Feuilleton Von Briefen, Briefträgern, Briefkästen…

« Von der Mutter einen Gruß»… Wer kennt nicht das alte, vertraute Kinderlied vom Vogel, der geflogen kommt mit einem Brief im Schnabel, der « von der Mutter einen Gruß» bringt, aber nicht lange bleiben kann, weil er weiterfliegen muss…
Emma Guntz - 26 févr. 2012 à 05:00 - Temps de lecture :
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So märchenhaft oder unglaublich ist das Liedchen gar nicht, denn bei der Vielfalt der ersten Briefzustellungen, die im allgemeinen durch Läufer oder in regelmäßigen Abständen postierte Reiter besorgt wurden, ist der Gebrauch von Vögeln, sprich Brieftauben nicht unbedingt auszu- schließen.

Unser Briefträger

Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte jeder Postbezirk, jedes Straßenviertel « seinen » angestammten Briefträger. Unser letzter « regelmäßiger » Briefträger war ein wirkliches Original. Er war zuverlässig. Er kannte einen jeden in der Familie und betrachtete sich fast zur Familie gehörig. Er kommentierte die ankommende Post und erkundigte sich nach dem Wohl- oder Schlecht-Ergehen der verschiedenen Familienmitglieder. Doch er war alles andere als flink. War man am Ende seiner Austrage-Tournee programmiert, so konnte man selten vor zwei oder drei Uhr nachmittags mit seiner Post rechnen. Auch gutes Zureden half kaum etwas. Böse Zungen behaupteten, dass er sich zwischen elf und zwölf Uhr auf eine sichtgeschützte Treppenstufe setze und « Le Monde » lese. Dass er die Postkarten überflog, ging ganz klar daraus hervor, dass er das Draufstehende mehr oder minder unschuldig kommentierte. « Ihre Mutter kommt also bald zu Besuch », sagte er beispielweises. Oder « Wie schade, dass Ihr Sohn sein Examen in Paris nicht bestanden hat. Was wird er jetzt tun ? »

Das und andere Eigenheiten konnten manchmal irritieren (wenn er allzu spät eintraf) oder rühren (wenn er Tröstendes sagen wollte). Aber wir alle waren im Lauf der Jahre mit ihm zusammengewachsen und waren bekümmert, als er in Pension ging.

Seither lösen sich die Briefträger und Briefträgerinnen immer rascher einander ab. Sie sind zwar meist schneller, werden aber selten zu Vertrauten und beklagen sich bei Gelegenheit darüber, dass man sie ohne ersichtlichen Grund von einem Revier zum andern hetze, und dass sie oft andere vertreten müssten, was wiederum einen Vertretungsersatz für sie nötig mache. « Wo ist die Logik ? », fragen sie. Ich komme öfters mit ihnen ins Gespräch, weil unser – nicht dem Reglement entsprechender – Briefkasten sich in einem Mäuerchen am Fuß der Sandsteintreppe befindet und nur durch einen schmalen Schlitz zugänglich ist. Voluminöse Briefsendungen werden daher an die Haustüre gebracht, was einen kleinen Schwatz nach sich zieht. Auch ein Schokoladetäfelchen oder ein kühler Trunk im Sommer sind nicht unwillkommen.

Hausbriefkästen

Es gibt viele Arten von Hausbriefkästen, in denen die Briefträger die für die Postkunden bestimmte Post ablegen können. Meist handelt es sich um größere oder kleinere, viereckige oder abgerundete, meist graufarbene Metallkästen, die am Gartenzaun oder – je nach der Art des Hauses – innen oder außen an der Hauswand angebracht sind.

