Ein neues Gesetz mit sperrigem Namen soll eigentlich beim Problem der Lieferengpässe helfen. Stattdessen wird es uns die Arbeit in der Apotheke schwer machen. Was mich daran frustriert.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber der Referentenentwurf dazu, der eigentlich bereits Ende 2022 vorliegen sollte, wurde diese Woche, am 14. Februar 2023, veröffentlicht. Werfen wir also einen Blick auf den Plan mit dem sperrigen Namen „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG)“, der bald Ärzte, Apotheker und Patienten entlasten soll. Hält das Gesetz, was es verspricht oder wurde es – wie so oft – zu verkopft und mit zu viel bürokratischem Aufwand angegangen? Ich frage mich außerdem: Was bleibt bei den Apotheken für ihren Mehraufwand hängen?
Es ist nichts Neues, dass Lieferengpässe bei Arzneimitteln immer häufiger werden. Für Patienten besonders problematisch waren Lieferengpässe bei Arzneimitteln zur Krebstherapie. Hier sei z. B. Tamoxifen genannt, das 2022 extrem schwierig zu beschaffen war. Aber auch schmerzlindernde und fiebersenkende Medikamente für Kinder, die derzeit als Zäpfchen oder Säfte fehlen, oder die Mangelversorgung mit Antibiotika treiben die Apotheken um.
Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine sorgen außerdem zu strukturellen Schwierigkeiten durch die Rabattverträge der Krankenkassen. Die Globalisierung des Arzneimittelmarktes mit Lieferkettenunterbrechungen der nach Indien oder China outgesourcten Wirkstoffherstellung führten noch zu einer Verschärfung der Situation. Jetzt sieht sich das Bundesgesundheitsministerium endlich gezwungen, einzuschreiten.
Der Referentenentwurf nennt als Möglichkeiten, hier als Staat Einfluss zu nehmen:
Für die Apotheke sind besonders die Abschnitte des Referentenentwurfes interessant, in denen es um den Austausch nicht lieferbarer Arzneimittel geht. Hier heißt es:
„Erfolgt in der Apotheke aufgrund einer Nichtvorrätigkeit ein Austausch des verordneten und nach § 52b Absatz 3c Satz 2 Nummer 2 des Arzneimittelgesetzes gelisteten Arzneimittels gegen mehrere Packungen mit geringerer Packungsgröße, ist die Zuzahlung nach Satz 1 nur einmalig auf der Grundlage der Packungsgröße zu leisten, die mit der abgegebenen Menge vergleichbar ist. Sofern in der Apotheke anstatt der verordneten Packungsgröße nur eine Teilmenge aus dieser Packung abgegeben wird, ist die Zuzahlung nach Satz 1 um den Prozentsatz zu reduzieren, der von der verschriebenen Packung nicht abgegeben wurde.“
Da sehe ich schon Patienten und pharmazeutisches Personal die Taschenrechner zücken und rechnen – nicht gerade zeitsparend. Hier wäre es einfacher gewesen, außer bei der Abgabe von mehreren Kleinpackungen natürlich, bei der regulären Zuzahlung zu bleiben. Viel gravierender und unverständlicher ist jedoch, dass die gelockerten Abgaberegelungen, wie wir sie seit dem Beginn der Corona-Pandemie kennen, nicht beibehalten werden.
Absatz 2a lautet: „Abweichend von Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 und dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 können Apotheken bei Arzneimitteln, die in der Apotheke nicht vorrätig sind und die auf der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 52b Absatz 3c Satz 2 Nummer 2 des Arzneimittelgesetzes aufgeführt sind, das verordnete Arzneimittel gegen ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung […] abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird.“
Das bedeutet, dass in den Apotheken für alle Arzneimittel, die nicht zu bekommen sind, die aber nicht auf der Liste des BfArM stehen, die vereinfachten Abgaberegelungen nicht mehr greifen. Es wird also nach dem 7. April 2023, wenn die alte Regelung ausläuft, so sein wie früher: Bei jedem Austausch wird zum Hörer gegriffen und die Arztpraxis angerufen, um das Rezept ändern zu lassen. Dem Verordner war es bislang üblicherweise herzlich egal, ob wir zu Ratiopharm, Neuraxpharm, Hexal oder 1A-Pharma gegriffen haben – Hauptsache, der Patient war versorgt. Demnächst bedeutet es für uns also einen Mehraufwand, um bei der Praxis mit einer Frage durchzudringen, deren Antwort vermutlich ein genervtes „Machen Sie doch, was sie wollen!“ sein wird. Und das mehrfach täglich.
