Interview

Migrationsforscherin: „Es ist uns nicht damit geholfen, wenn wir die Debatte versachlichen“

2015 war auch für sie eine Zäsur: Migrationsforscherin Judith Kohlenberger am Campus der WU Wien, ihrer Arbeitsstätte.
2015 war auch für sie eine Zäsur: Migrationsforscherin Judith Kohlenberger am Campus der WU Wien, ihrer Arbeitsstätte. Die Presse/Clemens Fabry
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Emotionen in der Bevölkerung hätten beim Thema Migration eine starke Berechtigung, sagt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger Dennoch plädiert sie dafür, illegale Migration durch legale zu ersetzen. Für Sebastian Kurz gibt es Lob und Tadel.

Sie sind Migrationsforscherin und haben selbst einen sehr positiven Zugang zum Thema – auch angesichts der starken Migrationsströme der vergangenen Jahre. Verstehen Sie, dass es Menschen gibt, die zu viel Zuwanderung nicht bereichernd finden?

Ich würde es nicht positiv oder negativ nennen. Ich nenne es ressourcenorientiert. Also mit Blick nicht nur auf die Defizite, sondern auch auf die Chancen. Migration ist eine neutrale Gegebenheit, die man ressourcenorientiert gestalten kann. Und ja: Ich habe absolutes Verständnis für Menschen, die das anders sehen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass uns damit geholfen ist, wenn wir die Debatte versachlichen und überhaupt nicht mehr emotionalisieren und nur mehr nüchtern alles abhandeln. Emotionen haben gerade bei dem Thema, der Migration, eine starke Berechtigung. Und es ist wichtig, die auch zuzulassen. Es braucht freilich auch gewisse rote Linien. Aber ich bin schon der Meinung, dass es wichtig ist, sich artikulieren zu können und zu dürfen. Weil uns Emotionen auch dort erreichen, wo es Fakten gar nicht hin schaffen.

Aber wenn man die Migration so weiter laufen lässt jetzt wie zuletzt: Wird sie unsere Gesellschaft nicht überfordern?

Ich finde schon, dass wir uns einem Kipppunkt nähern. Insofern, dass wir nicht die richtigen Regularien und Instrumente haben, die erstens nicht abgestimmt sind auf die Bedürfnisse des Ziellandes, aber auch immer weniger auf die Bedürfnisse der Ankommenden. Das Ganze passt nicht mehr zusammen. Dadurch haben wir auch zu viele irreguläre Formen der Migration. Das sorgt dann auch für die Bilder von Chaos und Kontrollverlust: Man weiß nicht, wer da kommt, zu welchen Bedingungen. Diese irregulären Ankünfte muss man in die Regularität zu bekommen.

Und zwar wie?

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