IGBT-Treiber: 5 Eigenschaften, die sie nicht haben sollten

Von Dr.-Ing. Martin Schulz

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Das Ansteuern moderner IGBT-Halbleitermodule ist eine Ingenieurkunst für sich. Beim Entwurf geeigneter Treiberstufen wiederholt sich die Aufgabe ebenso, wie es die vermeidbaren Fehler tun.

Bild 1: Aufbau einer Treiber-Ausgangsstufe für unipolare Versorgungsspannung
Bild 1: Aufbau einer Treiber-Ausgangsstufe für unipolare Versorgungsspannung
(Bild: Infineon)

Die Aufgabe einer Treiberschaltung besteht darin, einen IGBT mit einem passenden Gatesignal zu versorgen, um den Halbleiter ein- und auszuschalten. Darüber hinaus kann sie die Funktionen des Kurzschluss-Schutzes übernehmen und die Schaltgeschwindigkeit des Halbleiters beeinflussen. Fertig konfektionierte Baugruppen zu kaufen ist häufig nur in Applikationen mit hohen Ausgangsleistungen finanziell sinnvoll. In der Mehrzahl der Anwendungen gehört die Entwicklung des Treibers daher zu den Aufgaben des Designers. Der Teufel steckt bei solchen Entwicklungen im Detail, was zur regelmäßigen Wiederkehr der fünf großen Fehler bei der Auslegung dieser Schaltungen führt.

Gate-Emitter-Spannung zu knapp gewählt

Ein IGBT schaltet bei einer Gate-Emitter-Spannung von 0 V aus und ist bei 15 V sicher eingeschaltet. Diese faktisch richtige Aussage führt häufig dazu, dass am Treiber eine unipolare Versorgungsspannung von 15 V zum Einsatz kommt. Genau betrachtet stellt der Treiber am Gate aber nicht 0 V zur Verfügung, da am Transistor der Ansteuerung die Spannung eines PN-Überganges verbleibt, die im Bereich 1 V liegen kann. Bild 1 zeigt schematisch einen solchen Aufbau inklusive der im Halbleitermodul enthaltenen Streuinduktivität.

Da die Stromänderungsgeschwindigkeit in modernen Halbleitern die Größenordnung kA/µs aufweisen kann, erzeugt jedes Nanohenry hier eine induzierte Spannung von etwa 1 V. Auch im Gatekreis existieren parasitäre Induktivitäten, deren Wirkung berücksichtigt werden muss. Beim Abschalten sinkt dabei die Spannung am Emitter des IGBT-Chips unter 0 V ab und das Gate kann nicht vollständig entladen werden. Nach Ende des Abschaltvorgangs kann es dadurch zum unerwünschten Wiedereinschalten kommen, wenn die Restspannung am Gate oberhalb der Schwellspannung des IGBT bleibt.

Obwohl der IGBT nicht vollständig einschaltet, kommt es zu Brückenkurzschlüssen die auf Grund der zusätzlichen Verlustleistung zerstörende Wirkung haben können. Das Verhalten findet man hauptsächlich bei größeren Halbleitern, speziell wenn darin IGBT-Chips parallel geschaltet sind. Mit einer bipolaren Treiberversorgung lässt sich dieses Problem leicht umgehen, hierzu sind bereits -8 /+15 V hinreichend.

Endstufe des Treibers zu schwach bemessen

Das Gerücht, dass sich IGBTs ohne Leistung schalten lassen, hält sich hartnäckig. Wahr ist, dass das Verhältnis von steuernder Leistung zu gesteuerter Leistung tatsächlich nahezu null ist. Das Gate des IGBT stellt aber eine Kapazität dar, die schnell geladen werden muss. Hierzu ist ein Strompuls notwendig, der bei größeren Modulen Spitzenwerte von bis zu 30 A und mehr annimmt. Aus Bild 2 ist gut ersichtlich, was an limitierenden Größen in Frage kommen kann.

  • Der Gatewiderstand begrenzt den Strom. Er kann zu groß gewählt sein, was den Schaltvorgang zu langsam werden lässt.
  • Induktivität im Gatekreis zu groß. Je nach Randbedingungen kann dies das Schalten des IGBTs verlangsamen oder beschleunigen.
  • Die bipolare Ausgangsstufe des Treibers kann zu klein dimensioniert sein und ist dann nicht in der Lage, den notwendigen Strom zu liefern.
  • Die für die Ausgangsstufe notwendigen Pufferkondensatoren können zu klein ausgelegt sein.