Briefkästen wurden notwendig, als der Briefaustragedienst im 19. Jahrhundert eine Staatsangelegenheit wurde. Außerdem musste mit der allmählichen Einführung von Briefmarken (zu allererst im Jahr 1853 in England) der jeweilige Postbote nicht mehr überall persönlich vorstellig werden, um das Botengeld einzukassieren. Er wurde ein Angestellter mit einem festen Gehalt. Was zufriedene Kunden aber keineswegs abhielt oder abhalten sollte, ihm ab und zu ein Trinkgeld oder einen Leckerbissen zuzustecken. Besonders wenn der bewusste Briefträger oder die Briefträgerin eine gute Nachricht gebracht haben.

Das persönliche Verhältnis zu den Briefträgern hat sich vor allem in ländlichen Gegenden noch lange aufrecht erhalten. Im kleinen Odenwalddörfchen meiner Großeltern wurde die meist spärliche Post immer persönlich abgegeben, dann wurde schnell ein Malzkaffee getrunken und vor allem die neuesten Nachrichten aus dem Nachbarort ausgetauscht. Nur wenn niemand zuhause war, warf der Briefträger die Briefe und die Rhein-Neckarzeitung durch einen Schlitz, der in die vordere Haustüre eingelassen war. Dort plumpsten die Umschläge auf den schwarz und weiß gepunkteten Terrazzofußboden und schlitterten oft bis unter die Kommode, die im Hausflur stand.

In unserem Bruchsaler Mietshaus waren in drei Dreierreihen metallene Briefkästen vor der großen Eingangstüre angebracht. Sie waren nur für ein normales Briefformat bestimmt. So kam es, dass wir unsere Briefträgerin recht oft zu sehen bekamen. Sie stieg keuchend die drei Stockwerke hinauf und lieferte die für meinen Vater bestimmten Büchersendungen ab. Und sie erwartete und bekam jedesmal das von beiden Parteien als gerecht erachtete Trinkgeld.

Was man alles im Briefkasten finden kann

Wie schon beschrieben ist unser heutiger Briefkasten in die niedrige Umgebungsmauer des Gartens eingelassen und zwar am Fuß der Treppe, die zur Haustüre führt. Vom Esszimmerfenster aus kann man durch ein paar in das Briefkastentürchen eingestanzte Rundungen ersehen, ob « die Post » schon da war. Im Zeitalter des Telefons, der SMS, des Internets und der in Windeseile an beliebig viele Personen gesandten « E-Mails » sind persönliche Briefe seltener und dafür um so kostbarer geworden. Postkarten gibt es Gottseidank immer noch. Erstaunlicherweise sind es recht viel jüngere Leute, die auf Reisen an die Daheimgebliebenen denken und sie mit bunten Sehenswürdigkeiten beglücken. Dann sind da die (allzu vielen) Rechnungen, die zu begleichen sind, die verschiedenen Steuererklärungen und Zahlungsaufforderungen, die Mitteilungen der Krankenkasse, die Ergebnisse der in einem gewissen Alter immer häufiger werdenden medizinischen Unter-suchungen, und, und, und…

Werbung für alles und jedes

Nicht zu übersehen und ausgesprochen lästig sind die unzähligen Werbeprospekte, die säuber- lich an uns adressiert den Briefkasten bevölkern. Da werden die verschiedensten Arbeiten angeboten, wobei auf rosa oder hellgelben Zetteln ein namenloser, nur mit einer Handynummer identifizierter « Unternehmer » so verschiedene Fähigkeiten wie Maurer, Gipser, Elektriker, Maler und noch einiges mehr in seiner einzigen Person zu vereinigen scheint und seinen technisch hochqualifizierten Rat anbietet. Andere kündigen das Abholen von gut erhaltenen Kleidern, Schuhen, Lederwaren und Bettwäsche für gute Zwecke « in afrikanischen Ländern » an. Und alle, alle versprechen im Brustton der Überzeugung, dass sie unser aller Leben erheblich erleichtern und verschönern können.

