Ingolstadt
"Ich habe mich zurückgenommen"

CSU-Fraktionschef Genosko über seine Nachfolge und die baldige Pensionierung als Professor

19.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:20 Uhr

„Der Platz hat sich in der Tat als Mittelpunkt des Dorfes entwickelt“: Schirmherr Genosko beim DK-Interview in Rothenturm, wo der CSU-Fraktionsvorsitzende seit 14 Jahren wohnt - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) In der größten Stadtratsfraktion darf ab sofort spekuliert werden, wer die besten Chancen hat, 2017 den amtierenden Vorsitzenden Joachim Genosko (65) zu beerben. Der Wirtschaftsprofessor steht nicht nur beruflich kurz vor dem Ruhestand, sondern lässt in drei Jahren auch die politische Karriere ausklingen. In den vergangenen Wochen haben ihn aber vermutlich die Turbulenzen an der Uni mehr beschäftigt als die Politik, wie Genosko im letzten der DK-Sommerinterviews zu erkennen gibt.

 

 

Herr Genosko, wer ist leichter zu führen: die CSU-Stadtratsfraktion oder die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt?

Joachim Genosko: Im Moment bin ich der Meinung, dass die CSU-Fraktion etwas einfacher zu führen ist als die Universität, nicht zuletzt deswegen, weil in der Universität viel mehr Leute an diesen Diskussionen beteiligt sind, weil die Interessengegensätze und unterschiedlichen Meinungen viel breiter auseinandergehen als in der Fraktion.

 

Und in der CSU-Fraktion gibt einer den Kurs vor, dem alle folgen müssen.

Genosko: Das würde ich jetzt nicht sagen. Im Gegenteil. Die Fraktion diskutiert sehr intensiv, sogar noch intensiver als in der Periode vorher, weil sich die neuen und jungen Stadträte stark einbringen.

 

Ihr Koalitionspartner Peter Springl findet, dass die Freien Wähler trotz der verlorenen Wahl an Bedeutung gewonnen haben. Regieren Sie lieber mit knappen Mehrheiten?

Genosko: Natürlich hat alles seine Vor- und Nachteile. Allerdings wäre es mir schon lieber, wenn die Mehrheiten etwas deutlicher wären. In der jetzigen Lage ist es immer notwendig, dass die gesamte Fraktion bei Plenarsitzungen anwesend ist. Wenn bei uns ein, zwei Leute fehlen, kommen wir bereits an den Rand der Mehrheitsfindung. Andererseits haben knappe Mehrheiten den Effekt – das hat auch die große Politik gezeigt –, dass sie in gewisser Weise disziplinierend auf die beteiligten Fraktionen wirken.

 

Dass es tatsächlich knapp werden kann, hat man ja zuletzt bei der Wahl des neuen Umweltreferenten gesehen. War denn die Unterstützung der Freien Wähler für Rupert Ebner nicht Teil der Koalitionsabsprachen?

Genosko: Nein, ausdrücklich nicht. Die Freien Wähler haben uns immer erklärt, dass sie bei dieser Wahl freie Hand haben wollen. Das heißt, sie wollten erst dann entscheiden, wenn sich Herr Ebner und seine Mitbewerberinnen und Mitbewerber vorgestellt haben. Insofern hat das Abstimmungsergebnis auch keinerlei Spannungen innerhalb der Koalition herbeigeführt.

 

Nach dem Ausscheiden Wolfgang Scherers wird die Stadt erst im Spätherbst wieder einen neuen Baureferenten haben. Ist das nicht ein denkbar schlechter Zeitpunkt für einen Wechsel – angesichts der Rieseninvestitionen und noch dazu des laufenden Bauamtsprozesses am Amtsgericht?

Genosko: Sicherlich macht das die Sache nicht einfacher. Man muss jetzt einfach akzeptieren, was der Oberbürgermeister und der Baureferent miteinander besprochen haben. Natürlich belastet dieser Prozess etwas die Lage im Baureferat. Ich kann mir vorstellen, dass die Beteiligten angespannt sind. Aber ich denke, dass spätestens im Herbst das Baureferat wieder ganz normal laufen wird.

 

Grünen-Fraktionschefin Petra Kleine bescheinigt dem neu gewählten Stadtrat mehr Kreativität. Weniger Genosko, mehr bunte Vielfalt, so hat sie sich ausgedrückt. Lassen Sie es jetzt ruhiger angehen?

Genosko: Na ja, wenn in drei Jahren der Fraktionsvorsitz wechseln soll, muss die Fraktion sich darauf einrichten, dass sie jemand Neuen hat, der sich in das Amt einfindet. Für jemand, der als Nachfolger infrage kommt, ist es ganz praktisch, wenn man heute schon lernt, wie Diskussionen im Stadtrat zu führen sind. Ich habe mich da in den letzten Sitzungen ganz bewusst zurückgenommen. Meine beiden Stellvertreter, Brigitte Fuchs und Franz Wöhrl, haben angeboten, mich zu entlasten. Außerdem hat mich schon seit Ende Juni die Universität so in Anspruch genommen, dass ich verschiedene Termine nicht wahrnehmen konnte. In diesen Wochen war die Universität einfach wichtiger.

