Kapitel 3- Mit den Wölfen geheult – Die Rituale von 1934 bis 1939

Prolog

Als sich der nationalsozialistische Senat Bremens im Oktober 1933 mit der Frage beschäftigte, ob er an der Eiswette 1934 teilnehmen sollte, hatte sich die Stadt völlig verwandelt. Der aus freien Wahlen hervorgegangene Bremer Senat war abgesetzt und durch einen kommissarischen ersetzt worden, dessen Präsident, der Nationalsozialist Richard Markert, zum Bürgermeister erklärt worden war. Am 28. April hatte die einzige Sitzung der neugebildeten Bürgerschaft stattgefunden. Die Grundrechte waren außer Kraft gesetzt. Schon im März hatten Verhaftungen begonnen. Auch sozialdemokratische Politiker waren betroffen. Die Senatoren Kaisen, Klemann und Sommer waren wochen-, bzw. monatelang eingekerkert. Am 1.April erlebte die Stadt den ersten Boykott jüdischer Geschäfte. Das gewerkschaftseigene „Volkshaus“ in Utbremen war am 16. April von Polizei besetzt und am 2. Mai in die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) überführt worden. Es gab in der Stadt wie im Reich keine freien Gewerkschaften mehr, keine Parteien außer der NSDAP, keine demokratischen Strukturen. Am 10. Mai hatte die SA eine Bücherverbrennung „wider den undeutschen Geist“ auf dem Spielplatz Nordstraße, in der Nähe des Volkshauses veranstaltet. Die Jagd auf Mitglieder und Funktionäre der KPD war in vollem Gange. Der von Markert mit der Wahrnehmung der Aufgabe eines Polizeipräsidenten beauftragte SA-Sturmbannführer Theodor Laue hatte eine Hilfspolizei aus Angehörigen von SA, SS und Stahlhelm aufgestellt, die als Einsatztruppe bei Razzien in Arbeitervierteln und als Wachmannschaften für die von ihm eingerichteten Konzentrationslager Mißler, Langlütjen und Ochtumsand eingesetzt wurde. Politische Häftlinge waren in die ehemaligen Mißler-Auswanderungshallen in Findorff eingeliefert und zum Teil schwer misshandelt worden. Der Chefredakteur der„Bremer Volkszeitung“ Alfred Faust war hier schikaniert und gequält worden. Hier hatte auch Emil Theil, ehemals Fraktionsvorsitzender der SPD, seine jahrelange Haftzeit begonnen. In dem dicht bebauten Wohngebiet hatte man die Schreie der Gefangenen gehört. Frauen hatten blutige Kleidungsstücke ihrer Ehemänner, die sie zur Reinigung erhalten hatten, sichtbar durch die Straßen getragen. Im September war das KZ Mißler aufgegeben und verlagert worden. Am 18. Juli war der Hitler-Gruß im öffentlichen Dienst verpflichtend eingeführt worden. Nun galt es, schrieb Löbe in seiner Chronik zur 150-Jahr-Feier im Jahr 1979, „die Eiswette so erscheinen zu lassen, dass man sie von der allgegenwärtigen politischen Seite in Ruhe ließ. Gebert ist das gelungen.“[424] In Wirklichkeit war es umgekehrt: Es war Präsident Gebert, der die Initiative ergriff und die neuen Machthaber zur Eiswette einlud. Politisch war er – wie Bömers und Apelt – am rechten Flügel der DVP verortet, die er von 1921 bis 1933 in der Bürgerschaft vertrat. Burschenschaftler bei den erzkonservativen „Bubenreuthern“, politisch aktiv im Kampf gegen die Bremer Räterepublik, war er ein erklärter Gegner der Sozialdemokratie. In der Bürgerschaft und als Geschäftsführer der „Bremer Industrie-Gesellschaft“ war er „ein eifriger Verfechter Bremer Industriebelange.“[425] Am 13. Oktober 1933 ging es in einer Senatsbesprechung um die Bedingungen, unter denen der nationalsozialistische Senat zur Teilnahme an der Eiswette bereit sein würde.

[424] Löbe, a.a.O., S. 121.
[425] Hartmut Müller: Hugo Gebert. In: Bremische Biographie 1912 – 1962, hrsg. Von der Historischen Gesellschaft zu Bremen und dem Staatsarchiv Bremen, bearbeitet von Wilhelm Lührs. Bremen 1969, S. 174.

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Übergabeverhandlungen

Am 1. Oktober  1933 wird Richard Markert zum „Regierenden Bürgermeister“ ernannt. Anfang Oktober
fühlt Hugo Gebert beim nationalsozialistischen Senat vor, ob man bereit sei, an der Eiswette teilzunehmen. Am 13. Oktober 1933 findet eine Senatsbesprechung statt. TOP 10 EISWETTE. Aus dem Protokoll: „Der Senat ist bereit, an der Feier der alten traditionellen Eiswette, (…) teilzunehmen, wenn die Durchführung der Feier den Zeiten und den Auffassungen der Nationalsozialistischen Regierung entsprechend gestaltet wird. Herr Senator Laue wird beauftragt, die entsprechenden Verhandlungen zu führen.“[426] Am 20. Dezember 1933 schreibt Präsident Gebert an Präsidialrat Hochmuth, Rathaus: „Bezugnehmend auf die gestrige Besprechung mit Herrn Senator Laue überreiche ich Ihnen 19 Einladungen. 1 -8 für die Herren des Senats und 9-19 für Gäste, welche der Senat nach freiem Ermessen einlädt, die auf der Einladung den Zusatz erhalten: „übermittelt durch das Staatsamt für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten. (…) Mit Heil Hitler! Ihr sehr ergebener Hugo Gebert“[427]

Anmerkung: Nie vorher und nie nachher in ihrer Geschichte hat sich die Eiswette ihre Einladungen aus der Hand nehmen lassen. Den Grundsatz der persönlichen Einladungen von Mann zu Mann gab das Präsidium damit ein Stück aus der Hand.

22. Dezember 1933
Präsidialrat Hochmuth sagt in einem Schreiben an Hugo Gebert die Anwesenheit Bürgermeister Markert zu.

Die Feiern von 1934 bis 1938 – Aus den Reportagen der
„Bremer Nachrichten“

1934: Bremer Nachrichten vom 22.1.

Gast: Bürgermeister Markert sagt sein Erscheinen kurzfristig ab.[428]

[426] Auszug aus der Niederschrift über die Senatsbesprechung. Senatsregistratur. Akte betr. die Stiftungsfeste der „Eiswette von 1829“, TOP 10 Eiswette vom 13.Oktober 1933. StAB 3-V.2.No.2225. Im Folgenden zitiert als „StAB Senatsregistratur Eiswette“. Eine ähnliche Formulierung benutzte der von der NSDAP in den Club zu Bremen als Präsident eingesetzte „Staatskommissar“ Kurt Thiele in einem Rundschreiben an die Mitglieder. Darin erteilt er die Erlaubnis „zur Pflege eines eigenen inneren Gemeinschaftslebens unter der selbstverständlichen Voraussetzung …, dass dieses Klubleben in seinem gesamten Umfange den Anschauungen und Bestrebungen des nationalsozialistischen Staates nicht zuwiderläuft.“ Vgl. Der Club zu Bremen, a.a.O., S. 258 – 261, hier S. 260/261.
[427] StAB a.a.O., Notiz vom 20.12.1933.
[428] StAB a.a.O., Notizen vom 23. und 27. Dezember 1933. 

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Unter den Klängen eines Fanfarenmarsches, gespielt vom Musikkorps des 1. Bataillons des Infanterie-Regiments Nr. 65, betreten die 450 Teilnehmer am 20. Januar den großen Festsaal der Glocke.