Wunderbare Fähigkeiten

Die amüsanteste Form der Werbung sind zweifellos diese bunten Winzigzettel auf oft schlech- tem Papier, auf denen die unglaublichsten Versprechen gemacht werden. Es gibt anschei- nend Leute, die auf solche unsinnig anmutenden Anpreisungen hereinfallen und die Handynummer anrufen, die wie bei allen Briefkastenwerbungen die Adresse ersetzt. Der letzte Zettel dieser Art, den ich unserem Briefkasten entnahm, war in schlichtem Weiß gehalten und ging von jemandem aus, der sich « Maître Y. » nannte. Spezialist in Liebesangelegenheiten sei er und würde auch die verzweifelsten Fälle einem guten Ende zuführen. Das habe ihm – so stand da schwarz auf weiß – einen soliden Weltruf eingebracht. Auch habe er da Erfolg, wo alle anderen versagt hätten. « Deinen Mann, Deine Frau, Deine Freundin oder Deinen Freund » – Maître Y. duzt natürlich seine zukünftigen Kunden –, « die mit jemandem anderen auf und davongegangen sind, bringe ich im Nu zurück. Ein Anruf genügt ! » Und die Untreuen, so verspricht er, würden für immer und ewig zurückkommen. Er verheißt auch Glück im Spiel und weiß wirksamen Schutz gegen das böse Auge. Böse Geister treibt er aus und heilt sogar bisher unbekannte Krankheiten. Außerdem garantiert er all seine « Arbeiten » auf Lebenszeit und « zu hundert Prozent ». Und das Beste vom Besten : Er räumt Zahlungserleichterungen ein und arbeitet von morgens neun Uhr bis abends halb zehn Uhr. Natürlich steht er auch telefonisch oder brieflich zur Verfügung. Herz, was begehrst Du mehr ?

Ein Brief aus alten Zeiten

Das Briefeschreiben und Briefeverschicken und Briefeerhalten dürfte wohl mit der Erfindung der Schrift begonnen haben. Es gibt Briefe in Keilschrift aus dem Jahr 2400 v. Christus. Da ist der im Alten Testament erwähnte Brief Davids an Joab wegen Bethsabes Mann Uria, und aus der römischen Zeit ist der große Redner Marcus Tullius Cicero (106-43) als überaus eifriger Briefeschreiber bekannt. Rund 1 000 seiner Briefe aus den Jahren 68-43 v. Chr. sind erhalten. Sie richten sich an seinen Freund Atticus, an seine Familie (u.a. an seine Frau Terentia, seine Tochter Tullia), an seinen Bruder Quintus und an Brutus. Dank seiner Briefe kennen wir Cicero in seinen geheimsten Regungen wie keinen anderen Menschen der Antike. Ciceros Privatbriefe wurden durch Boten überbracht. Erst unter Augustus wurde eine römische Staatspost eingerichtet, die Privatpersonen allerdings nicht benutzen durften.

Cicero war ein leidenschaftlicher Sammler von Kunstwerken, von denen er nie genug bekommen konnte. Das geht aus dem ganz zeitgenössisch anmutenden Brief hervor, den er im Jahr 67 an seinen Freund, Gönner und Verleger Atticus schrieb : « Den Deinen geht es wunschgemäß. Deine Mutter, Deine Schwester und mein Bruder Quintus sind mir lieb und wert. Deinem Rechnungsführer L. Cincius ließ ich zufolge Deinem Schreiben 20 400 Sesterzen für die Bildwerke aus Megarischem Marmor zukommen. Du stellst mir weitere Marmorstandbilder mit Bronzeköpfen in Aussicht, auf die ich mich schon jetzt sehr freue. Schicke sie mir doch recht bald, wie überhaupt alles an Kunstwerken, was Du beschaffen kannst, soweit es dir für die Aufstellung hier in meiner Villa in Tusculum geeignet erscheint. Besorge mir außerdem Bilder für die Decke meiner kleinen Halle ! Mögen andere meine Begeisterung für solche Dinge tadeln, ich rechne auf Deine Hilfsbereitschaft. Meine kleine Tullia will durchaus das von dir versprochene Geschenk so schnell wie möglich in Händen halten. Bleib gesund und behalt mich lieb. ».