In allen Fällen spiegelt sich eine zu klein geratene Auslegung an den Schaltverlusten des IGBT wieder. Diese sollten unbedingt mit Hilfe einer Doppelpulsmessung im Aufbau selbst ermittelt werden. Die Messung gestattet eine Aussage zur Qualität des Treibers und ermöglicht die rechnerische Abschätzung der zu erwartenden Temperaturen des fertigen Designs.

Der Treiber wird im Betrieb zu heiß

Die Treiberstufe muss zur Minimierung der Gateleitungslänge nahe am Halbleiter positioniert sein. Sie ist damit der Temperatur in direkter Umgebung der Leistungselektronik ausgesetzt. Zudem geben die Komponenten der Schaltung selber ein gewisses Maß an Verlustwärme in die Umgebung ab. Insbesondere Gatewiderstände, die Ausgangsstufe des Treibers und eventuell eingesetzte Elektrolytkondensatoren müssen hier Beachtung finden.

Die im Gatewiderstand umgesetzte Leistung lässt sich bei bekannter Schaltfrequenz und Gateladung leicht bestimmen. Führt die Verlustleistung zu unzulässig hoher Temperatur am Widerstand reduziert sich dessen Lebensdauer. Eine einfach umsetzbare Gegenmaßnahme ist es, statt eines einzelnen Widerstandes mehrere Bauelemente zu verwenden und somit die Verlustleistung aufzuteilen. An dieser Stelle ist sowohl eine Reihen- als auch Parallelschaltung möglich.

Bild 2: Aufbau einer Treiber-Ausgangsstufe für bipolare Versorgungsspannung
Bild 2: Aufbau einer Treiber-Ausgangsstufe für bipolare Versorgungsspannung
(Bild: Infineon)

Auch für die Treiber-Ausgangsstufe bietet sich dieser Ansatz an. Zu klein gewählte Transistoren würden sich zu stark erwärmen; eine Parallelschaltung mehrerer Bauelemente schafft hier Abhilfe, wenn es nicht möglich ist, auf größere Bauformen zurück zu greifen. Die Bewertung der thermischen Gesamtsituation für eine Treiberkarte gelingt am zuverlässigsten mit Hilfe der thermographischen Bildgebung. Bild 3 zeigt die Infrarot-Aufnahme eines Aufbaus während des Betriebs.

Die Platine auf dem Modul beinhaltet nur die Gatewiderstände, der eigentliche Treiberkern ist über Kabel verbunden. Trotzdem erfährt sie in diesem Betriebspunkt gegenüber der Raumtemperatur einen Hub von ca. 60 K. Die maximal zulässige Temperatur von 105 °C wäre bei einer Umgebungstemperatur von 45 °C erreicht. In Schaltschränken sind solche Temperaturen schnell gegeben und werden sogar überschritten, in geschlossenen Gehäusen verschärft sich die thermische Situation weiter. Die Lebensdauer empfindlicher Bauteile, speziell die von Elektrolytkondensatoren, sinkt in diesem Temperaturbereich bereits erheblich.

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Bild 3: Infrarotbild einer H-Brücke unter elektrischer Last. Das obere Modul ist mit Platine bestückt, das untere zur Beobachtung der Chiptemperatur geöffnet
Bild 3: Infrarotbild einer H-Brücke unter elektrischer Last. Das obere Modul ist mit Platine bestückt, das untere zur Beobachtung der Chiptemperatur geöffnet
(Bild: Infineon)

Die Schutzfunktionen greifen zu früh ein

Um einen IGBT im Falle eines Kurzschluss-Stromes vor der Zerstörung zu schützen ist es notwendig, innerhalb einer spezifizierten Zeit den Strom abzuschalten. Heute liegt für die Mehrzahl der Halbleiter diese Zeit bei 10 µs. Eine etablierte Möglichkeit, diesen Schutz zu gewährleisten, ist die Entsättigungs- oder UCE-Überwachung.

Befindet sich ein IGBT im eingeschalteten Zustand ist die Spannung am Bauelement gering, meist im Bereich unter 3 V. Tritt ein Kurzschluss auf, entsättigt das Bauelement und die Spannung UCE zwischen Kollektor und Emitter steigt auf Werte deutlich über 10 V. Als Reaktion auf einen solchen Anstieg kann die Treiberschaltung ein Fehlersignal für die übergeordnete Regelung erzeugen oder gleich den IGBT ausschalten.