Eintopfgericht statt Festmahl

Anmerkung: Im Sommer 1933 hatte Goebbels mit enormem propagandistischen Aufwand das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes“ ins Leben gerufen – Motto: „Ein Volk hilft sich selbst“ -, dessen Bestandteil nicht nur der Verzicht auf den Sonntagsbraten war, sondern auch das Spenden eben jener Summe, die man dafür nicht ausgegeben hatte. Gebert hatte mit Laue vereinbart, dass die Eiswette entsprechend verfuhr. Jeder Teilnehmer führte einen Betrag von 3,50 RM an das „Winterhilfswerk“ ab, unbeschadet der Spende für die DGzRS.[429] Löbe hat sich in seiner Chronik über die nationalsozialistischen Teilnehmer lustig gemacht, die mit einem Eintopfessen vorlieb nehmen mussten.[430] Dies wäre zwar, schrieb er, „an sich für die Eiswette ein heilsamer Gegensatz zur üppigen Zeit (gewesen), aber eben auch eine Verbeugung vor dem Neuen, obwohl jene Uniformierten ganz bestimmt lieber etwas anderes gegessen hätten.“[431] Auch Gutmann spottet im „Eiswettbuch“ über die „uniformierten Parteisoldaten“, die „Besseres gewohnt“ waren.[432] Allerdings spricht viel dafür, dass es die verwöhnten Eiswettgenossen selbst waren, die beim Verzehr des Eintopfs die längsten Gesichter gemacht haben dürften.

Der Saal wird verdunkelt. Die Teilnehmer erheben sich. Die Militärkapelle spielt leise das „Lied vom Guten Kameraden“. Präsident Hugo Gebert gedenkt mit „ergreifenden Worten“ zunächst der Toten des Weltkrieges, dann der Toten „der (nationalsozialistischen – d. Verf.) Freiheitsbewegung“, schließlich der verstorbenen Mitglieder der Eiswettgenossenschaft. Sein letztes Gedenken gilt Hans Wagenführ, seinem Vorgänger im Amt, der im Weltkrieg „so oft die U-Boots-Kameraden zu großer und letzter Fahrt ausklariert hat“. Bei den Worten „So soll ihm auch heute das letzte „Fahrwohl erklingen“, ertönen gedämpft die Takte des Liedes „Fahr wohl, fahr wohl, mein teures Lieb’“, während auf der Bühne die Lichtbilder eines U-Bootes, der Garnisonskirche von Wilhelmshaven und ein Foto von Hans Wagenführ erscheinen.

Anmerkung: Das Lied „Fahr wohl, fahr wohl du teures Lieb“ erklang mancherorts bei der Verabschiedung der Truppen auf Bahnhöfen. Der Refrain lautete: „Weh, dass wir scheiden müssen! Lass uns noch einmal küssen!“

Der Saal wird erhellt und die Militärkapelle spielt „Freut euch des Lebens!“ Es folgt eine „erlesene musikalische Darbietung“ von zwei Sängern des Staatstheaters. Sie singen Wagners Gralserzählungen und „Blick ich umher in diesem edlen Kreise“ aus „Tannhäuser“. Es folgt das „Eiswettspiel“. Anmerkung: Es findet regelmäßig in der Mitte der Feiern statt, ab 1928 fast immer von Studienrat Otto Heins verfasst und arrangiert, bei denen auch mal die lokale Bremer Politik in harmlosen Versen auf den Arm genommen wird.

[429] Vgl. den Bericht der Bremer Nachrichten über die Eiswette am 22. Januar 1934.
[430] Im Gegensatz zur Eiswette, die in der üblichen Üppigkeit stattgefunden hatte, waren die Schaffermahlzeiten 1932 und 1933 wegen der wirtschaftlichen Notzeiten abgesagt worden. (Sie fanden erst 1936 wieder statt). Die Teilnehmer der jährlichen Generalversammlung der Stiftung „Haus Seefahrt“ wurden in jenen Jahren nur mit einer Portion Labskaus bewirtet.
[431] Löbe, a.a.O., S.93.
[432] Gutmann a.a.O., S.101.

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Bis zu 11 Personen wirkten an diesem Gaudi mit, auch Schüler von Heins aus der „Jungenschule im Bremer Westen“, ab 1938 „Horst-Wessel-Schule“ mit einem Organisationsgrad von über 90% in der Hitlerjugend.[433]
Zu Beginn seines Eiswettspiels deklamiert Otto Heins, als Roland verkleidet, folgende
Verse (Auszug):
Führt auch zum Meer manch bequemere Gasse:
Die Weser ist ein Kind germanischer Rasse!

Als Franzius, der blonde Hüne
sinnend stand auf der Weserdüne,
da ging es an ein faustisch Schaffen,
ein kraftvoll‘ Sichzusammenraffen,
um immer neue Feindgewalten
den Heimatufern fernzuhalten,
Um das Meer im harten Ringen
Dem Herzen Deutschlands nahzubringen.
Und wenn wir eiswettend bangen und hoffen,
Ob unser Weltentor zu oder offen,
Dann gilt es nicht nur dem Weserstrand:
Es gilt unserm deutschen Vaterland!
Sein glückhaft‘ Schiff zieht stolz die Bahn
Auf freiem Strome zum Ozean.
Schlag, deutsches Herz, an sicherem Bord
Treu deine Heimatpulse fort!
Bring Kaufmann, deutschen Fleißes Frucht
Mutig wagend zur fernen Bucht!
Ans Werk, Mann der Arbeit, dass mit Hirn und Faust
du uns das glückhafte Schiff erbaust‘!“ [434]

Anmerkung: Das Idiom vom „Arbeiter der Stirn und der Faust“ war zentral für die nationalsozialistische Propaganda der Volksgemeinschaft: „Die Arbeiter der Stirn und der Faust … gehören zusammen, und aus diesen“ beiden muss sich ein neuer Mensch herauskristallisieren – der Mensch des kommenden Deutschen Reiches.“[435]. Der Slogan fand sich auch auf einem Wahlplakat von 1932, auf dem ein Arbeiter mit geschultertem Vorschlaghammer Seite an Seite mit einem bürgerlichen Anzugträger marschiert.

Es folgt eine zweite musikalische Darbietung der beiden Opernsänger.
DANK DER GÄSTE mit herzlichen Worten: NSDAP-Senator Otto Flohr. DEUTSCHLAND-REDE: Philipp Heineken (1909 bis 1920 Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd, danach bis 1933 Vorsitzender des Aufsichtsrates). Auszug: „Bremens Kaufmannschaft hat niemals die Wirtschaft über die Politik gestellt, denn sie hat nie über eigene Interessen das Ganze vergessen.“
Das sich anschließende „Sieg Heil auf Reichspräsident, Führer und Vaterland findet brausenden Widerhall.“
Vortrag von alten Soldatenliedern durch das „Bremer Sängerquartett.“

[433] Vgl. Aufsatz des Verfassers, Die Eiswette von 1829 in Bremen zwischen den Weltkriegen. Vom Biedermeier zur Haupt und Staatsaktion. In: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte. Zeitschrift für die Regionalgeschichte Bremens im 19. Und 20. Jahrhundert, Heft 26, September 2012, S.79 – 114, hier S. 105 und S. 113.
[434] Die letzten zwei Zeilen sind in der Chronik von Löbe, der ansonsten den Text in voller Länge abdruckt, ausgelassen. Vgl. Löbe, a.a.O. 1. Auflage S. 122/123, 2. Auflage S. 130/131.
[435] Hitler schon am 24. April 1923 in einer öffentlichen Rede. Zitiert bei Rüdiger Hachmann, Vom „Geist der Volksgemeinschaft durchpulst.“ In: Zeitgeschichteonline.de am 19.12.2016.

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Gemeinsamer Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Lieds unter den Klängen der Militärkapelle.

Anmerkung: Die Festteilnehmer erheben sich und singen mit zum Hitler-Gruß erhobenen Armen.
SCHLUSWORT KONTERADMIRAL Schultze, der „den Wunsch des Führers ausspricht … dass alle Deutschen zu einer Gemeinschaft zusammengeschweißt werden.“
SPENDE für das WINTERHILFSWERK: 1575 RM (450 Teilnehmer); „Sondersammlung“ für die DGzRS: eine „stattliche Summe“

Nachlese 22. Januar 1934: Brief von Präsident Gebert an den 2. Bürgermeister Flohr. Auszug: „Heute Vormittag hatte ich die Absicht, Ihnen meinen Dankbesuch zu machen. Leider war es mir nicht mehr möglich, länger zu warten, und so darf ich den Dank für Ihr Erscheinen und Ihre eindrucksvollen Worte auf diesem Weg zum Ausdruck bringen … Mit deutschem Gruß. Ihr sehr ergebener Hugo Gebert.“[436]
Aus dem Protokoll der Senatsbesprechung vom 7. Dezember 1934 geht hervor, dass auch NSDAP-Gauleiter Röver sein Erscheinen zugesagt hatte und dass der Senat vollzählig teilnehmen wollte.[437]

1935: Bremer Nachrichten vom 7.1.

