Induktivitäten für Leistungsanwendungen richtig auswählen

Von Mariya Sachek *

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Auf den ersten Blick mag die Auswahl einer passenden Induktivität für Leistungselektronik-Anwendungen einfach erscheinen. Es ist verlockend anzunehmen, dass es dabei lediglich auf die Nenninduktivität und den wärmebegrenzten Maximalstrom ankommt.

Die IHLD-Familie von Vishay: Beispiel einer platzsparenden Lösung, die zwei Induktivitäten in einem kompakten Gehäuse vereint.
Die IHLD-Familie von Vishay: Beispiel einer platzsparenden Lösung, die zwei Induktivitäten in einem kompakten Gehäuse vereint.
(Bild: Vishay)

Leider ist die Auswahl der richtigen Induktivität für Leistungsanwendungen nicht ganz einfach. Oft beschreiben Datenblätter wegen ihrer Typenvielfalt und Übersichtlichkeit nicht alle Eigenschaften einer Induktivität, trotz der erheblichen Anstrengungen der Hersteller, diese zu quantifizieren. Da es keine Leistungsinduktivität gibt, die alle Anforderungen einer Schaltung optimal erfüllt, muss der Entwickler bei der Bauteilauswahl zunächst einmal herausfinden, auf welche Spezifikationen es entscheidend ankommt und welches Bauteilmodell in der jeweiligen Schaltung das optimale Ergebnis liefert. Dieser Beitrag versucht, die Eigenschaften von Leistungsinduktivitäten zu entmystifizieren, und soll als allgemeiner Leitfaden für die Auswahl des passenden Bauteilmodells dienen.

So ermitteln Sie den Induktivitätsbereich

Als erstes sollte man sich überlegen, in welchem Wertebereich die Nenninduktivität liegen muss, damit die Schaltung wie gewünscht funktioniert. Das ist deshalb wichtig, weil der Induktivitätswert selten über alle Betriebsbedingungen des Endprodukts hinweg konstant ist. Bei einer Induktivität, die in Schaltanwendungen eingesetzt wird, sind die maximale Ripplestrombelastbarkeit (überlagerter Wechselstromanteil) und das gewünschte Einschwingverhalten wichtige Auswahlkriterien. Eine Faustregel besagt, dass der Rippelstrom nicht mehr als 30% des Laststroms betragen sollte.

Wenn eine Induktivität in einer Filteranwendung verwendet werden soll, muss ihre Impedanz hoch genug sein, um Störsignale hinreichend stark zu dämpfen. Im Internet sind Entwicklungstools und Formeln verfügbar, welche die Entwickler bei der Auswahl passender Induktivitätswerte unterstützen. Der Induktivitätswert ist in der Regel abhängig von folgenden Umgebungsbedingungen: der Gleichstrombelastung, der Temperatur und/oder der Wechselstrombelastung des Bauteils. Diese Faktoren müssen berücksichtigt werden, um den Wert innerhalb des gewählten Arbeitspunktes zu halten.

Der DCR leitet Wärme ab und verringert die Effizienz

Wie jeder andere Widerstand auch, verursacht der Gleichstromwiderstand (DCR, direct current resistance) der Wicklung einen Leistungsverlust in Form von Wärme und vermindert damit die Energieeffizienz. Das macht die Größe des Gleichstromwiderstands zum entscheidenden Aspekt. Um den Leistungsverlust zu minimieren, sollte man eine Induktivität mit einem möglichst kleinen DCR-Wert wählen. In Gleichspannungswandler-Anwendungen wird der DCR oft als Stromsensor verwendet, dann ist auch die Toleranz des DCR von Bedeutung.

Um den Leistungsverlust zu minimieren, sollte man eine Induktivität mit einem möglichst kleinen DCR-Wert wählen. In Gleichspannungswandler-Anwendungen wird der DCR häufig auch als Stromsensor verwendet, dann ist auch die Toleranz des DCR von Bedeutung.

Irreführender Sättigungsstrom einer Induktivität

Der Sättigungsstrom einer Leistungsinduktivität ist die Stromstärke, bei der ihre effektive Induktivität um einen bestimmten Prozentsatz gegenüber der Nenninduktivität abnimmt. Der im Datenblatt angegebene Sättigungsstrom kann sehr irreführend sein. Je nach Hersteller kann dieser Strom auf einen Induktivitätsabfall von 20% oder 30% bezogen sein. Oft enthalten Datenblätter ein Diagramm, das den Induktivitätsverlauf in Abhängigkeit vom Gleichstrom zeigt. Daraus ist ersichtlich, wie groß der Induktivitätswert bei verschiedenen Lastströmen ist. Damit ist das Diagramm wesentlich aussagekräftiger als eine Prozentangabe, die lediglich für einen einzigen Referenz-Laststrom gilt.

