Ingolstadt
Landwirtschaft als Motiv in der Kunst

"Mensch - Tier - Natur": Neue Ausstellung im Bauerngerätemuseum - Ein Drittel der Werke bereits verkauft

27.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:09 Uhr
"Die Drescherinnen" heißt das Ölgemälde von Alexander Gerbig, das um 1910 entstand. Wolfgang Knop zeigt auf den Fluchtpunkt, auf den die Frauen gemeinsam eindreschen. Zwei Jahrzehnte später entstand die "Heimkehr". Die Zeichnung "Beim Anspannen" entstand um 1915 und zeigt Gerbig als genauen Beobachter: Die Pferde gehen dabei rückwärts. −Foto: Pehl, Bauerngerätemuseum

Ingolstadt - Er hätte ein Großer werden können. Vielleicht so wie Max Pechstein, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Oder Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, um nur einige Mitglieder der 1905 gegründeten Künstlergruppe Brücke zu nennen.

 

Doch Alexander Gerbig (1878-1948) ging nicht nach Dresden, Berlin oder eine andere Großstadt, sondern blieb in Suhl im Thüringer Wald. So blieb der überaus talentierte Maler Zeit seines Lebens nicht nur weitgehend unbekannt, sondern wurde regelrecht ausgegrenzt. Bei den Nazis galt er als "entartet", weil er sich der völkischen Blut-und-Boden-Ideologie entzog. Und in der DDR galt er als dekadent.

Der Kunsthistoriker Wolfgang Knop hat sich in der DDR Zeit seines Lebens intensiv mit Gerbig befasst und viele seiner Werke gesammelt. Seit einigen Jahren lebt der 82-Jährige in Ingolstadt. Seine Sammlung, zu die neben eigenen auch Bilder, Drucke und Zeichnungen von Oskar Bohn (1873-1953) und Otto Schön (1893-1971) umfasst, bildet den Grundstock für die neue Sonderausstellung im Bauerngerätemuseum in Hundszell. "Mensch - Tier - Natur" lautet der Titel, und damit ist die Richtung klar, die die Schau einschlägt: Es geht um die Landwirtschaft als Motiv in der Kunst des 20. Jahrhunderts.

 

Bereits im Jahrhundert davor hatten diverse Maler die Landwirtschaft für sich entdeckt. Doch sie blieb ein beliebtes Motiv. Wobei man eigentlich den Plural benutzen muss. Die Sonderausstellung im Bauerngerätemuseum vermittelt einen guten Eindruck, welche Fülle von Sujets sich den Künstlern bot: Menschen, wie sie leben und arbeiten, Tiere in Ställen und im Freien, agrarisch geprägte Landschaften zu den verschiedenen Jahreszeiten und nicht zuletzt den Kontrast zwischen dem technischen Fortschritt und dem Bewahren überlieferter Arbeitsgänge. So hat Wolfgang Knop in seiner ersten Zeichnung noch als Schüler festgehalten, wie der erstmals einen Schlepper im Einsatz sah. Die Drescherinnen von Gerbig aus dem Jahr 1910 dagegen öffnen ein Zeitfenster, wie es Museumsleiter Max Böhm formuliert. Genau darin liegt auch der Reiz der Ausstellung, denn eine solche Vielfalt wird sonst nur selten präsentiert.

Natürlich haben Gerbig, dessen Arbeiten zwei Drittel der Schau ausmachen, Bohn und Schön nicht nur die Landwirtschaft gemalt. Aber passend zum Ort der Ausstellung werden im Bauerngerätemuseum nur solche Themen vorgestellt. Die Werke stammen aus der Sammlung von Wolfgang Knop, der sich sein Leben lang mit Gerbig befasst hat und für sein Engagement in der DDR deswegen sogar 1985 entlassen wurde, wie er erzählt: "Wer sich damit befasste, war ein Staatsfeind", erzählt er. Drei Gründe führt er für sein Engagement an. "Gerbig war als Mensch integer", erzählt Knop. Er hat verfolgten Juden, Sinti und Roma geholfen. Außerdem hält ihn Knop für einen "fantastischen Zeichner und begnadeten Holzschneider", der alles frei ausführte.

 

In der Tat war Gerbig nicht nur überaus begabt, sondern auch ein Kenner der menschlichen Anatomie und ein genauer Beobachter. Seine Tusche- und Feder-Zeichnungen sind allesamt kleine Miniaturen und lassen erkennen, wie gut er sich im bäuerlichen Arbeitsalltag auskannte. Der Betrachter sollte sein Augenmerk nur auf die Bewegungen und Reaktionen der Pferde richten, wenn sie angespannt werden oder etwas ziehen müssen. Die Holzschnitte, die um das Jahr 1920 herum entstanden sind, sind mit ihren harten Kanten und Kontrasten ein eindringliches Abbild ihrer Zeit, als nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg Millionen Deutsche unter großen Entbehrungen litten.

Gerbig selbst dürfte in der Region vermutlich wenig bekannt sein. Doch das Interesse an ihm ist nach wie vor groß, wie Böhm und Knop erfreut feststellen. Aus ganz Deutschland sind bereits Besucher nach Ingolstadt gekommen, manche sogar schon zweimal. Und sie haben nicht nur die Bilder, Schnitte, Drucke und Zeichnungen betrachtet, sondern auch gekauft. Viele alle der ausgestellten Werke können nämlich erworben werden, und rund ein Drittel ist schon weg. Wer also die Gelegenheit nutzen will, einmal ein Original sein Eigen zu nennen, sollte also bald mal im Bauerngerätemuseum in Hundszell vorbeischauen - bis zum 6. September besteht noch Gelegenheit. Zur Ausstellung ist auch ein reich bebilderter Katalog erschienen. In einer Vorzugsausgabe ist der Holzschnitt "Sensenschärfer" von Alexander Gerbig enthalten.

DK

Bernhard Pehl