500 Jahre alter Brunnenschacht in Eberstadt entdeckt

Neun Meter reicht das Mauerwerk des Brunnens in die Tiefe, der bei Bauarbeiten in Eberstadt entdeckt wurde. Foto: Harry Holdenried
© Harry Holdenried

Bauarbeiter finden in der Passage zwischen Oberstraße und Heidelberger Landstraße einen Mühlstein und drunter das unversehrte Gemäuer. Eberstädter Initiativen wollen ihn erhalten.

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DARMSTADT. (red). Bei den Bauarbeiten für den Anna-von-Frankenstein-Weg ist laut Stadt ein mutmaßlich mehrere hundert Jahre alter Brunnen entdeckt worden. Der Weg, der derzeit ausgebaut wird, soll Passanten eine sichere Passage von der Ober- zur Heidelberger Landstraße ermöglichen – unter Umgehung der unübersichtlichen Straßenkreuzung. Beim Graben im Eberstädter Sand stießen die Arbeiter auf ein unerwartetes großes und schweres Hindernis, das sich bei genauerem Hinsehen als alter Mühlstein von etwa 1,20 Meter Durchmesser erwies. Da dieser Stein in der Mitte ein großes Loch hatte, konnten die Bauarbeiter in einen tiefen, dunklen Schacht hineinblicken. Sie waren auf einen gut erhaltenen, vermutlich 500 Jahre alten Brunnen gestoßen.

„Darmstadt ist nicht allzu reich an baulichen Zeugnisse, die geschichtlich weit zurückreichen“, erklärt Oberbürgermeister Jochen Partsch. „Umso wertvoller ist dieser Fund, der mit dem Blick in die Tiefe zugleich einen Blick in die Geschichte ermöglicht. Wir werden nun Lösungen finden, damit verantwortungsvoll umzugehen.“

Mindestens neun Meter reicht das Mauerwerk in die Tiefe. Bislang wusste man nur schriftlich von der Existenz eines alten frankensteinischen Brunnens, aber die genaue Stelle kannte niemand mehr. Der jetzt gefundene Brunnen ist bautechnisch von hoher Qualität. Monatelang sind schwere Betonmischer, Lkw und Bagger darübergefahren, über hundert Jahre stand daneben ein großer Baum mit entsprechend starken Wurzeln. Das alles hat dem stabilen Mauerwerk nichts anhaben können. „Mit dem Mühlstein muss nach Recherchen des Geschichtsvereins in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge einer neuen Bebauung der alte Schacht abgedeckt und verschlossen worden sein“, weiß Eberstadts Bezirksverwalter Ludwig Achenbach. „Er geriet in Vergessenheit – bis zum November 2020.“

Der Geschichtsverein Eberstadt-Frankenstein und der FDP-Ortsverband Eberstadt schlagen vor, den Brunnenschacht mit einer dicken Glasplatte abzudecken und von innen zu beleuchten. Eine Hinweistafel könnte die Zusammenhänge erläutern und auf die besonderen historischen Bezüge dieses Ortes hinweisen: die erst kürzlich wenige Meter weiter entdeckte Gedenktafel für Clara von Frankenstein um 1540, das noch bestehende Wohnhaus der Frankensteiner von 1575 – und nun der Brunnen.

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Im Frankensteiner Wohnhaus direkt an der Ecke Oberstraße/Heidelberger Landstraße wohnte von 1600 bis 1622 Anna von Frankenstein als Ortsherrin des nördlichen Teils von Eberstadt. „Es braucht jetzt umgehend eine politische Entscheidung, die Fertigstellung des neuen Anna-von-Frankenstein-Wegs zwischen Oberstraße und Heidelberger Landstraße um wenige Monate zu verschieben und damit den für die Eberstädter Geschichte so wertvollen Fund für die Nachwelt zu retten“, fordert Christoph Rohloff von der Eberstädter FDP.

Auch Achim Pfeffer von der Interessengemeinschaft der Eberstädter Vereine unterstützt diese Forderung: „Mit überschaubaren finanziellen Mitteln kann hier ein spannender Blick in die Geschichte ermöglicht und die Eberstädter Ortsmitte weiter aufgewertet werden“.

Um den Weg kurzfristig nutzbar zu machen, werden die Bauarbeiten zunächst abgeschlossen. Der Umgang mit dem Brunnenfund müsse konkret geklärt, geplant, finanziert und den städtischen Gremien zur Entscheidung vorgelegt werden.