Eine absonderliche Verschwörungstheorie
Anwälte der Fifa von Gianni Infantino schwärzten in einer Attacke auf Sepp Blatter auch das Kloster Einsiedeln an. Die Rede ist von geheimen Treffen.
Vi. Eine abenteuerliche Geschichte veröffentlichte gestern Freitag der Journalist Henry Habegger in den CH Medien. Gemäss dieser hätte der Weltfussballverband Fifa um Präsident Gianni Infantino (53) und dessen Anwälte dem ehemaligem Präsidenten Sepp Blatter (87) in einer Anzeige an die Zürcher Staatsanwaltschaft Ungeheuerliches vorgeworfen. Er soll, unter Mithilfe des damaligen Abts Martin Werlen, im Kloster Einsiedeln Verschwörungen durchgeführt haben. Dies alles soll in einem «abhörsicheren Raum im Kloster» passiert sein, der «von einer spezialisierten deutschen Firma umgebaut» worden sei und den Blatter vermutlich mitfinanziert habe. «Geheime Treffen im Kloster»
So steht es in einem von der Fifa bestellten «Investigative Report» des global tätigen Beratungsunternehmens AlixPartners. Darin heisst es auch: Zwischen 2009 und 2011 habe Blatter im Kloster «geheime Treffen mit ‹dunkelhäutigen› Fussballverbandsfunktionären aus Übersee» abgehalten. Teilgenommen an solchen Meetings hätten auch Geschäftsleute, einschliesslich Manager der Credit Suisse. Der angebliche abhörsichere Raum war im Bericht sogar etwas verschwommen abgebildet.
Gegenüber CH Media hatten Kloster-Insider bereits im April festgehalten: Einen solchen Raum gebe es nicht. «Nie so etwas gesehen im Kloster», sag-te einer.
Martin Werlen: «Warum sollten wir so etwas tun?» Blatter fragte dieser Tage beim früheren Abt Martin Werlen nach, ob ein solcher Raum denn tatsächlich existiere. Er leitete dem Abt auch den Report der von der Fifa beauftragten Firma mit, «auf dem die falschen Anschuldigungen basieren», wie er festhielt.
Martin Werlen, der seit 2020 die Propstei von St. Gerold in Vorarlberg leitet, antwortete: «Den Raum habe ich noch nie gesehen. Wo er ist, weiss ich nicht. Sicher nicht im Kloster Einsiedeln. Warum sollten wir einen abhörsicheren Raum installieren? »
«Nicht einmal im Ansatz glaubhaft»
Laut Sepp Blatter sagte der frühere Abt Werlen ihm gegenüber auch, er verlange von Infantino eine Entschuldigung ans Kloster Einsiedeln. Dafür, dass die Fifa dem Kloster zweifelhafte Aktivitäten unterstellt habe, es in ein schiefes Licht stellte mit dem Gerede um irgendwelche Geheimabsprachen in einem abhörsicheren Raum.
Die absonderliche Verschwörungstheorie hatte die Fifa aufgetischt, nachdem sie Blatter im Dezember 2020 wegen angeblicher Unregelmässigkeiten um die Finanzierung des Fifa-Museums angezeigt hatte. Die Zürcher Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren im März 2023 ein, denn: Es gab keine Unregelmässigkeiten, alles war korrekt abgelaufen. Und die Verschwörungstheorie um das Kloster Einsiedeln sei «reine Spekulation», der Hinweis auf einen abhörsicheren Raum «fast schon konspirativ ». Alles jedenfalls «nicht einmal im Ansatz glaubhaft». Aber vollmundig von Infantinos Fifa in die Welt gesetzt.
Blatter prüft derzeit, ob er rechtlich gegen die Fifa und Infantino vorgehen will: Er könnte eine Klage wegen Persönlichkeitsverletzung einreichen und Genugtuung verlangen.
Swiss-Life-Connection konstruiert Aber zurück zum angeblichen «abhörsicheren Raum» im Kloster: Im «Report» des Beratungsunternehmens, den die Fifa der Staatsanwaltschaft übergab, war die Rede davon, dass Spenden in der Höhe von 50’000 Franken, die Sepp Blatter ans Kloster geleistet hatte, dazu gedient haben könnten, den Umbau des abhörsicheren Raums zu finanzieren.
Im Begleitschreiben an die Staatsanwaltschaft hielten die Fifa-Anwälte dazu fest: «Diese Darlegungen betreffend den abhörsicheren Raum und die dort durchgeführten Fifa-Treffen werden mit entsprechenden Plänen sowie Fotos dieses speziellen Raums von den ungekannten Zeugen belegt», die Pläne «scheinen echt».
Der Report bestätige zudem «die vorbeschriebene Verbindung zwischen dem Beschuldigten Blatter sowie Rolf Dörig und Bruno Gehrig von Swiss Life AG und deckt weitere Verbindungen auf, welche möglicherweise im Kontext mit der Strafanzeige vom 21. Dezember 2020 von Bedeutung sind». Fifa reagierte nie auf Fragen
Auf Swiss Life schoss sich der Report ein, weil das Haus zur Enge, in dem das Fifa-Museum in Miete untergebracht ist, dem Versicherungskonzern gehört.
Dekoriert ist der Report mit einer seitengrossen Grafik vol-ler Pfeile, Namen und schematischer Köpfe, überschrieben mit «Die bemerkenswerten Geschäftskontakte des Klosters Einsiedeln». Neben Blatter kommen Dörig und Gehrig vor, mittendrin im fabrizierten Netz sitzt Abt Martin, der in Kontakt zu Ex-CS-Boss Rainer E. Gut stehe, der wiederum mit dem Fussballklub GC, und so weiter.
Gegenüber CH Media reagierte die Fifa nie zu Fragen um die krude Kloster-Verschwörung um Swiss Life, Sepp Blatter und Abt Martin. Ohne Antwort blieben Fragen wie: Glaubt die Fifa selbst, was sie da vorbringen liess? Steht sie zu diesen Angaben?
Foto: Archiv EA