Vize-Europameister gewordne waren. Nedved, Poborsky und Smicer nahmen ihren Abschied.

Die USA musste sich mit Platz vier begnügen. Am Ende blieb es bei nur einem Punkt aus drei Spielen und bei der Beteiligung an einem unrühmlichen Rekord: im Spiel gegen Italien wurden drei Spieler des Feldes verwiesen (davon zwei Amerikaner), das hatte es erst drei Mal in der WM-Geschichte gegeben.

In Gruppe F enttäuschte Brasilien seine Anhänger trotz eines Welt-Rekordes. Nur in der zweiten Halbzeit gegen Japan (4:1) spielte die Selecao wie ein Weltmeister, davor dominierten Kalkül und Ergebnisverwaltung. Kroatien und Australien standen jeweils dicht vor einem Punktgewinn und Japan führte sogar, ehe Ronaldo mit dem Halbzeitpfiff den Ausgleich köpfte. Und doch: nach der Vorrunde hatte Brasilien sein zehntes WM-Spiel in Serie gewonnen – nach dem Siegeszug von 2002 – und eine neue Bestmarke aufgestellt. Doch die Diskussionen drehten sich weniger darum als vielmehr um die überflüssigen Pfunde bei Torjäger Ronaldo (94, 7 Kilo), von der Bild-Zeitung flugs in „Pummelnaldo“ umgetauft. Selbst Mitspieler Kaka stichelte nach dem 1:0 über Kroatien: „Ein bisschen mehr Bewegung würde der ganzen Mannschaft gut tun.“ Gegen Japan trieb ihn diese Kritik immerhin zu zwei Treffern. Bei dieser Partie sang übrigens auch der gegnerische Trainer die Nationalhymne Brasiliens: Zico, „der weiße Pelé“, konnte seine Herkunft nicht verleugnen und bewegte seine Lippen.

Australien schockt Japan

Das kleine Wunder, das man in Japan von ihm erwartete, konnte er aber nicht bewirken. Dafür qualifizierte sich Australien überraschend für das Achtelfinale. Mitentscheidend war das 3:1-gegen Japan in Kaiserslautern durch drei späte Tore in den letzten sechs Minuten. Joker Tim Cahill traf stach zwei Mal und fand hinterher pathetische Worte: „Das waren die dramatischsten zehn Minuten im australischen Fußball, das wird in die Geschichte eingehen.“

Gegen Brasilien wurde die Elf von Guus Hiddink nicht belohnt, die 0:2-Niederlage fiel zu hoch aus. Dennoch reichte im letzten Gruppenspiel ein Punkt gegen Kroatien für das Weiterkommen, der in einem packenden Spiel auch geholt werden konnte. Zwei Mal holten die Australier einen Rückstand auf und warfen die mit fünf Bundesliga-Legionären angetretenen Kroaten aus dem Turnier. So überstand erstmals ein Team aus Ozeanien die Gruppenphase. In dieser Partie wurde noch mehr Geschichte geschrieben: Schiedsrichter Graham Poll zeigte Hertha-Verteidiger Joe Simunic drei Mal die Gelbe Karte – in der 61., 90. und 93. Minute – ehe er ihn vom Feld schickte.

In den offiziellen Fifa-Statistiken kommt die dritte Verwarnung nicht vor, gesehen aber hat sie jeder. Fifa-Chef Sepp Blatter konnte sich kaum beruhigen: „So ein Fehler darf nicht vorkommen, das ist nicht zu verzeihen.“ Unverzeihlich wie der Auftritt Kroatiens, das seine Fans enttäuschte. Zwar nie chancenlos, blieb die Mannschaft aber ohne Sieg. Ein verschossener Elfmeter von Srna beim 0:0 gegen Japan brach dem WM-Dritten von 1998 das Genick. Und Japan blieb nichts außer diesem einen Punkt.

