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Geotherm-Kongress „Oberflächennahe Geothermie“ in Offenburg

Probleme, Entwicklungsbedarf – aber Optimismus

Die gute Nachricht zuerst: Das Interesse der Besucher an der Fachveranstaltung ist ungebrochen. Besonders hohen Zuspruch fanden die Vorträge über Tiefengeothermie und hier insbesondere das Thema Tiefengeothermie bei gleichzeitiger Gewinnung von Lithium im Oberrheingraben.

Während die Halle für Tiefengeothermie von Ausstellern gut gebucht war, klafften in der Halle für oberflächennahe Geothermie große Lücken. Offiziell waren in diesem Jahr nur 153 Aussteller präsent gegenüber 200 vor zwei Jahren. Mit 3537 Besuchern blieb die Anzahl der Besucher gegenüber der letzten Veranstaltung (3600) jedoch stabil. Kaum vertreten in Offenburg waren die Hersteller von Wärmepumpen. Schwer nachvollziehbar ist, warum sich der Nibe-Stand bei der Tiefengeothermie ansiedelte.

Dass die Entwicklung der oberflächennahen Geothermie den Akteuren nicht nur Freude bereitet, vermittelte auch die Zusammensetzung des fachspezifischen Kongressprogramms. So konnte sich der Autor des Eindrucks nicht erwehren, dass es mit der Qualitätssicherung am Bohrloch nur langsam voran geht. Auch die starke Präsenz von Vorträgen über Modellierung von Erdwärmesonden(EWS)-Feldern, neuen Regelungsstrategien für den Betrieb großer EWS-Anlagen (wegen Überwärmung bzw. Unterkühlung des Erdreichs) sagt etwas über die aktuellen Herausforderungen mit dieser Technik aus.

Letztendlich signalisiert auch die Statistik des Bundesverbandes Wärmepumpen über den Wärmepumpenabsatz im Jahr 2021, dass erdgekoppelte Wärmepumpensysteme mit nur 18 Prozent Marktanteil gegenüber 82 Prozent Luft/Wasser-Wärmepumpensystemen in der Gunst der Verbraucher deutlich abfallen. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass vermehrt preisattraktive R32-Luft/Wasser-Wärmepumpen in Split-Bauweise in den Markt drängen und damit weniger Motivation besteht, in ein von Bürokratie und Facharbeitermangel teures Erdwärmesystem zu investieren.

PVT-Kollektoren eignen sich besonders gut für die Regeneration von Erdwärmesondenfeldern. Der erzeugte Strom reicht in der Regel aus, ­Wärmepumpe sowie Pumpen- und Nebenantriebe mit Strom zu ­versorgen.

Bild: PVT Solar AG

PVT-Kollektoren eignen sich besonders gut für die Regeneration von Erdwärmesondenfeldern. Der erzeugte Strom reicht in der Regel aus, ­Wärmepumpe sowie Pumpen- und Nebenantriebe mit Strom zu ­versorgen.

Bergrecht wirkt abschreckend auf potenzielle EWS-Anwender

Ein wesentlicher Grund für die eher zögerliche Akzeptanz oberflächennaher Geothermieanlagen ist mit Sicherheit das aufwendige und bürokratische Genehmigungsprocedere und hier insbesondere das Bergrecht, dessen Grundlage noch aus dem Mittelalter stammt.

Dr. Georg Buchholz von der Kanzlei GGSC, Gaßner, Groth, Siederer & Coll., eine Spezialkanzlei für die Gebiete Umwelt, Bauen, Planen, Abfall, Wasser und Energie mit Sitz in Berlin, schätzt oberflächennahe Erdwärmeprojekte wegen der bergrechtlichen Aspekte in der Genehmigung als aufwendig, ungewohnt und zeitraubend ein.

Verwirrend sei zudem die unterschiedliche Zuordnung der Erdwärmenutzung zum Bergrecht in den einzelnen Bundesländern. So werde der Abstand der Erdwärmesonden zur Grundstücksgrenze von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedlich interpretiert, was beispielsweise Quartierslösungen erschwere. In manchen Bundesländern werde die oberflächennahe Erdwärme sogar wie ein schürffähiger Bodenschatz behandelt, obwohl keine bergrechtliche Gewinnung im Sinne eines Bergbaubetriebes stattfindet.

Buchholz fordert deshalb klare Ausnahmen vom Bergrecht für die oberflächennahe Geothermie bis zu einer Bohrtiefe von 400 m. In der anschließenden Diskussion kam der Einwand, dass eine zu starke Vereinfachung des Genehmigungsprocederes womöglich den Bestandsschutz von Erdwärmesonden-Anlagen gefährden könnte. So zeige die Praxis, dass große neue EWS-Anlagen kleine bestehende Sondenfelder in der Peripherie thermisch beeinflussen, im Extremfall sogar Energie über Grundstücksgrenzen hinweg absaugen können. Dies gelte besonders für EWS-Anlagen, die ausschließlich zum Heizen bestimmt sind.

Temperatur-Tiefen-Profile einer Erdwärmesonde in Kronberg im Taunus. Die Ziffern an den Messkurven geben an, nach wie vielen Tagen nach der Verfüllung die Messung durchgeführt wurde.

Bild: HLNUG / Rumohr

Temperatur-Tiefen-Profile einer Erdwärmesonde in Kronberg im Taunus. Die Ziffern an den Messkurven geben an, nach wie vielen Tagen nach der Verfüllung die Messung durchgeführt wurde.

Inflationäre Forschung rund um die Qualitätssicherung von Erdwärmesonden

Seit Jahren steht die Qualitätssicherung bei Erdwärmesonden im Mittelpunkt des Geotherm-Kongresses. Die überbordende Anzahl an Forschungsprojekten zu diesem Thema kann auch als Indiz gewertet werden, dass die Entwicklung rund um die oberflächennahe Geothermie bei weitem noch nicht abgeschlossen ist und Bohrungen und Betrieb von Erdwärmesonden immer noch mit einem erhöhten Risiko einhergehen.