Präsident Gebert gedenkt „der Gefallenen des Weltkriegs und der Freiheitsbewegung, denen wir im Leben immer Kameraden sein wollen.“
DEUTSCHLAND-REDE: General von Lettow-Vorbeck. „Die Deutschland-Rede hielt in markigen, zu Herzen gehenden Worten und soldatischen Gedanken General von Lettow-Vorbeck, dabei besonders die Verdienste unserer Wehrmacht um die Festigung des neuen Reichs unter Adolf Hitlers Führung hervorhebend.“
Gemeinsames Singen des Deutschland- und Horst-Wessel-Lieds.

Anmerkung: von Lettow-Vorbeck war vor Ausbruch des 1. Weltkriegs Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Aus dieser Zeit speiste sich sein Ruf als legendärer Truppenführer. Er lehnte den Parlamentarismus der Weimarer Republik ab, trat 1919 der Freikorps-Organisation „Stahlhelm“ bei und beteiligte sich im März 1920 am Kapp-Putsch. Obwohl ursprünglich Monarchist, der sich weigerte, der NSDAP beizutreten, sah er in der Person Hitlers die Chance zur Rückkehr der alten Ordnung und der alten Eliten.

Es folgt „eine eindrucksvolle SAAR-KUNDGEBUNG – ausgezeichneter Sprechchor auf der Bühne unter der Leitung von Dr. Otto Heins – und der gemeinsame Gesang der ersten Strophe des Saarliedes.“

[436] StAB Senatsregistratur Eiswette, a.a.O.
[437] StAB a.a.O., Notiz vom 7.12.1934.

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Das Saarlied

Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar,
Und deutsch ist unseres Flusses Strand
Und ewig deutsch mein Heimatland
Mein Heimatland, mein Heimatland!

Anmerkung: Die Eiswette fand gut eine Woche vor der Saarabstimmung am 13. Januar statt. Das Saarlied spielte in der Propaganda-Schlacht der nationalsozialistischen Deutschen Front des Saarlandes eine große Rolle. In populären Liederbüchern von 1934 wie „Deutsch ist die Saar“ standen Saarlied und Horst-Wessel-Lied zusammen an erster Stelle.

BREMEN-REDE: Karl Lindemann (Norddeutscher Lloyd/Melchers). Lindemann „gedachte der schweren Opfer, die Bremen in der letzten Zeit im Interesse des Ganzen gebrachte hat, … (es) müsse auch in den Gesamtbeziehungen Hamburg-Bremen der Geist echter Arbeits-, echter Volksgemeinschaft herrschen.“ „Sein hoffnungsvoller großpolitischer Ausblick in die Zukunft fanden lebhafte Zustimmung…“

Anmerkung: Die Sorge, die zunächst die Bremer Kaufleute umtrieb, war in der geplanten Autarkie-Politik  begründet, die das traditionelle Aus- und Einfuhrgeschäft bedrohte.

Gemeinsamer Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Lieds.
SCHLUSSWORT GENERAL Keitel. Er sagte „besonderen Dank für die Wehrmacht, die sich bewusst sei, dass ohne eine starke Wirtschaft niemals eine Wehrmacht auf die Dauer gesund und stark bleiben kann, wie auch keine Wirtschaft ohne eine brauchbare, die Verteidigung des Staates sichernde Wehrmacht bestehen kann. Also besteht zwischen beiden eine Schicksalsgemeinschaft, die ihre Früchte tragen muss. (Lebhafter Beifall).

Anmerkung: Keitel war von 1938 bis 1945 Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Er war Hitler völlig ergeben und prägte für ihn später den Titel „Größter Feldherr aller Zeiten“.

SPENDE für das WINTERHILFSWERK: 1750 RM (500 Teilnehmer); Spende für die DGzRS: 1200 RM.[438]

1936: „Bremer Nachrichten“ vom 12.1.

Gäste: Regierender Bürgermeister Heider; NSDAP-Kreisleiter Blanke
Präsident Gebert gedenkt „der Toten des Weltkriegs und der deutschen Freiheitsbewegung.“
BREMEN-REDE: Syndicus der Handelskammer Arthur Ulrichs. Auszug: „Über tausend Jahre … hätte Bremen einen besonders hohen Grad von W i d e r s t a n d s f ä h i g k e i t gezeigt. Im z ä h e n D u r c h h a l t e n sei Bremen von keiner anderen Stadt übertroffen worden. Daran habe aber die H e i m a t l i e b e der Bremer, die vor keinem Opfer zurückschrecke, einen nicht geringen Anteil gehabt. Das Aufgehen in die Gemeinschaft und das Zurückstellen des eigenen Nutzens seien für die ganze Geschichte unserer Stadt kennzeichnend. Auch das neue D e u t s c h l a n d könne die Arbeit des hanseatischen Kaufmanns nicht entbehren.“ (Sperrungen im Original, d. Verf.)

[438] Die Spendensummen für die DGzRS von 1935 bis 1939 finden sich in der Festschrift zum 125. Jubiläum 1954, a.a.O.

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DEUTSCHLAND-REDE: Friedrich Grimm. Auszug: „Als ein Wunder wird das, was sich heute in Deutschland vollzieht, später von der Geschichte bezeichnet werden. Das große deutsche Ziel muss aus der tiefen Kraft des Glaubens an Deutschland unerschütterlich weiterverfolgt werden. Einmütig müssen alle zusammenhalten und sich hinter den Führer stellen.“ In das anschließende „dreifache Sieg Heil auf Vaterland, Volk und Führer wird begeistert eingestimmt.“ Gemeinsamer Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Lieds.

Anmerkung: Friedrich Grimm, Reichstagsabgeordneter, Propaganda-Redner der NSDAP. Bedingungsloser Verehrer Hitlers und einer seiner außenpolitischen Berater. Bekannt wurde er durch seine These, dass politischer Mord in „außergewöhnlichen Zeiten“ entschuldbar sei, da das Ausmerzen politischer Schädlinge nun einmal Sache des Staates sei.

„Ein wuchtiges Bekenntnis zu Deutschland gestaltete anschließend ein Sprechchor unter der Leitung von Dr. Heins; junge Arbeitsmänner riefen zu Einsatz und Tat.“
SCHLUSSWORT KONTERADMIRAL Schultze. Er sprach „für die Wehrmacht und besonders für die Kriegsmarine und deren Verbundenheit mit den Hansestädten. Er betonte die engen Beziehungen der Kriegsmarine zum Handel und zur Handelsschifffahrt und unterstrich den Wunsch des Führers, dass alle Deutschen zu einer unzertrennlichen Gemeinschaft zusammengeschmiedet würden.“ Präsident Gebert verabschiedete die Gäste „unter lebhaftem Beifall mit herzlichen Wünschen für Führer und Vaterland und Deutschlands Zukunft.“
SPENDE für das WINTERHILFSWERK: 1750 RM (500 Teilnehmer); Spende für die DGzRS: 2000 RM.

Nachlese (BN  vom 14.1.1936)
„Nachklang zur Eiswette“: „Besonders eindrucksvoll in diesem Jahr war die Wahl der Redner: Die Deutschland-Rede lag bei Professor Grimm aus Essen in allerbesten Händen … er verstand es nicht nur zu den Herzen der Zuhörer zu sprechen, sondern sich mit dieser Rede auch dem Rahmen der ganzen Veranstaltung außerordentlich glücklich anzupassen. Und das gleiche können wir von der Bremen-Rede des Herrn Syndikus Arthur Ulrich sagen, die nach Form und Inhalt ein Meisterwerk war…“

16. Januar 1936
Heider schreibt unter dem Eindruck des Eiswette-Besuchs an Präsident Gebert. Er gibt seiner Überzeugung darüber Ausdruck, dass die Eiswette „in großem Maße dazu beitragen wird, das notwendige gegenseitige Verständnis zwischen den staatlichen Stellen und den Führern der bremischen Wirtschaft zu fördern und zu weiterer Aufbauarbeit anzuspornen“[439]

16. Dezember 1936
Schreiben des Leiters der Außenhandelsstelle für das Weser-Ems-Gebiet, Dr. Alfred Loerner, an Außenminister Konstantin von Neurath. Auszug: „Der nächste Termin für eine größere gesellschaftliche Veranstaltung ist der 9. Januar 1937, die sogenannte Eiswette … Es ist ein Herrenessen mit verschiedenen Reden, eine halbpolitische Veranstaltung, bei der auch der Gauleiter, bzw. Reichsstatthalter (Carl Röver; der Verf.) und die Bremische Regierung vertreten sein werden. …

[439] StAB a.a.O., Notiz vom 16.1.1936.