Schweiz überzeugt in der Defensive

In Gruppe G fielen nur elf Tore, Gruppensieger Schweiz überstand die Vorrunde ohne Gegentreffer. Zu Buche standen zwei 2:0-Erfolge gegen Togo und Südkorea und wie in der Qualifikation trennten sich die Eidgenossen von Frankreich zum dritten Mal Unentschieden. Das 0:0 ließ in Frankreich böse Erinnerungen an 2002 wach werden, als der damalige Titelverteidiger gänzlich ohne Tore blieb. Thiery Henry brach gegen Südkorea zwar den Bann, aber zu Jubeln gab es doch nichts – die Asiaten glichen noch aus. Auch weil ein Tor von Vieira nicht gegeben wurde. Trainer Raymond Domenech rief nach technischen Hilfsmitteln. „Wir Franzosen waren schon immer für den Videobeweis.“ Blatter nahm ihm alle Hoffnung: „Solange ich Präsident bin, wird es den Videobeweis nicht geben.“

Gegen Togo reichte es auch ohne Hilfsmittel und ohne den gesperrten Zinedine Zidane zum ersten Sieg (2:0) und somit zum Achtelfinale. Südkorea konnte nicht an die Erfolge bei der Heim-WM 2002 anknüpfen, als man das Halbfinale erreichte. Nur gegen Togo (2:1) gewannen die Asiaten, gegen Frankreich nutzten sie glücklich ihre einzige Torchance zu einem 1:1. Im letzten Spiel gegen die Schweiz (0:2) versagten den Spielern von Dick Advocaat die Nerven und so ging es wieder mal nach Hause.

Das schlechteste Bild aller Mannschaften gab jedoch Togo ab. Weniger sportlich, trotz dreier Niederlagen. Das westafrikanische Team lieferte ein tagelanges Stück aus dem Tollhaus. Schon vor Beginn des Turniers gab es einen Prämienstreit, die Spieler forderten die vereinbarten 50.000 Dollar für die Qualifikation und bestreikten schließlich das Training von Otto Pfister. Der Deutsche trat zurück und in Landsmann Winfried Schäfer stand schon ein williger Nachfolger parat. Aber es kam zu keiner Einigung: „Ich habe die Schnauze voll. Ich kann es nicht mehr hören. Ich warte auch nicht mehr auf einen Anruf. Es ist ein Chaos, was hier herrscht. Es sind viel zu viele Leute drum herum.“, zeterte Schäfer. Für die Bild-Zeitung richtete Togo gar „das größte Chaos der WM-Geschichte“ an.

Da setzte sich die Mannschaft für den bereits abgereisten Pfister ein und so saß der 68jährige nach dreitägiger Abstinenz plötzlich doch auf der Bank – bis Turnierende.

Einseitige Gruppe H

In Gruppe H gab es klare Fronten. Spanien und die Ukraine qualifizierten sich souverän, Tunesien und besonders Saudi-Arabien waren nicht konkurrenzfähig und holten nur einen Punkt im direkten Duell (2:2). Spanien beeindruckte beim 4:0 gegen die Ukraine und gewann danach immer etwas niedriger (3:1 und 1:0), tat eben nicht mehr als nötig. Trotz des 0:4-Debakels gegen Spanien konnte sich die Ukraine für das Achtelfinale qualifizieren. Für die Pleite machten die Spieler übrigens auch die Frösche in ihrem Potsdamer Quartier verantwortlich: „Nachts können wir wegen des Quakens nicht schlafen. Wir wollen sie jetzt einfangen.“ Oleg Blochins Elf schaffte danach ein überzeugendes 4:0 gegen Saudi-Arabien (4:0) und ein 1:0 dank eines Elfmeter-Geschenks im entscheidenden Spiel gegen Tunesien. Star Andrej Schewtschenko sorgte in Berlin für das einzige Tor im schwächsten Spiel dieser WM und für 200.000 Euro Prämie pro Kopf. Tunesien komplettierte das afrikanische Quartett der Gescheiterten, nur Ghana überstand die Vorrunde, was Saudi-Arabien erneut versagt geblieben war. Im Achtelfinale standen zehn Europäer, vier Lateinamerikaner, ein Afrikaner und Australien.

Erneut führte der Spielplan die deutsche Mannschaft nach München und wieder ging das Publikum begeistert nach Hause. Die Schweden waren kein Hindernis an jenem herrlichen Juni-Samstag, nachdem DFB-Scout und Ex-Bundestrainer Berti Vogts sagte: „Es hat in den letzten fünf, sechs Jahren keine Mannschaft besser gespielt.“ Günter Netzer pflichtete ihm bei: „Die ersten 30 Minuten gegen Schweden waren das Beste, was ich seit langer Zeit von der deutschen Mannschaft gesehen habe.“ Lukas Podolski war der Mann des Tages, schon nach zwölf Minuten hatte er zwei Tore geschossen. Die Bild-Zeitung schrieb: „So schnell wie unsere Jungs die Ikea-Kicker vermöbelten, kann niemand ein Regal aufbauen.“ Später kam etwas Glück dazu, die Schweden verschossen durch Larsson einen Elfmeter, aber am verdienten 2:0-Seg zweifelte niemand. Klinsmann berichtete der Öffentlichkeit: „In der Kabine wurde gesungen und getanzt.“