Auch im aktuell laufenden Verbundvorhaben „QEWSplus“ geht es im Grunde genommen darum, vorhandene Unsicherheiten rund um die Ringraumverfüllung von Erdwärmesonden zu analysieren und neue Wege zu besseren Lösungen aufzuzeigen. So wird von den Projektpartnern die Verfüllqualität von einigen Materialien sowie deren Anmischgeschwindigkeit in Frage gestellt. Auch bei der Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit, der Wärmekapazität und dem thermischen Verhalten im Nahbereich von EWS gibt es offenbar noch so große Bandbreiten, dass in der Praxis mit signifikanten Wärmekapazitätsunterschieden gerechnet werden muss.

Ziel des bis Ende 2023 laufenden Projektes ist die Etablierung einer Stoffdatenbank mit Angaben über spezifische und volumetrische Wärmekapazitäten und Wärmeleitfähigkeiten von gängigen Verfüllbaustoffen sowie von ausgewählten Gesteinen.

VDI 4640 Blatt 5 teilweise fraglich?

Die Effizienz einer Erdwärmesonden-Wärmepumpe ist zum großen Teil von den geothermischen Untergrundparametern, wie beispielsweise der „ungestörten Untergrundtemperatur“, abhängig, die im Rahmen des Thermal-Response-Tests erhoben werden. Laut VDI-Richtlinie 4640 Blatt 5 handelt es sich bei der „ungestörten Untergrundtemperatur“ um den Temperaturmittelwert über die EWS-Länge unmittelbar bei Beginn des Thermal-Response-Tests, der meist wenige Tage nach der Ringraumverfüllung stattfindet. Dabei geht es um die Wärmeleitfähigkeit des umgebenden Gesteins, den thermischen Bohrlochwiderstand und die Wärmekapazität des anstehenden Gesteins. Sie ist wichtig für die Absicherung der Ausführungsqualität der EWS, ihrer Leistung und damit auch der Effizienz der Wärmepumpe.

Nach den Erfahrungen von Dr. Sven Rumohr vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), Wiesbaden, triften die realen und die gemessenen Temperaturdaten in Erdwärmesonden oft weit auseinander. Ursache sei der Zeitpunkt der Messung, der meist drei bis vier Tage nach Einbringen der Ringraumverfüllung liegt. Diese frühzeitige Messung führe nach den Erfahrungen des HLNUG zu gemessenen Untergrundtemperaturen, die signifikant höher liegen können als die per Definition „ungestörte Untergrundtemperatur“ und damit zu Fehlannahmen hinsichtlich Leistung und Effizienz der EWS-Wärmepumpenanlage.

Rumohr und sein Team haben deshalb in den letzten fünf Jahren eigene Temperaturprofilmessungen an EWS durchgeführt und sind dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen: Die Temperaturen in den EWS werden in der Frühphase der Fertigstellung überwiegend durch den Wärmeeintrag im Zuge der EWS-Errichtung beeinflusst. Im Detail erfolgt der Wärmeeintrag über:

  • die Temperatur des Erdwärmesonden-Materials, je nach Tagestemperatur beispielsweise 30 °C;
  • das Bohrverfahren, z. B. bei Antrieb eines Imlochhammers per Druckluft in Abhängigkeit der Außenlufttemperatur;
  • die Temperatur der Verfüllbaustoffe;
  • die Verfüllung des Ringraums mit einer hydraulisch erhärtenden Suspension und deren exotherme Reaktion.
  • Außerdem spielen eine Rolle:

  • der Bohrlochdurchmesser;
  • die Menge an Verfüllmaterial in Abhängigkeit von Klüften, Grundwasserspiegel und die Art des Umgebungsgesteins;
  • die Messfahrtgeschwindigkeit der Messsonde.
  • Als Schlussfolgerung aus den Messreihen empfiehlt das HLNUG, die Temperaturmessung frühestens 14 Tage nach Fertigstellung der EWS durchzuführen. Die Empfehlungen der in VDI 4640 Blatt 5 angegebenen Ausgleichszeit sind, Zitat Rumohr, „ungenügend bis falsch. Diese Empfehlungen müssen überarbeitet werden.“

    Fazit

    Erdwärmesonden haben ihre Tücken, ob als Einzelsonde für das Ein- und Mehrfamilienhaus, als Erdsondenfeld nur zum Heizen oder als komplexes geothermisches System zum Heizen, Kühlen und zur saisonalen Energiespeicherung. Die hohe Anzahl an Forschungsprojekten zum Thema Bewirtschaftung von EWS-Feldern, Vorab-Simulation der Erdreichtemperaturen aber auch sehr trivial anmutende Untersuchungen, wie die EWS-Tauglichkeit von Ringraumverfüllmaterial, deuten darauf hin, dass es noch ein weiter Weg zur routinierten Planung, Realisierung und zu einem nachhaltigen Betrieb solcher Anlagen ist.

    Abgesehen davon fehlt es in der Branche an Fachkräften, angefangen bei den Fachingenieuren und weiter bei den Bohrführern bis hin zu den Betriebsingenieuren. Umso wichtiger ist – zumindest bei größeren EWS-Anlagen – ein permanentes Monitoring, denn ist das Erdreich nach Jahren eines unkontrollierten Betriebes erst einmal vereist oder übererwärmt, kann es lange dauern, bis sich der Untergrund wieder in einer thermischen Balance befindet. 

    Wolfgang Schmid,
    freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München.

    Bild: Margot Dertinger-Schmid

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