Leistungsinduktivitäten haben einen Kern aus ferromagnetischem Material. Gebräuchlich sind die zwei Kernmaterialien Ferrit und Eisenpulver. Leistungsinduktivitäten mit Ferritkern sind weit verbreitet und weisen ein abruptes Sättigungsverhalten auf. Die hohe Permeabilität ihres Kernmaterials bewirkt einen starken Induktivitätsabfall ab einer bestimmten Gleichstromstärke oder sogar ab einer bestimmten Betriebstemperatur. Dieses Verhalten lässt sich nicht allein anhand der Sättigungsstrom-Spezifikation vorhersagen. Sobald ein Ferritkern gesättigt ist, nimmt die Induktivität des Bauteils ab, und die daraus resultierenden hohen Rippleströme können zu dauerhaften Schäden an der Schaltung führen.

Ebenfalls weit verbreitet sind Leistungsinduktivitäten mit Eisenpulverkern (oft als Komposit- oder gegossene Induktivitäten bezeichnet), die in dieser Hinsicht weniger problematisch sind. Sie zeichnen sich durch sehr stabile Induktivitätswerte über weite DC-Bias Ströme (Gleichstromvormagnetisierung) und Temperaturbereiche aus; außerdem zeigen sie ein „sanftes“ Sättigungsverhalten und geraten fast nie in die vollständige Sättigung.

Vergewissern Sie sich anhand der im Datenblatt veröffentlichten Sättigungskurven, dass der Induktivitätsabfall aufgrund von Sättigung und Temperatur nicht dazu führt, dass der in der jeweiligen Schaltung maximal zulässige Ripplestrom überschritten wird.

Wärmebegrenzter Maximalstrom und Energieeffizienz

Anbieter von Leistungsinduktivitäten spezifizieren einen Nennstrom, der jedoch – wie der Sättigungsstrom – irreführend sein kann. Dieser Kennwert beschreibt den Gleichstrom, der erforderlich ist, um die Temperatur der Spule um einen vom Hersteller angegebenen Betrag (üblicherweise 40 Kelvin) zu erhöhen. Die Angaben im Datenblatt basieren auf einem bestimmten Messaufbau, der eine relativ gute Wärmeabfuhr über die Bauteilanschlüsse voraussetzt. Es ist naheliegend, dass dieser Wert nur eine grobe Abschätzung des tatsächlichen Temperaturanstiegs des Bauteils erlaubt.

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Passive oder aktive Kühlmaßnahmen, die Leiterbahnbreite der Platine, der Luftstrom und die Nähe zu anderen Komponenten können dazu führen, dass die tatsächliche Bauteiltemperatur erheblich von der Datenblatt-Spezifikation abweicht. Darüber hinaus werden bei Anwendungen mit hohem Ripplestrom auch die im Kern und in der Wicklung entstehenden Wechselstromverluste zum Temperaturanstieg beitragen. Wenn eine Induktivität ab einem bestimmten Laststrom unerklärlich heiß wird, sollte der Entwickler überprüfen, ob eine ausreichende Wärmeabfuhr über die Anschlüsse und den Kern stattfindet oder ob die Schaltung vielleicht unerwartet hohe Wechselstromverluste in der Induktivität verursacht.

Es wäre naheliegend anzunehmen, dass ein höherer wärmebegrenzter Maximalstrom (der ein entsprechend größeres Bauteil voraussetzt) mit höherer Energieeffizienz und niedrigerer Betriebstemperatur einhergeht, doch das stimmt nicht immer. In der Regel haben größere Leistungsinduktivitäten zwar geringere Gleichstromverluste und eine höhere Energieeffizienz, leiten aber die Wärme tendenziell schlechter ab – abgesehen von weiteren Nachteilen wie höhere Kosten und größerer Platzbedarf auf der Leiterplatte. Bei zwei Spulen mit gleicher Grundfläche und gleicher Induktivität wird das flachere Bauteil bessere natürliche Kühleigenschaften aufweisen; das kann selbst bei einer geringfügig höheren Verlustleistung zu einer 5 bis 10 Kelvin niedrigeren Betriebstemperatur führen.

Leistungsinduktivitäten mit gegossenem Kern haben im Vergleich zu Ferrit-Modellen überlegene Kühleigenschaften und bieten aufgrund ihrer besseren Wärmeleitfähigkeit eine effizientere Wärmeübertragung zur Bauteiloberfläche. Auch wenn der wärmebegrenzte Maximalstrom eine nützliche Kenngröße ist, besagt er nichts über den Wechselstromverlust, der für das thermische Design von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.

Eigenresonanzfrequenz und Impedanz

Bild 1: Ersatzschaltbild einer 
realen Induktivität.
Bild 1: Ersatzschaltbild einer 
realen Induktivität.
(Bild: Vishay)

Eine ideale Induktivität existiert in der Realität nicht. Stattdessen gibt es ein einfaches, aber verlässliches Ersatzschaltungsmodell, bestehend aus einer Parallelschaltung mit einer Induktivität, einer Kapazität und einem Wechselstromwiderstand, die in Reihe mit einem Gleichstromwiderstand liegt (Bild 1). Bei der Eigenresonanzfrequenz (SRF, self-resonant frequency) bildet die Induktivität zusammen mit der Parasitärkapazität einen Parallelresonanzkreis, bei dem der Wechselstrom-Parallelwiderstand (RAC) die dominante Größe darstellt. Bei der Eigenresonanzfrequenz hat außerdem die Impedanz (Z) ihr Maximum. Oberhalb der Eigenresonanzfrequenz dominiert die Parasitärkapazität, und das Bauteil verhält sich nicht mehr wie eine Induktivität (Bild 2).

