Ingolstadt
Emotionen eingebettet in Klang

Umjubelt: Big Pete Pearson & The Gamblers beim Bluesfest Ingolstadt

08.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:29 Uhr

Pete Pearson und Gitarrist Ray Scona bei ihrem Auftritt im Rahmen des Ingolstädter Bluesfestivals - Foto: Löser

Ingolstadt (DK) Im Blues, der nie so sehr mit Jugendkultur oder Protest in Verbindung gebracht wurde wie Rock oder Pop, kann man als Musiker in Würde altern. Singt ein in eine enge Ledermontur gezwängter Altrocker jenseits der Sechzig unbeirrt über sein „Baby“, kann das schon mal peinlich wirken, tut Selbiges ein Bluesmann wie Big Pete Pearson aus Phoenix/Arizona, freut man sich für ihn, dass er mit 79 Jahren noch so fit und gut bei Stimme ist und sich glücklicherweise einst für das musikalische Genre des Blues entschieden hat.

Wobei man sich für den Blues ja nicht entscheidet. Er kommt über einen, man hat ihn oder man hat ihn eben nicht. Big Pete Pearson hat ihn zweifelsohne. Er kann vermutlich gar nicht anders als – wie beim Bluesfest-Konzert in der Neuen Welt hör-, sicht- und vor allem deutlich fühlbar wird – ihn aus sich herauszuschreien. Pearson hat mit dieser speziellen Musik nicht nur beruflich zu tun, sondern hat sie sich zum Lebensinhalt erkoren. Erfahrungen, Erinnerungen Entbehrungen, Momente des Glücks – alles aus dem Leben des Künstlers fließt in seinen Songs zusammen. Der Blues ist Pearsons Tagebuch, aus dem er während des Konzerts in der Neuen Welt rezitiert, in das er gleichzeitig aber auch fortwährend Neues einfügt.

Denn Pearson stützt sich nicht wie viele Bluesveteranen lediglich auf die Klassiker seines Genres, sondern schreibt weiterhin unverdrossen neue Songs. „The Screamer“, „Choose“, „Tin Pan Alley“ und „Paycheck“ sind erstklassige Beispiele dafür, dass man sich durchaus mit Klischees wie der entlaufenen Geliebten, dem Mangel an Geld oder einem guten Drink in einer zwielichtigen Spelunke beschäftigen kann, dabei aber nicht zwangsläufig in Belanglosigkeiten abrutschen muss. Nachdem Pearson mit Guitar Ray & The Gamblers aus Genua auch noch eine der besten Bluesbands Europas im Rücken hat, die die Aussage seiner Songs quasi mit Tönen kommentiert oder fortführt, ist schließlich alles bestens angerichtet für einen Bluesabend, den die Anwesenden wohl so schnell nicht vergessen werden.

Ja, Pearson und der Band gelingt es, eine Aura zu schaffen, in der es phasenweise gar nicht mal mehr in erster Linie um Töne, Skalen und Melodien geht, sondern um in Klang eingebettete Emotionen, Herzschläge, Träume und Empfindungen. Der spezielle Blues Pearsons ist nicht nur ein akustisches, sondern vor allem ein emotionales Phänomen, das seine komplette Wirkung auf optimale Weise wohl nur von einer Konzertbühne herunter entfalten kann, am besten im intimen Rahmen, wie ihn Klubs wie die Neue Welt bieten.