Achtelfinal-Aus für Spanien und die Niederlande

Andere tanzten nicht mehr auf dieser WM. Holland und Spanien reisten erneut früher ab als geplant und – gemessen an der Vorrunde – erwartet. Holland führte mit Portugal einen regelrechten Fußball-Krieg und als er zu Ende war, gingen nur 18 Spieler vom Feld. Vier Platzverweise schraubten den WM-Rekord in die Höhe, acht Verwarnungen kamen hinzu. Das Bild der Sünder Boulahrouz, van Bronckhorst und Deco, die gemeinsam entgeistert im Innenraum des Nürnbergers Stadions saßen, blieb haften. In der ersten Hälfte hatte es bereits Costinha erwischt. Nach dieser Kartenorgie sah auch der russische Schiedsrichter Iwanow Rot, die Fifa zog ihn aus dem Verkehr. Die Portugiesen trösteten sich, sie hatten dank Maniches Tor 1:0 gewonnen.

Die fröhliche holländische Fan-Karawane dagegen zog gen Heimat. Die junge spanische Mannschaft (24,5 Jahre im Schnitt) kassierte im 26. Spiel von Trainer-Opa Luis Aragones (67) ihre erste Niederlage – 1:3 gegen ein wiedererwachtes Frankreich. Es war auch die Auferstehung Zidanes, der erstmals bei dieser WM auffiel. Der 34jährige bereitete in Hannover das 2:1 von Vieira vor und erzielte das 3:1 selbst. Frankreich war plötzlich wieder ein Mitfavorit um den Titel, Spanien litt weiter unter seinem WM-Fluch, nie ein Halbfinale erreichen zu können. Aragones erhielt trotzdem einen Zwei-Jahres-Vertrag und wurde Europameister 2008.

Argentinien musste gegen Mexiko in die Verlängerung, ehe Maxi Rodriguez das erlösende 2:1 erzielte. Mexiko schied hoch erhobenen Hauptes aus und im Team-Hotel in Göttingen herrschte nun wieder Rauchverbot. Es war für Trainer und Kettenraucher Ricardo La Volpe aufgehoben worden. England suchte noch immer nach seiner Form, aber gegen Ecuador reichte ein lichter Moment von David Beckham, dem nach einer Stunde ein Freistoß-Tor gelang. Kurz darauf musste er sich auf dem Platz übergeben und Bild titelte: „England mit Hängen und Würgen ins Viertelfinale“.

Elfmeter lässt Australiens WM-Traum platzen

Was aber sollte man da erst zum Dusel-Sieg der Italiener über Australien sagen. Obwohl nach Materazzis Platzverweis in Unterzahl, hielten sie ein 0:0 und in der fünften Minute der Nachspielzeit bekamen sie einen sehr zweifelhaften Elfmeter. Der spanische Schiedsrichter Cantalejo wurde zum unbeliebtesten Mann im Fritz-Walter-Stadion, wo Francesco Totti das Geschenk dankend annahm. Australiens Traum war geplatzt, die WM um eine Hoffnung ärmer. Die nächste starb nicht ganz unerwartet in Dortmund, wo Brasilien Ghana mit 3:0 schlug, ohne überzeugt zu haben. Und wieder spielte der Schiedsrichter Schicksal: Das entscheidende 2:0 Adrianos war ein klarer Abseitstreffer. Zuvor hatte Ronaldo sein insgesamt 15. WM-Tor geschossen und Gerd Müller an der Weltspitze abgelöst.

Köln sah das dramatischste Spiel, denn das Achtelfinale Ukraine – Schweiz hatte auch nach zwei Stunden noch keinen Sieger. Aber auch vom Punkt trafen die bemitleidenswerten Schweizer drei Mal (Streller, Cabanas, Barnetta) nicht und stellten zwei WM-Rekorde auf: Noch nie hatte eine Mannschaft alle Elfmeter verschossen und nie war eine Mannschaft ohne Gegentor im gesamten Turnier ausgeschieden. Im Viertelfinale waren nur die Großmächte Argentinien und Brasilien keine Europäer – und Argentiniens Weg sollte nun auch zu Ende sein. In Berlin wartete die deutsche Mannschaft. 72.000 sahen das erste schwächere Spiel ihrer Lieblinge, aber das furiose Ende entschädigte für alles.

