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EU-Strommarktreform: Parlament einigt sich auf kleinsten gemeinsamen Nenner
EU-News | 25.07.2023
#Klima und Energie

EU-Strommarktreform: Parlament einigt sich auf kleinsten gemeinsamen Nenner

Erneuerbare Energien / Solarpanele

Am 19. Juli gelang den Verhandlungsführer*innen im EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) die Einigung auf einen Kompromiss bei der Strommarktreform. Ein grundlegendes Neudesign wurde nicht erreicht, dafür wurde der Verbraucherschutz gestärkt. Durch die Übereinkunft ist der Weg frei für Trilog-Verhandlungen.

So enthusiastisch begrüßte die Renew Europe-Fraktion die Annahme der EU-Strommarktreform-Vorlage, dass man auf die Idee kommen könnte, es sei die Quadratur des Kreises gelungen: „Die EU-Strommarktreform fördert Energiesicherheit, Preisstabilität und Dekarbonisierung und gewährleistet gleichzeitig Marktflexibilität und Wettbewerbsfähigkeit!“,  twitterte die Fraktion.

Die Verhandlungsführer*innen von S&D, EVP, Grüne/EFA und Renew Europe zeigten sich mit dem Ergebnis einhellig zufrieden. Dabei schwang augenscheinlich große Erleichterung mit, denn diesen Kompromiss zu finden, war nicht leicht gewesen. Gestritten wurde vor allem über Atomkraft und Kohle sowie die Differenzverträge (CfD). Am Ende einigte man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Anlass für die Reform des EU-Strommarktes war die Energiekrise 2022. Ziel der Überarbeitung ist es, Strompreise - insbesondere für Verbraucher*innen - zu senken, den Ausbau der Erneuerbaren zu fördern und für stabile, wettbewerbsfähige Preise im Strommarkt zu sorgen.

Ergebnisse des Parlamentsbeschlusses

Die Abschöpfung von Übererlösen bei den Energieerzeugern ist ebenso vom Tisch wie ein Preisdeckel in Krisenzeiten (Revenue Cap). Abgelehnt hat das EU-Parlament auch den Vorschlag der Kommission, CfDs zwingend vorzuschreiben, sobald Regierungen in den Markt eingreifen, um Investitionen in die Stromerzeugung zu unterstützen. Unterschiedliche nationale Subventionssysteme sollen erhalten bleiben, sie müssen allerdings von der EU-Kommission als Äquivalente zu CfDs genehmigt werden. CfDs sollen ausschließlich neue Anlagen, Repowering sowie die zusätzliche Energiekapazität bei Laufzeitverlängerung abdecken. Eine Ausweitung auf Bestandsanlagen, wie Frankreich es sich für seine bereits im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke wünscht, ist nicht vorgesehen. Es ist absehbar, dass dieser Punkt zu Differenzen mit dem Rat führen wird, sobald dieser seine Position festgelegt hat und das Gesetzgebungsverfahren in den Trilog geht. Allerdings fanden auch Anträge für eine einfachere Förderung von Kernenergie und Subventionen für Kohlemeiler über Kapazitätsmechanismen keine Mehrheit im EU-Parlament.

„Wir wollten das System nicht revolutionieren“, kommentierte Morten Petersen, Verhandlungsführer der liberalen Renew-Fraktion, das Ergebnis. Michael Bloss, der für Bündnis 90/Die Grünen im EU-Parlament sitzt und für die Fraktion Grüne/EFA die Verhandlungen führte, betont die Berücksichtigung sozialer Komponenten und die Stärkung des Verbraucherschutzes im nun vorliegenden Verhandlungsmandat des EU-Parlaments.

„Mit dem neuen Recht auf 'Energy Sharing' geben wir den Menschen die Macht zur Energieproduktion selbst in die Hand. Mit der Strommarktreform geben wir ein neues soziales Versprechen: Niemand darf im Dunkeln sitzen. Stromsperren sollen verboten werden“, betont er auf seinem Blog. Dabei bezieht er sich auf den EU-Rechtsrahmen für das Einspeisen und Speichern von grünem Strom durch Bürger*innen, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, der installiert werden soll. Das Energy Sharing soll in die EU-Richtlinie zum Strommarkt integriert und muss dementsprechend in nationales Recht umgesetzt werden. Außerdem sollen Verbraucher nun zwischen Fixpreisverträgen und Verträgen mit flexibler Preisgestaltung wählen dürfen. Energieversorger sollen zur Aufschlüsselung von Stromkosten verpflichtet werden.

Kritik kommt von der Linken

Doch nicht alle sind mit dem Kompromiss zufrieden. Unter Verweis auf die von ihrer Fraktion herausgegebenen Studie „Power to the People - What is missing in the EU Electricity Market Design Reform?“ kritisiert Cornelia Ernst, Abgeordnete für die Linke, dass die wirklichen Probleme nicht angegangen worden seien.

„Es ist fatal, dass die sogenannte Merit-Order nicht angerührt wird. Das bedeutet, dass teure Gaskraftwerke weiterhin die Preissetzung für Strom bestimmen und die Kostenvorteile der Erneuerbaren nicht immer an die Endkund:innen weitergegeben werden. Hier wäre eine Entkoppelung dringend geboten gewesen", urteilt sie. 

In der Plenarsitzung im September ist nur eine Verkündung des Berichts aus dem Industrieausschuss vorgesehen und keine Abstimmung über weitere Änderungen. Da der Kompromisstext am 19. Juli ohne erneute Plenarabstimmung angenommen wurde, könnte es sein, dass die rechtspopulistischen bzw. rechtsextremen Fraktionen ECR und ITS dagegen vorgehen und auf der Plenarsitzung eine Abstimmung einfordern werden. Der Chefverhandler im Parlament, der spanische EU-Parlamentarier Nicolás Casares (S&D), möchte das Trilogverfahren mit EU-Rat und EU-Kommission möglichst vor Jahresende abschließen.  [ym]

 

EU-Parlament: Pressemitteilung.

Euractiv: Politische Einigung über Strommarktreform.

Euractiv: Europäisches Parlament stimmt für minimale Eingriffe.

Pressemitteilung Michael Bloss: Ausschuss beschließt Parlamentsposition.

Pressemitteilung Cornelia Ernst: Neue Studie veröffentlicht.

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