Im ausgeschalteten Zustand liegt am Bauelement eine hohe Spannung an, die im Einschaltmoment nicht ohne Zeitverzögerung verschwindet. Aus diesem Grund ist eine sogenannte Blanking-Zeit einzustellen, während der die Überwachung inaktiv bleibt. Das Einstellen der Zeit muss so geschehen, dass die Spannung am Bauelement sicher abgebaut wurde und eine Detektion sicher auf einen Fehler hinweist. Zusätzlich ist in Betracht zu ziehen, dass z.B. ein langes Kabel am Umrichter einen kapazitiven Ladestrom erzeugt. Die Treiberschaltung darf dessen Spitze nicht fälschlicher Weise als Kurzschluss interpretieren.

Zwischen der eigentlichen Erkennung und dem vollständigen Abschalten des Halbleiters vergeht weitere Zeit, eine zu groß gewählte Blanking-Zeit könnte also ein rechtzeitiges Abschalten verhindern. In vielen Applikationen hat sich eine Blanking-Zeit von etwa 6 µs bewährt.

Als weitere hilfreiche Maßnahme für das sichere Abschalten eines Kurzschlusses hat sich das Active Clamping durchgesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Strecke aus Dioden mit Z-Dioden-Charakter, auch als Transient Voltage Suppressor (TVS)-Dioden bezeichnet. Im Falle einer transienten Überspannung beim Abschalten des IGBT erlauben sie eine Rückkopplung auf das Gate. Der IGBT steuert trotz anliegendem Aus-Signal wieder auf, die Spannung am Bauelement wird abgebaut und das sichere Abschalten gewährleistet. Der Preis der hierfür bezahlt wird ist, dass der IGBT im Linearbetrieb operiert und damit während des Abschaltens die Schaltverluste ansteigen.

Obwohl dieser Vorgang nur eine kurze Zeit dauert darf nicht vernachlässigt werden, das hier in den TVS-Dioden ein kleiner Strom von einer großen Spannung getrieben wird. Die damit einhergehende Verlustleistung sorgt für eine massive Erwärmung der Bauelemente, die im Extremfall zum Aufschmelzen der Lötstellen führen kann.

Die Clamping-Strecke ist daher aus einer hinreichend großen Anzahl aus Bauelementen zu gestalten die so gewählt sind, dass sie wirklich nur im Überspannungsfall, etwa bei einer Kurzschlussabschaltung, reagieren. Eine Nutzung zum repetitiven Unterdrücken einer Überspannung auf Grund zu hoher Zwischenkreisspannungen oder zu großer Streuinduktivitäten ist unbedingt zu vermeiden.

Komponenten sind falsch ausgewählt

Für den Erhalt der korrekten Funktion über die gesamte prognostizierte Lebensdauer hinweg ist die Auswahl geeigneter Komponenten notwendig. Dies bezieht sich sowohl auf die elektrische als auch die thermische Eignung. Kritische Komponenten sind dabei:

  • Elektrolytkondensatoren, bei denen auf das thermische Budget und auf die Pulsstrombelastbarkeit zu achten ist, damit sie sich nicht einschränkend auf die Lebensdauer auswirken
  • optoelektronische Bauelemente, die so zu wählen sind, dass sich im Laufe der Betriebszeit die Übertragungs- und Reaktionszeiten nicht maßgeblich verändern
  • Gatewiderstände, die in einer Variante auszuwählen sind, die der kontinuierlichen Pulsbelastung stand hält
  • keramische Kondensatoren, die den (thermo-) mechanischen Beanspruchungen genügen und auf Materialien mit hoher Bruchfestigkeit aufgebaut sein müssen
  • die TVS-Dioden-Kette mit ausreichend hoher Durchbruchspannung bei gleichzeitig genügend kleiner Toleranz.

Sekundäre Eigenschaften der Bauteile nicht unterschätzen

In der Literatur sind vielfältige Vorschläge und Schaltungen für den Aufbau von Treiberstufen für IGBT-Module zu finden, die dem Designer einen guten Einblick in die eigentliche Schaltungstechnik ermöglichen. Durch die unüberschaubare Vielfalt von Applikationsfeldern und besonderen Ansprüchen steht der Entwickler trotzdem häufig vor der Aufgabe ein neues Design zu entwerfen. Trotz Zeit- und Kostendruck sollten neben dem Schaltplan auch Überlegungen zu den häufig unterschätzten sekundären Eigenschaften von elektronischen Bauelementen in die Entwicklung einfließen.

* Dr. Martin Schulz und Uwe Jansen arbeiten im Application Engineering bei Infineon, Warstein.

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