Lehmann und der Elfer-Zettel

Argentiniens Führung durch Ayala hatte Klose per Kopfball ausgeglichen, in der Verlängerung fielen keine Tore mehr. Vor dem Elfmeterschießen flackerte ein Bild über die Anzeigetafel, das spontanen Beifall weckte: Oliver Kahn drückte Jens Lehmann die Hand und wünschte ihm Glück. „Das ist jetzt dein Ding, du machst es“. Dafür sorgte auch Bundes-Torwarttrainer Andy Köpke, der Lehmann einen Zettel mit den Vorlieben der argentinischen Schützen gab. Um den Zettel, der nach der WM für eine Millionen Euro zugunsten der Aktion „Ein Herz für Kinder“ versteigert wurde, ranken sich zahlreiche Mythen. Dabei hat er faktisch nichts gebracht, wie Lehmann kürzlich enthüllte. Der erste Schütze, Cruz traf. Der Zweite, Ayala, wählte die andere Ecke und Lehmann hielt trotzdem. Den dritten Elfmeter von Rodriguez musste er passieren lassen und Cambiasso, der vierte, stand nicht auf dem mit Bleistift beschriebenen Zettel. Dafür half Lehmann sein gutes Gedächtnis: Ihm fiel plötzlich ein Freistoß Cambiassos ein aus der Champions League-Saison; da visierte der Mann von Inter Mailand die linke Ecke an. Und dahin geht auch sein Elfmeter – aber Lehmann war schon da. Riesen-Jubel auch auf den VIP-Rängen bei der Kanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler – und bei Millionen im ganzen Land.

Nüchtern kommentierte der neue Held der Nation seine Großtaten: „Von einem deutschen Torwart wird erwartet, dass er Elfmeter hält.“ Deutschland gewann auch sein drittes WM-Elfmeterschießen und stand im Halbfinale. Jürgen Klinsmann war berauscht vor Glück: „Ich bin unglaublich stolz und dankbar. Da ist eine Mannschaft zusammengewachsen, die sagt: wir wollen Weltmeister werden.“ Und die im 17. Versuch endlich einen der sogenannten Großen des Weltfußballs geschlagen hatte – sechs Jahre nach dem 1:0 in England. Argentiniens Trainer Jose Pekerman trat enttäuscht zurück. Auch bei den Spielern brach sich die Enttäuschung bahn, nach der Entscheidung entbrannte auf dem Platz eine wilde Rangelei – und ausgerechnet italienische TV-Bilder entlarvten Thorsten Frings als Schläger. Er traf Julio Cruz leicht im Gesicht. Aber so manche Faust flog im Mittelkreis von Berlin und Per Mertesacker erlitt sogar einen Tritt in den Unterleib – gesperrt wurde nur Torsten Frings. Eine folgenschwere Entscheidung.

Als Gegner wartete Italien, das am selben Tag die biederen Ukrainer in selten gesehner Manier zerpflückte und 3:0 siegte. Luca Toni schoss zwei Tore, Italien war nunmehr 23 Länderspiele unbesiegt und bestätigte seinen Ruf als Turniermannschaft.

Brasilien hat den nie gehabt, bei den Ballzauberern musste man gerade in Europa stets mit Einbrüchen rechnen. So war es auch 2006. In Frankfurt verstummten am 1. Juli die Samba-Trommeln. Ein Freistoß von Zidane landete beim völlig ungedeckten Thierry Henry und dessen Kopfball beförderte den Rekord-Weltmeister aus dem Turnier. Der große Pelé war wie immer in solchen Momenten geschockt: „Ich weiß nicht, wo die Spieler mit ihren Köpfen waren.“ Gerüchte über lange Party-Nächte bei dieser WM machten die Runde und niemand trauerte dem entthronten Titelverteidiger nach.