 

Hat sich das Klima im neuen Stadtrat tatsächlich verändert?

Genosko: Die Diskussionen sind im Moment auf alle Fälle lebendiger und länger. Es wird sehr ausführlich diskutiert. Ob das ein Vorteil oder Nachteil ist, weiß ich nicht. Die neuen Stadträtinnen und Stadträte haben zunächst das Bedürfnis mitzureden. Erfahrungsgemäß wird sich das dann im Lauf der Wahlperiode etwas legen. Auch am Anfang der Amtsperiode von Alfred Lehmann sind die Sitzungen etwas länger ausgefallen. Im Lauf der Zeit hat sich das alles eingeschliffen.

 

Die sozialen Netzwerke scheinen die Politik immer stärker zu beeinflussen. OB Lösel hat von einem transparenten Stammtisch gesprochen, den er durchaus ernst nimmt. Für Sie ist vermutlich der richtige Stammtisch in Rothenturm wichtiger.

Genosko: Ja. Vor allem, weil man beim Stammtisch in Rothenturm, der immer am Sonntag im Gasthof Stangl stattfindet, den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar gegenübersitzt. Da kriegt man unmittelbar die Reaktion, während man bei Facebook oder wo auch immer auf etwas antworten kann oder auch nicht. Am Stammtisch wird natürlich erwartet, dass man eine kritische Anmerkung auch beantwortet.

 

Sitzen Sie regelmäßig am Stammtisch?

Genosko: Wenn ich sonntags keine Termine habe, bin ich eigentlich regelmäßig dabei. Das sind zehn, zwölf Leute aus Rothenturm. Es kommt aber durchaus vor, dass Bürger, die zum Mittagessen im Gasthaus Stangl sind, mit mir ihre Probleme bereden und mir etwas in die Tasche stecken, was ich bitte erledigen soll.

 

Sie wollten das Interview hier am neuen Dorfplatz Rothenturm führen. Was bedeutet so ein Platz in einer Stadt wie Ingolstadt, die sonst extrem durch Auto, Technik und Industrieproduktion geprägt wird?

Genosko: Der Platz hat sich in der Tat als Mittelpunkt des Dorfes entwickelt. Wenn das Wetter heute etwas schöner wäre, wären jetzt um diese Zeit schon die Kinder am Spielplatz. Es kommt dazu, dass dieser Dorfplatz und vor allem das Feuerwehrhaus nebenan das Zusammengehörigkeitsgefühl ganz wesentlich gestärkt haben. Im Prinzip haben alle beim Bauen mitgeholfen. Es gab hier eine fast idealtypische Bürgerbeteiligung. Praktisch waren es am Schluss 13 Leute, die von einer großen Versammlung bestimmt worden sind, um zusammen mit der Stadtplanung diesen Platz und das Feuerwehrhaus zu gestalten.

 

Ein anderes Bauprojekt der jüngsten Zeit hat ein weniger harmonisches Ende gefunden. Wegen der Kostenexplosion bei der Halle 9 am Bahnhof hat es großen Ärger gegeben. Sind beim Bau des neuen Kunstmuseums genügend Sicherungen eingebaut, dass so etwas nicht noch einmal passiert?

Genosko: Der Projektsteuerer war bei uns in der Fraktion und hat uns versichert, dass er einen solchen Puffer in den Baukosten hat, dass er die am Schluss genannten 25,3 Millionen Euro nicht überschreiten wird. Das heißt, das Museum soll nicht teurer werden, selbst wenn die Museumsbuche erhalten wird und man den Bau an dieser Buche ausrichtet.

 

Und die Bedenken, die Bürgermeister Wittmann wegen des von den Architekten geplanten Lichtbandes geäußert hat, sind ausgeräumt?

Genosko: Diese technischen Sachen sind noch mal diskutiert worden. Das Architekturbüro Querkraft hat auf Referenzbauten verwiesen, zum Beispiel in Köln. Es ist uns versichert worden, dass dieses Problem lösbar ist.

 

Nach dem Urlaub wartet auf Sie im September die Pensionierung. Ist damit das Kapitel Universität für Sie abgeschlossen?

Genosko: Als Professor im Ruhestand darf man ja weiterhin forschen. Ich habe auch einige Anfragen und sogar schon Verträge abgeschlossen zu Aufsätzen, die ich noch schreiben soll. Im Grunde genommen wird man nur entpflichtet von der Lehre. Ich werde weiterhin die Doktorandinnen und Doktoranden betreuen, jedenfalls noch die nächsten zwei, drei Jahre. Ansonsten bin ich von der Last der Vorlesungen und Prüfungen befreit.

 

Das Interview führte

Reimund Herbst.