Mitschnabeln und dabei sein

07.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:56 Uhr

Kleiner Schwatz am Rande der Hauptversammlung bei Audi: Fritz Böhm (links), Kleinaktionär und früherer Gesamtbetriebsrat, unterhält sich mit Ferdinand und Ursula Piëch. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Bitte einchecken zur 119. Hauptversammlung! Im Audi-Forum geht es zu wie auf dem Airport: Die Aktionäre müssen durch die Gepäck- und Personenkontrolle, und dann geht es los zu einem neuen Höhenflug.

Nur schade, dass wie immer lediglich die VW-übliche Dividende ausgezahlt wird. Das ist der kleine Wermutstropfen für alle Besitzer der überaus erfolgreichen Audi-Aktie.

Joachim Frank aus Königsbrunn bei Augsburg hat sich erst zu Jahresanfang so eine Aktie gekauft – für immerhin rund 550 Euro. Ein teurer Spaß. "Aber ich bin ein absoluter Audi-Fan und will einfach nur dabei sein. Außerdem fahre ich fünf verschiedene Modelle!" Dazu zählt auch sein erster Wagen, ein Audi 80, Baujahr 1975. "Angefangen hab’ ich aber mit Modellautos." Kein Wunder also, dass Frank erst einmal im Audi-Shop verschwindet, um sich ein paar neue Sammlerstücke zu besorgen. Derweil hat die Hauptversammlung schon begonnen.

Der Audi-Fan aus Königsbrunn hat auch seine Schwester und seinen Neffen mitgebracht. Der junge Mann besitzt ebenfalls eine Audi-Aktie und eine von Porsche. "Die hab ich mir einfach gekauft als Geldanlage." Andreas Gwaltsleitner ist gespannt auf die Versammlung und den Einstieg von Porsche: "Ich bin selber Betriebsrat, und deshalb verstehe ich die Ängste der Audi-Belegschaft zum Teil. Es ist einfach die Angst vor der Ungewissheit. Aber Porsche macht doch einen guten Eindruck. Eine schwierige Situation, zu der ich noch keine Stellung beziehen kann. Ich hoffe jedenfalls, dass der Wert der Aktien weiter steigt."

Das hofft auch Hans-Jürgen Behrendt, der sich vor etwa 20 Jahren 20 original Audi-Aktien gekauft hat. "Weil ich mich mit dem Unternehmen identifiziere. Schließlich hab’ ich früher in der Technischen Entwicklung gearbeitet", sagt der Rentner aus Wettstetten, der seine Lebensgefährtin zu dem Ereignis mitgebracht hat. "Man kann hier zwar mitschnabeln, aber entscheiden kann man nichts." Das sei aber auch gar nicht so wichtig. "Die sollen ruhig so weitermachen wie bisher. Zwölf Jahre geht es jetzt schon aufwärts – das ist doch eine tolle Geschichte!"

Etwa skeptischer ist Fritz Böhm, einst Gesamtbetriebsratsvorsitzender und wie kaum ein anderer mit der Geschichte der vier Ringe verbunden. Jahrzehntelang saß er bei den Hauptversammlungen der Audi AG selber auf dem Podium, jetzt steht er davor. "Das ist für mich wie eine Reise in die Vergangenheit und in die Zukunft", meint der 88-Jährige, der übrigens auch ein paar Aktien daheim hat. "Eine hab’ ich mal gerahmt bekommen, zum Geburtstag oder so. Aber ich setze sie nicht ein. Ich bin heute als Ehrengast hier."

In der Tat: Keiner der Spitzenmanager lässt es sich nehmen, die graue Eminenz des Konzerns persönlich zu begrüßen. Natürlich hält auch Ferdinand Piëch, neues Mitglied im Audi-Aufsichtsrat, vorab ein Schwätzchen mit Fritz Böhm. Und der hat ihm schließlich eine Menge zu sagen: "Ich habe Piëch den dringenden Rat gegeben, die unterschiedlichen Unternehmenskulturen zusammenzufügen. Denn im Augenblick gibt es eher ein Gegeneinander, und das ist nicht gut", verrät Böhm nachher dem DONAUKURIER.

Außerdem sei es wichtig, sich auf härtere Zeiten einzustellen – nicht nur wegen der Debatte um den Klimawandel, sondern auch vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Belegschaft. Fritz Böhm hebt warnend den Finger: "Man muss jetzt Rückstellungen machen für schwierigere Zeiten, denn es muss stets weiter investiert werden. Das ist das Wichtigste, denn sonst fällt man sofort zurück. Die innere Kraft des Unternehmens muss gestärkt werden." Ein gut gemeinter Rat eines großen Mannes und Kleinaktionärs.