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Immerhin wäre dies eine Gelegenheit, die Vertreter der bremischen Wirtschaft in größerem Umfange zusammen zu haben. Es wäre sehr begrüßenswert, Herren des Auswärtigen Amtes in diesem Kreise zu sehen. … Die Schaffermahlzeit findet erst im Februar statt und hat für das, was wir wollen, nämlich eine Aussprache und ein persönliches Kennenlernen zwischen bremischer Staatsführung und dem Auswärtigen Amt, nicht ganz den richtigen Charakter. … Sie ist zweifellos eine interessante Veranstaltung hohen Ranges, was übrigens die Eiswette nicht minder ist, aber ich befürchte, dass bei dieser Gelegenheit doch zu viele fremde Herren anwesend sein würden und zu wenig Bremer Herren, um mit den einzelnen in nähere Berührung zu kommen. … Heil Hitler! Ihr sehr ergebener Alfred Loerner“

Anmerkung:

Alfred Loerner war seit 1929 Leiter der “Außenhandelsstelle für Bremen und Emden“, einer Behörde, die dem Auswärtigen Amt unterstellt war.[440] Nach einer Umstrukturierung im November 1931 wurde daraus die „Außenhandelsstelle für das Weser-Ems-Gebiet“. Durch die Angliederung des oldenburgischen Staatsgebiets sollte eine bessere Interessenwahrnehmung der Küstenregion von Ostfriesland bis Oldenburg ermöglicht werden.[441] Loerner war am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten.[442] Im Oktober war er Mitglied im neuen Vorstand des „Club zu Bremen“ (noch unter Friedrich Roselius) geworden und wirkte aktiv an dessen Umgestaltung im nationalsozialistischen Sinne mit.[443]
21.12.1936:
Der Regierende Bürgermeister Heider lädt Dr. von Raumer, den Leiter der Geschäftsstelle des außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters des Deutschen Reichs, Joachim von Ribbentrop, Wilhelmstraße und Reichsbankdirektor Karl Blessing zur Eiswette ein. Er schreibt an Raumer, „dass eine persönliche aber zwanglose Fühlungnahme mit den Spitzen der Behörde wie auch der Kaufmannschaft Bremens Ihnen für Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit nicht unwillkommen sein wird…“ Die Einladung wird angenommen, aber am Tag der Veranstaltung mit einem Telegramm „aus wichtigen politischen Gründen“ abgesagt. Das Schreiben an Blessing geht auf einen von diesem in Bremen gehaltenen Vortrag ein, in dem er gesagt hatte, dass in Bremen „die Voraussetzungen vorhanden sind, um die Aufgabe zu erfüllen, die … der Vierjahresplan an uns stellt.“ Die Eiswette, schreibt Heider, der aus dieser Rede zitierte, sei doch ein guter Anlass zu kommen, „weil neben den Spitzen der Behörde, der Partei und der Wehrmacht die Kaufmannschaft in allen ihren Sparten vertreten sein wird.“[444] Blessing sagt in einem längeren Brief bedauernd ab, weil „gerade die Eiswette Gelegenheit zu einer Aussprache mit den maßgebenden Bremer Wirtschaftskreisen“ böte.[445]

Anmerkung: Die „Dienststelle Ribbentrop“ agierte in Konkurrenz zum Auswärtigen Amt. Ribbentrop war zunächst, im Hintergrund wirkend, außenpolitischer Berater Hitlers. Am 4. Februar 1938 wurde er Außenminister.

[440] Vgl. Bremer Zeitung 23.2.1938.
[441] Vgl. Kölnische Zeitung, 3. und 4.11. 1931. In: StAB C.VIII.2.e.Zeitungsausschnitte zur Außenhandelsstelle für das Weser-Ems-Gebiet.
[442] Personalakte Alfred Loerner; StAB 4,66-I.-6682
[443] Er war Mitglied des von der Partei ernannten „Führerbeirats“, „Verantwortlicher“ im „Kaufmännischen Ausschuss“ und Mitglied im „Vertrauens-Ausschuss“, die zu den Unterzeichnern des „Umwandlungs-Protokolls“ der Mitgliederversammlung vom 28.2.19 gehörten. Vgl. Der Club zu Bremen a.a.O., S. 257.
[444] StAB a.a.O., Notiz vom 21.12.36.
[445] StAB a.a.O., Notizen vom 28.12. und 30.12.1933.

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Die Eiswette in der nationalsozialistischen Presse

Bild 37 Kopfzeile der nationalsozialistischen Bremer Zeitung.

Am 14.2.1936, einen Tag vor dem Schaffermahl, hatte Wirtschafssenator Bernhard die Überzeugung geäußert, dass „der Geist des neuen Deutschland … in alle Bremer Wirtschaftskreise eingezogen“ sei.[446] Zur Eiswette hatte die nationalsozialistische Regierung inzwischen ein völlig entspanntes Verhältnis, da sie sich in die allgemeine politische Propaganda hatte einspannen lassen. Die „Bremer Nachrichten“ stellten am 12. Januar 1936 in ihrer Reportage fest, dass die Eiswette eine Feier wäre, „in deren Mittelpunkt sich stets in Reden und Aufführungen hansischer Geist zum großen, deutschen Ziel bekennt.“[447] Ab 1936 berichtete auch die nationalsozialistische Lokalpresse regelmäßig und ausführlich über die Rituale.[448]

Am 7. Januar 1936 erschien in der „Bremer Zeitung“ unter dem Titel „107 Jahre Eiswette“ das einzige Fotodokument einer Protokoll-Unterzeichnung der Eiswettproben aus den Jahren von 1929 bis 1939. Es zeigt vier Herren, unter ihnen Hugo Gebert, die hinter dem finnischen Konsul stehen. Der unterzeichnet gerade das Protokoll, in dem er bestätigt, dass die vier Herren des Präsidiums durch Steinwürfe die Eisfreiheit der Weser festgestellt haben.[449]
Im ersten redaktionellen Artikel präsentierte die „Bremer Zeitung“ ihren Lesern am Vorabend des Festes von 1936 einen „Gang durch die Geschichte der Gesellschaft Eiswette.“ Da vielen „der Ursprung“ dieser „zum Bremer Brauchtum gewordenen“ Feier unbekannt wäre, hieß es da, dürfte „es wohl von Interesse sein, einmal in der Bremer Chronik zu lesen vom frohen Treiben unserer Väter und Großväter“: Am Anfang war eine Kegelpartie von guten Freunden und Bekannten, die sich „draußen vor den Toren der Stadt ihrem Sport mit Ruhe und Behaglichkeit hingaben.“ Eines Tages hätte man bei einem Kartenspiel „schon sehr fröhlich“ die bekannte Wette abgeschlossen „und wie der Mensch überhaupt gern eine jede Gelegenheit ergreift, im Freundeskreis fröhlich zu sein, wurde beschlossen, die Wette zu wiederholen.“ Die Darstellung kam – bis auf die Behauptung, dass die Eiswettprobe so alt wäre wie die Wette – ohne die Legenden eines Rudoph Feuß aus und damit der Wirklichkeit sehr nahe.

[446] Zitiert bei Dieter Pfliegensdörfer, Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede. Wirtschaft, Staat und Arbeiterklasse in Bremen von 1929 bis 1945. Bremen 1986, S. 279.
[447] BN 12.1.1936.
[448] Die Berichte der „Bremer Zeitung“ erschienen am 10. Januar 1937, am 9. Januar 1938 und am 8.Januar 1939.
[449] Das Konsulat befand sich im Schnoor, Hinter der Holzpforte 10.

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Sie hob ganz ab auf die „fröhliche Wettkumpanei“, die nichts weiter sein wollte, „als eine Gemeinschaft froher Arbeitskameraden, die alle im Laufe eines Jahres zum Wohl der alten und Freien Hansestadt Bremen wirkten.“[450] Das Thema hatte anscheinend auf höhere Parteiebene Interesse erregt, denn die Reportage der „Bremer Zeitung“ von 1937 wurde auf den norddeutschen Küstenraum ausgedehnt: Der Artikel erschien auch in den nationalsozialistischen Publikationen „Nordwestdeutschen Zeitung“ und „Hamburger Fremdenblatt.“[451] Die Eiswette war auf dem besten Weg, eine heimatkundliche Größe nationalsozialistischen Deutschtums zu werden.