Bild 2: Impedanzverlauf der Leistungsinduktivität IHLP4040DZER150M11  unter- und oberhalb ihrer Eigenresonanzfrequenz.
Bild 2: Impedanzverlauf der Leistungsinduktivität IHLP4040DZER150M11 unter- und oberhalb ihrer Eigenresonanzfrequenz.
(Bild: Vishay)

In Filteranwendungen ist es akzeptabel, eine Leistungsinduktivität auch oberhalb ihrer SRF zu verwenden, solange die Impedanz in hinreichendem Maße vom Widerstand dominiert wird, und dadurch eine ausreichende Dämpfung der zu unterdrückenden Frequenzen erfolgt. Bei Energiespeicher-Anwendungen in Gleichspannungswandlern sollte die Leistungsinduktivität zur Vermeidung zerstörerischer Stromspitzen und störender Resonanzen nicht oberhalb der Frequenz betrieben werden, bei der die Induktivität aufgrund der SRF anzusteigen beginnt.

Die Elektromagnetische Verträglichkeit und Impedanz

Heute unterliegen elektronische Schaltungen immer strengeren Anforderungen hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit (Mindestwerte für Einstrahlfestigkeit bzw. Obergrenzen für Emissionen). Schaltungselemente wie Kabel, Leiterbahnen sowie passive und aktive Bauteile unterschiedlichster Art können Störspannungen und/oder Störstrahlung produzieren oder absorbieren, die auf das elektronische Umfeld einwirken.

Leistungsinduktivitäten machen in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Eine nicht ausreichend abgeschirmte Leistungsinduktivität kann in benachbarten Leiterbahnen oder Bauteilen durch ihr Magnetfeld eine Störspannung induzieren. Die Leistungsinduktivität kann sogar als eine kleine Antenne wirken, die Störstrahlung aussendet, die auch Schaltungen oder Geräte in einiger Entfernung stören kann. Aufgrund des Streuflusses am diskreten Luftspalt strahlen Ferritkerne besonders stark. Im Gegensatz dazu bieten Verbundmaterial-Induktivitäten eine wesentlich bessere magnetische Abschirmung – nicht nur, weil die verteilten Luftspalte dazu beitragen, den Streufluss zu minimieren, sondern auch, weil die Wicklung vollständig von hochpermeablen Metallpartikeln umgeben ist, die das Magnetfeld „einschließen“.

Besonders störempfindliche Anwendungen erfordern unter Umständen eine zusätzliche Schirmung. Im Gegensatz zu den Standardprodukten der Familie IHLP haben die der Familie IHLE von Vishay (Bild 3) eine metallene E-Abschirmung. Wenn die Abschirmung mit Masse verbunden ist, reduziert sie die elektromagnetische Störstrahlung und den Streufluss um bis zu 21 dB. Darüber hinaus ermöglicht die zusätzliche Kontaktierung der Schirmung eine zusätzliche mechanische Anbindung an die Leiterplatte und verbessert damit die Vibrationsfestigkeit.

Platz- und kostensparende Induktivitäten

Auf dem Markt gibt es zahlreiche innovative Magnetik-Lösungen für die unterschiedlichsten Anwendungen, darunter auch solche, welche die Funktionen zweier Magnetik-Bauteile in sich vereinen (Bild 3). Solche „Dual-Bauteile“ können im Vergleich zu einer Kombination diskreter Bauteile nicht nur Platz und Kosten sparen, sondern bieten oft auch eine bessere Performance. Ein Beispiel für eine platzsparende Lösung ist die Produktfamilie IHLD, die zwei Induktivitäten in einem kompakten Gehäuse vereint. Diese Bauform zielt insbesondere auf Klasse-D-Audio-Verstärker ab. Die Produktfamilie IHCL vereint zwei eng miteinander gekoppelte Induktivitäten in einem gemeinsamen Gehäuse; diese Lösungen eignen sich bestens für SEPIC-DC/DC-Wandler-Anwendungen und zur Gleichtaktunterdrückung.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in der Fachzeitschrift ELEKTRONIKPRAXIS Ausgabe 24/2020 (Download PDF)

Grundlegende Eigenschaften von Induktivitäten beachten

Leistungsinduktivitäten sind als Energiespeicher in Filter- und Schalt-Anwendungen unverzichtbar. Entwickler müssen das Bauteil auswählen, das die bestmöglichen elektrischen Eigenschaften bei kleinstmöglichen Abmessungen zu einem erschwinglichen Preis bietet. Bei der Auswahl sollten u.a. die folgenden grundlegenden Eigenschaften berücksichtigt werden: Induktivität, DCR, Sättigungsstrom, wärmebegrenzter Maximalstrom, Impedanz, Eigenresonanzfrequenz (SRF), Energieeffizienz, thermische Eigenschaften, Größe und EMV-Verhalten.

* Mariya Sachek ist Product Marketing Engineer bei der Inductors Division von Vishay.

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