Das belastet unsere Beziehung zu den Hausärzten und heißt für den Patienten, dass er für ein obligatorisches Abnicken viel Zeit in der Apotheke verbringen und Personal unnötig gebunden wird. Die Liste des BfArM führt bei Weitem nicht alle Medikamente auf, die derzeit schwer zu bekommen sind und ist zudem per se auf rezeptpflichtige Präparate beschränkt – was ausgerechnet viele der Medikamente ausschließt, die für Kinder auf Kassenrezept verordnet werden dürfen. Da hatte man doch wirklich gehofft, dass das Gesetz durchdachter formuliert wäre, gerade angesichts der jüngsten Versorgungsengpässe mit Paracetamol-Zubereitungen!
Doch es kommt noch mehr: Ein weiterer Stein des Anstoßes ist die Vergütung, die Apotheken für einen Austausch wegen Lieferengpass erhalten. Dazu §3 Absatz 1a: „Im Falle des Austauschs eines verschriebenen Arzneimittels nach § 129 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist durch die Apotheke ein Zuschlag in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben […]. Satz 1 gilt auch für den Fall der Abgabe von Teilmengen aus einer Packung anstelle der Abgabe der verschriebenen Packungsgröße.“
Eine Vergütung von 50 Cent für den Aufwand, den eine solche Suche nach einem lieferbaren Arzneimittel bedeutet, ist eher symbolischer Natur und wird der Zeit, die man dafür opfert, sicher nicht gerecht. ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening hat sich daher auch bereits entsprechend geäußert. Sie fordert zum einen die erleichterten, bewährten Austauschregeln für Arzneimittel uneingeschränkt aufrechtzuerhalten und zum anderen einen „finanziellen Engpass-Ausgleich“ für das Management der Lieferengpässe. Sie sagt ganz klar: „Die Apothekerinnen und Apotheker für die aufwändige Problemlösung mit 50 Cent abspeisen zu wollen, ist eine Herabwürdigung der Leistungen unserer Apothekenteams. Dagegen werden wir uns wehren.“
Für mich persönlich ist das Streichen der vereinfachten Abgaberegelungen im Alltag sicherlich das aufwändigste Problem, das dieser Referentenentwurf verursacht. Im Grunde müssen wir also ab der zweiten Aprilwoche in der Apotheke bei jedem zweiten oder dritten Rezept erst einmal einen Blick auf die aktuelle BfArM-Liste werfen, um nachzusehen, ob wir austauschen dürfen. Wenn nicht, bedeutet es einen Anruf beim sicherlich davon genervten Arzt, oder die Rückgabe der Verordnung an den Patienten mit einer Notiz an die Praxis, was geändert werden muss, damit dieser sich noch einmal auf den Weg macht.
Gerade bei Eltern eines kranken Kleinkindes wird dieses Vorgehen auf wenig Verständnis stoßen. Der Referentenentwurf ist in meinen Augen für die Apotheke ein sehr deutlicher Rückschritt zu dem, was wir derzeit zur Verfügung haben – und die 50 Cent Vergütung, die wir dann auch noch mit Sonder-PZN und handschriftlich auf dem Rezept begründen müssen, sind nicht einmal ein Trostpflaster, sondern gefühlt eher ein Schlag ins Gesicht. Patientenwohl und die Arbeit der Apotheke scheinen den Entscheidern im BfArM jedenfalls offensichtlich nicht genug wert zu sein. Wir dürfen gespannt sein, wie und ob sich die ABDA tatsächlich dagegen wehren wird.
Bildquelle: Clay Banks, unsplash