1937: Bremer Nachrichten vom 10.1.

Gäste: Gauleiter Carl Röver, NSDAP-Kreisleiter Blanke, Bürgermeister Heider und der gesamte Bremer Senat.
Einzug der Gäste unter den „schmetternden Klängen“ eines Fanfarenmarsches der Bataillonskapelle des Inf.-Rgt. Nr.65.
Präsident Gebert gedenkt „der Toten des Weltkrieges und des deutschen Freiheitskampfes.“ Der Saal verdunkelt sich. Leise erklingt das Lied vom Guten Kameraden, bei dem sich die Anwesenden von den Plätzen erheben. Auf der Leinwand erscheinen Bilder, die sich mit Hans Wagenführ verbinden.
Opernsänger Uhde singt „markig“ die Ansprache von König Heinrich I. aus Richard Wagners „Lohengrin“.

Lo h e n g r i n – 1. A uf z ug

Kö n i g H e i n r i c h

(erhebt sich)

Gott grüß‘ euch, liebe Männer von Brabant!
Nicht müßig tat zu euch ich diese Fahrt!
Der Not des Reiches seid von mir gemahnt!
Soll ich euch erst der Drangsal Kunde sagen,
die deutsches Land so oft aus Osten traf?
In fernster Mark hießt Weib und Kind ihr beten:
»Herr Gott, bewahr uns vor der Ungarn Wut!«
Doch mir, des Reiches Haupt, mußt‘ es geziemen,
solch wilder Schmach ein Ende zu ersinnen;
als Kampfes Preis gewann ich Frieden
auf neun Jahr ihn nützt‘ ich zu des Reiches Wehr;
beschirmte Städt‘ und Burgen ließ ich baun,
den Heerbann übte ich zum Widerstand.
Zu End‘ ist nun die Frist, der Zins versagt
mit wildem Drohen rüstet sich der Feind.
Nun ist es Zeit, des Reiches Ehr‘ zu wahren;
ob Ost, ob West, das gelte allen gleich!
Was deutsches Land heißt, stelle Kampfesscharen,
dann schmäht wohl niemand mehr das Deutsche Reich!

[450] Bremer Zeitung 11.1.1936.
[451] Vgl. Bremer Zeitung vom 10.1.1937, „Nordwestdeutsche Zeitung“ und „Hamburger Fremdenblatt“ vom 11.1.1937; in: Pressearchiv des Focke-Museums Bremen. Bremer Eiswette 72 vom 12.1.1929 – 5.1.2004.

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Anmerkung: Mit dieser Darbietung in Anwesenheit der gesamten NSDAP-Prominenz und des Senats lag die Eiswette voll im politischen Trend. Heinrich Himmler hatte ein halbes Jahr zuvor, am 2. Juli 1936, einen Kult um Heinrich I. ins Leben gerufen, als er bei den Feierlichkeiten zum 1000. Todestag des Königs in Quedlinburg eine im Rundfunk deutschlandweit übertragenen Rede gehalten hatte: Heinrich I., einer „der größten Schöpfer des Deutschen Reiches,“[452] war „ein Führer, der seine Gefolgsleute an Kraft, Größe und Weisheit überragte. … Er sah das Ganze und baute das Reich – Er war eine der größten Führerpersönlichkeiten der deutschen Geschichte.“ Himmler sah in Heinrich I. den Stifter des deutschen Volkes. Er stilisierte ihn in seiner Rede „zu einer spätgermanischen Führerfigur, zu einem „edlen Bauern seines Volkes“, zum „Führer vor tausend Jahren.“ „Durch die von Heinrich I. betriebene Errichtung zahlreicher Wehranlagen an der damaligen deutschen „Ungarngrenze“ erschien Heinrich in Himmlers Sicht als der früheste Protagonist einer deutschen Ostorientierung.“[453] Der Kult um Heinrich I. wurde Teil nationalsozialistischer Schulung, wofür das hier im Titelblatt abgebildete Themenheft der „Jungmädelschaft“ Berlin vom November 1938 ein Beispiel ist.

[452] Vgl. Karl-Heinz Janssen, Himmlers Heinrich. Wie ein König des frühen Mittelalters zum Patron der deutschen Vernichtungspolitik im Osten wurde. In: „Zeit. Online“ vom 19. Oktober 2000 (Nr.43/2000)
[453] Wikipedia Stichwort: Heinrich I. (Ostfrankenreich) am 2.05.2017.

Seite 11


Bild 38 Schulungsheft Blätter für Heimabendgestaltung der Jungmädel, Berlin November 1938

Aus dem Vorwort mit dem Titel „Jungmädelführerin!“: „Wir sehen in ihm die große germanische Führerpersönlichkeit, die zutiefst in ihrem Innern dem Deutschtum verbunden war und die nur ein Ziel und eine Lebensaufgabe kannte: das Zusammenschmieden eines Deutschen Reiches und die Zukunft des Deutschen Volkes. … Er wurde in Wahrheit der Gründer des Deutschen Reiches.“

Bild 39 Seite 1 des Schulungsheftes mit Himmler-Zitat

BREMEN-REDE von Lettow-Vorbeck. „Lettow-Vorbeck kennzeichnete dann den deutschen Geist des s o l d a t i s c h e n  G e h o r s a m s (Sperrungen im Original, d. Verf.), der nicht unbedingt nach dem Wortlaut eines Befehls frage, sondern vornehmlich Entschlussfreudigkeit fordere.“
DEUTSCHLAND-REDE: Finanzsenator Otto Flohr. Auszug: „Nach dem Weltkrieg ist Deutschland dem Abgrund des Bolschewismus entgegengetrieben, doch der Nationalsozialismus hat die Gefahr in voller Größe erkannt und dagegen das Bollwerk der Volksgemeinschaft aufgerichtet. Der Führer hat uns wieder zu einem wehrhaften Volk gemacht; mit Stolz können wir uns heute wieder Deutsche nennen. Nur durch den restlosen Einsatz aller uns gegebenen Kräfte können wir unserem Führer danken.“
Es folgt „das Sieg Heil auf Volk und Führer, in das kräftig eingestimmt wird.“ Gemeinsamer Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Lieds.
Festspiel von Otto Heins. Bewährte Schauspielkräfte der bremischen Theater führen das Stück zu voller Wirkung. „Auch einige „Mohrenkinder“ und das Ballett des Staatstheaters haben Anteil am Erfolg des Stückes.
Ansprache von Bürgermeister Heider.
SCHLUSSWORT KOMMANDIERENDER GENERAL DES X. ARMEEKORPS Knochenhauer, „der den Dank der Vertreter der Wehrmacht in kernigen Worten zum Ausdruck brachte. Im Besonderen betonte er die Notwendigkeit des gegenseitigen Vertrauens, das zwischen der Wehrmacht und den Angehörigen der Wirtschaft herrschen müsse. Alles für Deutschland und alles für den Führer, das sei das eine große Ziel.“

Anmerkung: Knochenhauer starb am 28. Juni 1939 und erhielt auf Befehl Hitlers ein Staatsbegräbnis in Hamburg am 2. Juli, an dem dieser selbst teilnahm, obwohl er kurzfristig einen lange geplanten Staatsbesuch in Bremen für den 1. Juli wegen angeblich wichtiger politischer Geschäfte abgesagt hatte.
SPENDE für das WINTERHILFSWERK: 1750 RM (500 Teilnehmer); Spende für die DGzRS: 2000 RM.

1938: Bremer Nachrichten vom 9.1.