Schlecht Zweikampfwerte bei Brasilien

Die Zweikampfwerte der Superstars sprachen Bände: Kaka hatte nur 27% gewonnen, Ze Roberto 29%, Roberto Carlos 36%. „Die Brasilianer haben bei diesem Turnier niemals voll überzeugt“, richtete Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer. Trainer Carlos Alberto Parreira blickte nach vorne: „Lasst uns die Leiche mit Anstand begraben und aus der Asche stärker zurückkehren als je zuvor.“

So wie es sein Bezwinger vorgemacht hatte: 2002 eine Lachnummer, stand Frankreich nun im Halbfinale. Das komplettierte Portugal, das nach einer Internet-Umfrage der Fifa zur unterhaltsamsten Mannschaft des Turniers gewählt wurde. Dabei reduzierte sich der Unterhaltungswert des grausamen Spiels gegen England im Grunde auf das Elfmeterschießen nach zwei torlosen Stunden. Hier erfuhr das englische Trauma in dieser Disziplin seine Fortsetzung.

Nur Owen Hargreaves war in der Lage, Torwart Ricardo zu überwinden, drei Engländer scheiterten und verhalfen ihm zu einem WM-Rekord. Englands Trainer Sven-Göran Eriksson sprach sich von aller Schuld frei: „Wir haben im Training immer wieder Elfmeterschießen geübt. Ich weiß nicht was man sonst hätte tun können.“ Zu allem Übel war Wayne Rooney vom Platz geflogen und der ausgewechselte David Beckham trat als Kapitän zurück. Im Gefühl, nie mehr Weltmeister zu werden.

Vier Mannschaften träumten noch davon. Am 4. Juli endete der deutsche Traum – gegen den alten Rivalen Italien, der bei WM-Endrunden nie bezwungen wurde, setzte es in Dortmund eine bittere 0:2-Niederlage. Bitter weil es keine Gelegenheit mehr gab, zurückzuschlagen, nicht weil es unverdient gewesen wäre.

"Ihr seid trotzdem Helden"

Italien war während der 90 Minuten auf Augenhöhe und in der Verlängerung die bessere Mannschaft, zwei Mal traf sie den Pfosten. Und doch sah alles nach einem Elfmeterschießen aus, als der Verteidiger Fabio Grosso nach einer Ecke von der Strafraumgrenze abzog. Jens Lehmann war ohne Chance gegen den verdeckten Schuss – 0:1 in der 119. Minute. Deutschland brach kollektiv zusammen, das zweite Tor von del Piero war nicht mehr von Bedeutung. Die Bild-Zeitung erschien am nächsten Morgen mit dem Bild Jürgen Klinsmanns, der die Hände vor dem Gesicht hat und titelte: „Wir weinen mit Euch“. Etwas kleiner stand zu lesen: „Ihr seid trotzdem Helden!“

Das traf die Stimmung im Land. Zu begeisternd war diese Mannschaft aufgetreten, hatte sie ihr Land vertreten und Sympathien in aller Welt geweckt. Dass auf dem Platz und dann in der Kabine die Tränen flossen und die Wut über die Sperre für Frings hochkam – wen wunderte es? Michael Ballack, von Klinsmann in eine defensivere Rolle gedrängt bei dieser WM, klagte: „Das ist so bitter: Schon wieder habe ich ein WM-Finale verpasst.“ „Natürlich ist es kein Trost, wenn ich sage; der italienische Sieg war verdient“, schrieb Bild-Kolumnist Günter Netzer. Auch nicht, dass sie bei der Ankunft im Berliner Hotel morgens um drei Uhr von 100 Fans frenetisch gefeiert wurden. Nein, zumindest eine Nacht musste vergehen, ehe der größte Schmerz nachlassen würde. Noch bis halb sechs saßen einige im Hotelgarten, schlafen konnten sie doch nicht. Nun blieb nur das Spiel um Platz 3 in Stuttgart. Gegen wen? Gegen Portugal.

Denn Frankreich setzte seine Serie der knappen Siege fort und gewann mit 1:0 – schmucklos durch einen Elfmeter von Zidane, aber wen störte es? 22 Millionen Franzosen saßen am 5. Juli vor dem Fernseher, mehr denn je bei einem Spiel der L’Equipe tricolore“. „Zidane katapultiert Frankreich ins Finale“, jubelte die Zeitung Le Parisien, während sein Freund und Ex-Kollege bei Real Madrid weinte: Luis Figo trat aus der portugiesischen Nationalmannschaft zurück.