Von Lettow-Vorbeck, als Deutschland-Redner eingeladen, muss krankheitsbedingt kurzfristig absagen.
Im verdunkelten Saal widmet Präsident Gebert „den Toten des Weltkrieges und des Kampfes um Deutschlands Erneuerung ergreifende Worte.“ Lied vom Guten Kameraden. Gedenken an Wagenführ.
Mitreißender Gesangsvortrag „Odins Meeresritt“ von Löwe. Basssänger Willy Schöneweiß vom Staatstheater, begleitet von Kapellmeister Theodor Holterdorf

Odins Meeresritt

Meister Oluf, der Schmied auf Helgoland,
Verlässt den Amboss um Mitternacht.
Es heulet der Wind am Meeresstrand,
Da pocht es an seiner Türe mit Macht.
„Heraus, heraus, beschlag mir mein Ross,
Ich muss noch weit, und der Tag ist nah!“
Meister Oluf öffnet der Türe Schloss,
Und ein stattlicher Reiter steht vor ihm da.
Schwarz ist sein Panzer, sein Helm und Schild; 
An der Hüfte hängt ihm ein breites Schwert. 
Sein Rappe schüttelt die Mähne gar wild
Und stampft mit Ungeduld die Erd!
„Woher so spät? Wohin so schnell?“
In Norderney kehrt ich gestern ein.
Mein Pferd ist rasch, die Nacht ist hell,
Vor der Sonne muss ich in Norwegen sein!“
„Hättet Ihr Flügel, so glaubt ich‘s gern!“
  Mein Rappe, der läuft wohl mit dem Wind. 
  Doch bleichet schon da und dort ein Stern.
Drum her mit dem Eisen und mach geschwind!“
Meister Oluf nimmt das Eisen zur Hand,
Es ist zu klein, da dehnt es sich aus.
Und es wächst um des Hufes Rand,
Da ergreifen den Meister Bang und Gras.
Der Reiter sitzt auf, es klirrt sein Schwert:
„Nun, Meister Oluf, gute Nacht!
Wohl hast du beschlagen Odins Pferd; 
Ich eile hinüber zur blutigen Schlacht.“
Der Rappe schießt fort über Land und Meer, 
Um Odins Haupt erglänzet ein Licht.
Zwölf Adler fliegen hinter ihm her;
Sie fliegen schnell und erreichen ihn nicht.

DEUTSCHLAND-REDE: An der Stelle von Lettow-Vorbeck tritt Staatsschauspieler Heinz Lorscheidt auf, der im Gewand von Roland dem Riesen einen Vortrag hält aus der Feder von Otto Heins, in dem er „in schwungvollen Versen von seiner Wacht für Freiheit und Recht“ spricht. Seine Worte klingen aus mit einer

„Anrede an den Lenker des deutschen Geschicks“:
„Weih‘ Du mein deutsches Schwert,
dass es Dir, Führer, wert! 
Führ‘ deutsches Mannestum
wieder zu Glanz und Ruhm,
Führ‘ Du den deutschen Sinn
zur alten Treue hin!
Schirme mit starker Hand
das deutsche Vaterland,
Bleib‘ unser Freiheit Hort!
Freiheit, dies stolze Wort
Pflanz‘ deutschen Herzen ein.
Frei woll’n wir sein!“

Präsident Gebert „bringt das Sieg Heil“ auf Adolf Hitler aus.
Gemeinsamer Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Lieds. „500 Kehlen stimmen kraftvoll ein.“
SCHLUSSWORT GENERAL DER FLIEGER Zander, „der darauf hinwies, dass alle drei Waffen zahlreich als Gäste der Eiswette vertreten seien. Damit komme die enge Zusammenarbeit der Wirtschaft mit der Wehrmacht zum Ausdruck, die die Aufgabe habe, durch ihre Stärke den friedlichen Handel zu stützen.“
In seiner Verabschiedung der Gäste gibt Präsident Gebert die Versicherung ab, „dass jeder, der ihr (der Eiswette, d. Verf.) angehöre, auf seinem Platz für das Wohl des Vaterlandes unter Einsatz aller seiner Kräfte mehr denn je auch in Zukunft arbeiten werde.“

SPENDE für das WINTERHILFSWERK: 1750 RM (500 Teilnehmer); Spende für die DGzRS: 1500 RM.

„Selten so gelacht“ Die Eiswette am 7. Januar 1939

Prolog

In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen SA-Männer in Bremen auf „Judensuche“. Auf der Grundlage einer von der Reichspropaganda-Abteilung erstellten Adressenliste wurden in Bremen ungefähr 160 Männer zu einer Sammelstelle auf dem Schulhof des Alten Gymnasiums in der Dechanatstraße gebracht, von wo man sie am nächsten Tag unter den Augen der Bremer Öffentlichkeit zu Fuß zum Gefängnis nach Oslebshausen trieb. Dort verbrachten sie die Nacht. Am nächsten Morgen ging es ohne Wiedersehen mit der Familie mit der Straßenbahn zum Bremer Hauptbahnhof und von dort aus mit dem Sonderzug ins KZ Sachsenhausen.[454]

11. November 1938, Bremer Nachrichten
Titelzeile: Bremens Vergeltung für den jüdischen Mord. 1. Untertitel: Synagoge brannte nieder. 2. Untertitel: Demonstration vor den Judengeschäften. „In allen Stadtteilen Bremens, vor allem jedoch in der Innenstadt, wurden die Schaufensterscheiben der jüdischen Geschäfte zertrümmert und in den (! d. Verf.) Auslagen Plakate gestellt, die von der Vergeltung für das scheußliche Verbrechen jüdischer Mörderhände sprachen. Außerdem ging in den Morgenstunden des Donnerstag der Judentempel in der Gartenstraße (heute Kolpingstraße – d. Verf.) in Flammen auf, ebenso die Kapelle auf dem Hastedter Judenfriedhof. Schließlich wurde auch noch das dem Judentempel (…) benachbarte Gebäude der jüdischen Verwaltung, das „Rosenakhaus“, ausgeräumt. Die Juden Bremens wurden in Schutzhaft genommen.“ „Die Tempel der Juden haben in Deutschland keinen Raum mehr. In dieser einzigen Nacht entschied sich ihr (…) Schicksal. Wenige Stunden dieser Nacht genügten, um sie nach einem letzten Aufflackern für immer von der deutschen Erde verschwinden zu lassen.“

Bild 40 Defilee der anderen Art: Zug von 160 jüdischen Bremer Männern nach Oslebshausen am 10. November 1938; hier in der Waller Heerstraße.

[454] Vgl. den buten-un-binnen-Beitrag am 31. Januar 2002 von Radio Bremen.

Seite 12


„Es war kurz nach 2 Uhr. Die Flammen prasselten im Erdgeschoss bereits, während von SA-Männern wichtig Scheinendes noch geborgen (…) wurde. Die Straße wurde abgesperrt. Die Feuerlöschpolizei war (…) zur Stelle, um (…) alle Maßnahmen zur Begrenzung dieses Brandes auf seinen einzigen Zweck zu treffen. (…) Das benachbarte Kolping-Haus wurde (…) sorgfältig bewacht. In der fünften Morgenstunde ist das Innere der Synagoge bis auf den Dachstuhl völlig ein Raub der Flammen geworden (…) Was einst ein Judentempel war, erlischt, um niemals wieder aufzuerstehen. (…) Ein Blick in das „Rosenakhaus“ ist ungewöhnlich interessant: Bilder großer und kleiner Juden hängen an den Wänden. (…) Gegen vier Uhr dringt dann Lärm aus Richtung Brill über die Hutfilter- bis zur Obernstraße. Der zweite Teil der Vergeltungsmaßnahmen beginnt. (…) Disziplinierte Gruppen durchzogen hier wie auch in den anderen Stadtteilen die Straßen (…) Ein Schlag mit dem Hammer gegen die Schaufensterscheiben: Klirren dröhnt durch die Straßen. (…) am Donnerstagmorgen war ganze Arbeit geleistet. Die Scheiben aller jüdischen Geschäfte waren zertrümmert und die (…) männlichen Juden in Schutzhaft genommen, in der sie sich auch heute noch befinden. In der Innenstadt wie auch auf den Hauptstraßen der Vorstädte stauten sich den ganzen Tag über die Menschenmassen. (…) Bremens Bevölkerung und mit ihr das ganze deutsche Volk hat gezeigt, dass es nicht geduldig zuschaut, wie deutsche Männer von Juden hingemordet werden!“