[bild2]Nun hatte die WM ein Finale, auf das nur wenige getippt hatten: Frankreich und Italien fuhren nach Berlin. Deutschland verließ die Hauptstadt dagegen, um sich am Vortag anständig von seinem Publikum zu verabschieden. Der gute Vorsatz gelang. Obwohl Klinsmann einige Umstellungen vornahm und mit Ausnahme des dritten Torwarts Timo Hildebrand allen noch nicht gebrauchten Akteuren zu einem WM-Einsatz verhalf, bot die Mannschaft ein letztes Mal ein begeisterndes Spiel. Bastian Schweinsteiger, gegen Italien plötzlich Reservist, hatte seinen größten Tag bei dieser WM und schoss nach der Pause zweieinhalb Tore. Petits Eigentor wäre ohne seinen Schuss niemals gefallen. 3:1 hieß es nach 90 Minuten, wobei Oliver Kahn in seinem letzten Länderspiel noch in vorletzter Minute von Gomes bezwungen wurde. Schon im Stadion, aber noch mehr bei der Rückkehr zum Hotel spielten sich berauschende Szenen in Stuttgart ab. Zehntausende erwarteten morgens um eins den Mannschaftsbus und feierten die Hauptdarsteller des Sommermärchens. „Danke Jungs für vier tolle WM-Wochen. Stuttgart ist stolz auf Euch!“, stand auf einem Transparent, das in jeder anderen Stadt auch hätte hängen können. Noch bis morgens um sieben feierten die Spieler ihre WM-Party und Schweinsteiger erzählte, wie es sich anfühlt, von der Kanzlerin ein Küsschen bekommen zu haben.

Zidane verliert die Nerven

Dieser grandiosen WM fehlte nur noch ein würdiges Finale. Italien und Frankreich gaben sich alle Mühe, aber als es um 23.03 Uhr zu Ende war, sprachen nur wenige vom Niveau dieses Spiels. Alle Debatten drehten sich um einen Mann: Zinedine Zidane. Frankreichs Superstar hatte zunächst sein Team mit einem gewagten Elfmeter-Schlenzer an die Lattenunterkante in Führung gebracht, aber weit nach Materazzis schnellem Ausgleich zur Verzweiflung getrieben. In der Verlängerung provozierte ihn Materazzi mit einer abfälligen Bemerkung über seine Schwester und der stolze Zidane verlor die Nerven. Er rammte dem Italiener seinen Kopf vor die Brust und der vollendete die Posse und stürzte schreiend zu Boden. Schiedsrichter Elizondo aus Argentinien schickte ihn vom Platz, es geschah Zidane schon zum 14. Mal in seiner Karriere. Die zehn Minuten in Unterzahl überstand Frankreich zwar, aber nun fehlte der sicherste Elfmeterschütze. Es kam, was kommen musste: Italiens Spieler behielten im Gegensatz zum Finale von 1994 die Nerven und trafen sämtlichst, dagegen verschoss David Trezeguet als einziger. Italien war zum vierten Male Weltmeister geworden, jeder Spieler um 250.000 Euro reicher.

Franz Beckenbauer kommentierte das so: „Die Italiener gestalteten das Elfmeterschießen wie sie im gesamten Turnier aufgetreten waren. Clever und fehlerfrei, ohne allzu viel Zauber. So gewinnt man vielleicht nicht alle Herzen, aber Titel.“ Italien feierte trotzdem ausgelassen, Trainer Marcello und seine Helden wurden am folgenden Montag im Parlament empfangen, ehe sie wie einst die Cesaren durch Rom kutschiert wurden.

Nun war es Zeit, Bilanz zu ziehen. Der Kicker schrieb: „Diese 18. Weltmeisterschaft war die schönste, stimmungsvollste, emotionalste, bestorganisierte, bestbesuchte, kostspieligste aber auch ertragreichste WM aller Zeiten.“ Das Organisationskomitee erwirtschaftete einen Gewinn von 135 Millionen Euro, nur ein Mal (1994 in den USA) waren noch mehr Zuschauer gekommen als 2006 (3,35 Millionen), obwohl nun alle Spiele ausverkauft waren. Einmalig! Miroslav Klose wurde als zweiter Deutscher nach Gerd Müller (1970) WM-Torschützenkönig. Am schönsten aber ist die Feststellung, dass die Welt wohl nie ein besseres Bild von Deutschland gehabt als in jenem wunderbaren Sommer 2006.