12. November 1938, Bremer Nachrichten Wiedergabe der Rede des Regierenden Bürgermeisters, SA-Gruppenführer Heinrich Böhmcker im „CASINO“ vor SA-Männern. Titel: „Mitmarschieren – das ist die Parole unserer Tage!“ (Auszug)
„Im Verlaufe seiner mitreißenden, fast zweistündigen Rede führte er u.a. folgendes aus:“ … In der SA stehen die Männer, die ohne Gesetze hinter sich zu haben – auf Grund ihrer politischen und weltanschaulichen Schulung stets wissen, was sie zu tun und wie weit sie zu gehen haben. Mir ist das Reden in einer Versammlung wohl nur selten so leicht geworden wie heute. Denn die SA hat in den letzten Tagen Gelegenheit gehabt, (…) den klarsten Beweis ihrer Existenznotwendigkeit zu geben. (Starker Beifall). (…) Wir sind heute ein Volk, dass in der Welt gehasst wird, denn der Liberalismus sieht, wie er (…) immer mehr zerbröckelt. (…) Der Gruppenführer klärte dann in außerordentlich überzeugender, oft von sprühendem Humor getragener Art Einzelfragen (…) und kam dann auf die spontane Vergeltungsaktion gegen die Juden in Bremen und im ganzen Reich zu sprechen: „Hier und da, in den Salons, bei Tanztees oder am Biertisch sind gestern und heute vielleicht die Köpfe zusammengesteckt worden, und irgendwelche Jammertanten haben gemeint, wir wären zu rau gewesen. Ich sage nur, es hätte noch viel schlimmer kommen können und kann noch viel schlimmer kommen (…)“ (…) Das, was wir gemacht haben, ist immer noch recht harmlos. (…) Aber jetzt hört der Spaß auf. Und wo gehobelt wird, da fallen Späne. (…) Wenn wir den Marschtritt der braunen Bataillone in den Straßen hören, dann wissen wir, dass sie nicht für sich und ihre Familien, sondern zuerst für den Führer und das deutsche Volk kämpfen, das niemals untergehen wird! Langanhaltende Beifallskundgebungen für die mitreißenden Worte (…)“

9. Dezember 1938 Eiswettpräsident Gebert trifft sich mit SA-Sturmbannführer Staatsrat Lüth und lädt
Böhmcker zur Eiswette ein. 10. Dezember 1938 Brief von Gebert an Lüth, in dem er sich auf eine Übereinkunft aus dem Treffen des Vortags beruft und um die Weiterleitung von Einladungen zur Eiswette für folgende Herren aus der Berliner Regierung bittet: SS-Obergruppenführer Hans-Heinrich Lammers, Chef der Reichskanzlei (in Nürnberg zu 20 Jahren Haft verurteilt); SS-Oberführer Rudolf Brinkmann, Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium; Leitender Staatssekretär im Reichsinnenministerium Hans Pfundtner; SS-Obergruppenführer (Mitverfasser der Nürnberger Gesetze); Wilhelm Stuckart, Staatssekretär im Reichsministerium des Inneren (Verfasser eines Kommentars zu den Nürnberger Gesetzen).

13. Dezember Lüth sagt die Teilnahme von Böhmcker schriftlich zu und bestätigt die Weitergabe der anderen Einladungen.[455]

Die Feier 1939: Bremer Nachrichten vom 8.1.

Gäste: Böhmcker sagt in letzter Stunde wegen einer Besprechung der Gauleiter in Innsbruck ab. Die vier eingeladenen Staatssekretäre erscheinen nicht.
Das Fest beginnt bei verdunkeltem Saal mit dem feierlichen Gedenken an die Toten des Weltkrieges und der „Bewegung“ durch den Präsidenten. Ehrung von Wagenführ (auf der Leinwand) mit dem Lied „Fahr wohl, mein teures Lieb‘, dasselbe Lied, mit dem er im großen Krieg so manches U-Boot zur letzten Fahrt ausklarierte. Der Saal wird erhellt und die Kapelle spielt „Freut euch des Lebens!“
Opernsänger Hölzlin singt unter Begleitung von Rudi Rottensteiner, beide vom Staatstheater, Hugo Wolfs „Heimweh“.

Heimweh

von Joseph von Eichendorff (1841)
vertont von Hugo Wolf
Wer in die Fremde will wandern,
Der muss mit der Liebsten gehen,

[455] Alle Angaben aus StAB Senatsregistratur, Akte betr. die Stiftungsfeste der „Eiswette von 1829“ / 3V.2.No.2225.

Seite 13


Es jubeln und lassen die andern
Den Fremden alleine stehn.
Was wisset ihr, dunkele Wipfel,
Von der alten, schönen Zeit?
Ach, die Heimat hinter den Gipfeln,
Wie liegt sie von hier so weit!
Am liebsten betracht ich die Sterne, 
Die schienen, wie ich ging zu ihr,
Die Nachtigall hör ich so gerne,
Sie sang vor der Liebsten Tür.
Der Morgen, das ist meine Freude!
Da steig ich in stiller Stund
Auf den höchsten Berg in der Weite,
Grüß dich, Deutschland, aus Herzensgrund!

Der Sänger kann herzlichen Beifall verbuchen.

Unmittelbar danach schließt sich an “das Treuebekenntnis zu Führer, Volk und Vaterland.“
Gemeinsamer Gesang des DEUTSCHLANDLIEDS. Es wird nur in der ersten Strophe gesungen:

Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt,
wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält.
Von der Maas bis an die Memel. Von der Etsch bis an den Belt.
Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.

Gemeinsamer Gesang des HORST-WESSEL-LIEDS.[456] Die Verse drei und vier jeder Strophe werden als Refrain wiederholt. Die erste Strophe wird am Schluss ein zweites Mal gesungen.

Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen.
SA marschiert mit ruhig festem Schritt.
Kameraden, die Rot Front und Reaktion erschossen, 
marschier’n im Geist in unser’n Reihen mit.

Die Straße frei den braunen Bataillonen.
Die Straße frei dem Sturmabteilungsmann.
Es schau’n auf’s Hakenkreuz schon hoffnungsvoll Millionen.
Der Tag für Freiheit und für Brot bricht an.

Zum letzten Mal wird Sturmalarm geblasen!
Zum Kampfe steh’n wir alle schon bereit!
Schon flattern Hitler-Fahnen über allen Straßen.
Die Knechtschaft dauert nur noch kurze Zeit!

Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen.
SA marschiert mit ruhig festem Schritt.

[456] Das Lied wird in verschiedenen Originalversionen hunderttausendfach im Internet auf youtube angewählt.

Seite 14


Kameraden, die Rot Front und Reaktion erschossen,
marschier’n im Geist in unser’n Reihen mit.

Begrüßung von sechs ranghohen Militärs durch Präsident Gebert: Kommand. Admiral der Marinestation der Nordsee, Admiral Saalwächter als Repräsentant der zahlreich erschienenen Angehörigen der Wehrmacht, Kommand. General des XII. Armeekorps General der Inf. Schroth, Admiral Wolf, Leiter der Kriegsmarinestelle Hamburg, Generalleutnant Schreiber, Führer der Landesgruppe Niedersachsen des Reichsluftschutzbundes, Exzellenz Admiral Souchon, Polizeigeneral a.D. Caspari.
Aus der Gebert-Rede: „Die Eiswette ist kein Verein und kein Klub, sondern eine Gemeinschaft von Männern, die mit der unabdingbaren bremischen Tradition auf Gedeih und Verderb verbunden sind.“

Vorlesen des „lustigen“ Protokolls der Eiswettprobe vom 6. Januar durch Notarius Publicus Hans Degener-Grischow, Mitglied des Präsidiums.
Am 6. Jänner ist gescheh‘n
Und von mir mit eigenen Augen gesehen,
Dass der Punkendeich zwar weiß
Und ziemlich steif von Schnee und Eis:
Dass ich aber trotzdem gar nicht fand,
Was drauf schließen ließ, dass die Weser stand.
Es trieben zwar ein paar klägliche Schollen,
Die sich nicht zu einer Decke fügen wollen.
Ich sah auch wuchtig geschleuderte Ballen
Weißen Schnees in die Weser fallen.
So ist enttäuscht wieder manches Hoffen. 
Es ist festgestellt: Die Weser war offen.
Der Eiswettschneider war nicht zur Stelle.
Die Gewerbepolizei hatte auf alle Fälle
Seine Teilnahme untersagt und verboten
Wegen des Risikos und der hohen Versicherungsquoten.

DEUTSCHLAND-REDE: Professor Wätjen, Universität Münster gibt einen historischen Rückblick über die Entwicklung der Hansestädte. (Auszug) „Wohin der Bremer bei der wirtschaftlichen Eroberung fremder Länder kam, hat er Boden gewonnen und sich behauptet, obgleich noch kein einiges und starkes Vaterland hinter ihm stand.“ (BN 8.1.) „Der Drang“ der Hansestädte „nach Übersee“; „ihre unerschütterliche Pionierarbeit für die Wirtschaft unseres Vaterlandes…“ (BZ 8.1.)

Daran schließt sich das Festspiel von Otto Heins an: „Eiswett-Elixiere des Teufels“ mit 13 Teilnehmern (u.a. die Präsidiums-Mitglieder Otto Heins und Hans Gerlach und der Sänger Heinz Lorscheidt) und „entzückenden Tanzeinlagen“ von Hilda und Erik aus dem „Astoria“. Schauplatz des Stücks ist der Bremer Ratskeller, wo Roland der Riese erscheint und der Seeräuber Klaus Störtebeker, der Rolands Schicksal insofern teilt, als auch er enthauptet wurde. „Während aber Störtebeker seinen Kopf für immer verlor, wird unser Roland auf festem Grund neu errichtet und sich für alle Zukunft neu „behaupten.“

Den Gästespruch bringt Fritz Henschen recht launig zum Vortrag.
Ernste und „humordurchwürzte“ Worte von Oberfinanzpräsident Carl, der auf die zukünftigen Aufgaben der bremischen Wirtschaft hinweist.

ERSTES SCHLUSSWORT von ADMIRAL Saalwächter, der „nicht weniger humorvoll die offene Hand und den offenen Sinn“ lobt, „den Bremen immer für die Wehrmacht bewiesen habe.“ Er gedenkt Bremens als alter U-Boots-Heimat und besonders der Fürsorge von Hans Wagenführ für die U-Boots-Besatzungen während des Weltkrieges.
ZWEITES SCHLUSSWORT von GENERAL DER INF. Schroth, der ein „von Herzen kommendes und zu Herzen gehendes Bekenntnis für seine alte Garnisonsstadt“ ablegt.
SPENDE für das WINTERHILFSWERK: 1750 RM (500 Teilnehmer); Spende für die DGzRS: 1500 RM.

Nachlese in der Bremer Zeitung und in den Bremer Nachrichten am 8.1.

Im Eiswettspiel hat „Dr. Otto Heins auch dieses Mal wieder seinen unverwüstlichen Humor eingesetzt. Da wurde wieder ohne Zimperlichkeit so manches befreiende Wort gesagt.“ (BZ) Diesmal hatte sich der bewährte Festspieldichter der Eiswette selbst übertroffen, denn selten ist wohl bei der Eiswette so gelacht worden, wie in diesem Jahr. Humor und Witz feierten Triumphe.“ (BN)

Zusammenfassung von Kapitel III

Nach dem plötzlichen Tod von Präsident Wagenführ am 7. Dezember 1932 übernahm Hugo Gebert die Präsidentschaft. Schon drei Monate vor der ersten Eiswette in nationalsozialistischer Zeit klopfte er an die Tür der neuen Machthaber. Seine Einladung wurde Thema einer Senatsbesprechung, auf der die Teilnahme unter der Bedingung angenommen wurde, dass die Feiern „den Zeiten und Auffassungen der Nationalsozialistischen Regierung“ entsprächen. Der am 13. Oktober mit den „Verhandlungen“ betraute Innensenator Theodor Laue kam mit dem Präsidium der Eiswette zügig und offensichtlich problemlos zu einer Einigung. Am 20. Dezember überreichte Gebert dem nationalsozialistischen Senat 19 Einladungen „zur freien Verfügung“. Für die Nationalsozialisten war das politische Einschwenken der Kaufleute auf ihre Linie nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen erfreulich. Gab doch die Eiswette darüber hinaus ein Beispiel dafür, wie sich deutschnationale Gesinnung auf nationalsozialistische Politik ausrichten ließ. Und eine weitere Tatsache dürfte den Parteigenossen die Entscheidung leicht gemacht haben: Die Eiswette war „judenfrei“. Spätestens seit der antijüdischen Politik von Bürgermeister Johann Smidt in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts war die Anzahl der Juden in Bremen eine zu vernachlässigende Größe.[457] In den führenden Kaufmannskreisen der Stadt dürfte sie gegen Null gegangen sein. Ein Julius Bamberger war nicht auf der Mitgliederliste der Eiswettgenossen.
Das Ritual war ab 1934 von einer der üblichen nationalsozialistischen Veranstaltungen praktisch nicht zu unterscheiden. Kein Fest fand statt ohne Präsident Geberts Variationen des dreifachen „Heil-Rufes“, sei es auf Führer, Volk und Vaterland, sei es auf die (nationalsozialistische) „Freiheitsbewegung“ oder schlicht auf Adolf Hitler. Deutschlanlied und Horst-Wessel-Lied als Nationalhymne – stehend und mit erhobenem Arm gesungen – begleiteten jedes Fest.

[457] Vgl. Andreas Lennert, Johann Smidt und die Vertreibung der Juden aus Bremen. Bremisches Jahrbuch, Bd. 87, 2008, S. 160 – 200.

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Die Reden waren der alltäglichen Propaganda angepasst, nicht selten mühselig aus erzkonservativem oder reaktionärem Gedankengut herausgewunden, wie bei Paul von Lettow-Vorbeck, der bis 1938 Gast, bzw. Redner auf den Eiswetten war. Auch fanatische Anhänger des Nationalsozialismus kamen zu Wort. Die lokale Presseberichterstattung lässt keinen Zweifel daran, dass die Redebeiträge mit großer Begeisterung aufgenommen wurden, wenn sie die Einheit von Wirtschaft und Wehrmacht, von Führer und Volk propagierten. Die Zahl der Generale erhöhte sich noch im Laufe der Jahre. Je aggressiver die Außenpolitik des Reiches wurde, umso mehr von ihnen traten auf. Da ihnen die Ehre zuteil wurde, jedes Mal, bevor der Präsident die Veranstaltung aufhob, das Schlusswort zu sprechen, waren die Feiern, die immer mit der Totenehrung für die Gefallenen des Weltkrieges begannen, buchstäblich militärisch eingerahmt. Sechs Jahre lang ließ die politische Euphorie nicht nach. Die Zahl der Eiswettgenossen[458] wie auch die der Gäste[459] nahm in den dreißiger Jahren sogar noch einmal zu.
Die letzte Feier in der „Glocke“ am 7.1. 1939 war zweifellos der Tiefpunkt in dieser Reihe, kaum zwei Monate nach dem Judenpogrom in der Stadt und in unmittelbarer Nähe der gebrandschatzten Synagoge in der Gartenstraße (heute Kolpingstraße).

[458] Sie erhöhte sich zwischen 1934 und 1939 um 62 (12 im Jahr 1934 und 40 seit 1935). Das geht aus der Mitgliederliste in der Gedenkschrift zum 125. Stiftungsfest 1954 hervor. Dort sind die Eintrittsdaten verzeichnet. Vgl. Eiswette von 1829. Gedenkschrift zum 125 Stiftungsfest. Sonnabend, den 16. Januar 1954. Ohne Verfasser-Angabe. Broschüre von 19 Seiten mit den Namen der 275 Mitglieder und einer Teilnehmerliste der 326 Gäste. Dagegen verlor der „Club zu Bremen“ nach seiner Umbenennung in „Haus der Hanse zu Bremen“ und dem Austausch des Vorsitzenden Friedrich Roselius durch den nationalsozialistischen Staatsrat Kurt Thiele am 23.2.1934 im Laufe eines Jahres 270 seiner 1250 Mitglieder durch Protest-Austritte. Die Umbenennung wurde nach einem Jahr in einem Rundbrief von Thiele vom 18.2.1935 wieder rückgängig gemacht. (Vgl. Club zu Bremen, a.a.O., S.260/261). Das änderte allerdings wenig an der nationalsozialistischen Ausrichtung des Clublebens. Zwölf Mitglieder verließen den Club unfreiwillig, weil sie „laut Klassifizierung nach den Nürnberger Rassegesetzen vom 15. September 1935 als Juden, Halb- oder Vierteljuden bezeichnet wurden.“ Sie „verschwanden“ aus der Mitgliedsliste des Clubs. Es liegt nahe, schreiben Engelbracht / Hauser, dass sie „den Ausschluss aus der Clubgemeinschaft als Teil ihrer fortschreitenden Entrechtung, Verfolgung, Bedrohung und Demütigung über sich ergehen lassen mussten.“ Der Club zu Bremen, a.a.O., S. 261,
[459] Sie stieg bis 1935 um 50 auf 500. Vgl. Löbe, a.a.O., S. 148 und Bremer Nachrichten vom 10.1.1933.

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