Oszilloskope Signale gekonnt analysieren

Autor / Redakteur: Andreas Grimm* / Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Härter

Tiefer Erfassungsspeicher, analoge Bandbreite und digitale Abtastrate – neben diesen Standardkriterien sind Eigenschaften wie Analysemöglichkeiten, digitale Signalbusse erfassen und das Triggern und Dekodieren serieller Busse wie I2C, SPI und RS232 sowie CAN, LIN und Flexray im Auto für Analysezwecke entscheidend.

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Die beiden klassischen Merkmale eines Oszilloskopes sind die analoge Bandbreite (Signalfrequenz die den Eingangsverstärker passieren kann) und die Abtastrate (Geschwindigkeit mit der das Signal nach dem Verstärker digitalisiert wird). Das Abtast- (Nyquist) Theorem besagt: Um das Signal rekonstruieren zu können, muss es mit mindestens der doppelten Signalfequenz abgetastet werden.

Dies bezieht sich allerdings auf sinusförmige Signale, die in der heutigen digitalen Welt fast nicht mehr vorkommen. Heute sind rechteckförmige Signale an der Tagesordnung. In der Praxis heißt das, dass man mit dem 8- bis 10-fachen der höchsten Signalfrequenz abtasten muss. Was ist nun die höchste Signalfrequenz? Diese versteckt sich in der Regel in den Anstiegszeiten der Signale. Betrachtet man zum Beispiel ein Signal von 10 MHz (Ausgang einer PLL), wie es in vielen digitalen Systemen vorhanden ist, so wird diese Signalfrequenz zum Ermitteln der Abtastrate mit dem Faktor 10 multipliziert. Die sich daraus ergebenden 100 MS/s sollten ausreichen, um das Signal zu rekonstruieren.

Anstiegszeiten kürzer als Arbeitsfrequenz vermuten lässt

Bild 1: Die Signalanstiegszeit ist ein wesentliches Kriterium und bestimmt die notwendige Abtastrate (Archiv: Vogel Business Media)

Bild 1 zeigt jedoch, dass sogar 500 MS/s (obere rote Kurve) nicht ausreichen, um das Signal mit allen Details zu rekonstruieren. Erst mit einer Abtastrate von 5 GS/s (rosa Kurve darunter) sind alle Signaldetails sichtbar und auch die Messung der Anstiegszeit ist korrekt möglich.

Woran liegt es, dass für ein 10-MHz-Signal eine um den Faktor 500 höhere Abtastrate gewählt werden muss? Die heutigen elektronischen Bauteile verfügen über deutlich kürzere Anstiegszeiten als ihre Arbeitsfrequenz vermuten lässt, im vorliegenden Beispiel etwa 1 ns. Diese Anstiegszeit lässt sich in erster Näherung mit folgender Formel in Bandbreite umrechnen:

Bandbreite = 0,4/Anstiegszeit

Setzt man als Anstiegszeit 1 ns ein, so beträgt die Bandbreite 400 MHz. Dies ist die höchste Frequenz im vorliegenden Signal. Dieses dient als Basis und wird mit 10 multipliziert, was mindestens 4 GS/s als notwendige Abtastrate ergibt. Das belegt auch die praktische Messung. Damit wird klar, dass ein Oszilloskop mit einer analogen Bandbreite von 1 GHz Signalanstiegszeiten von knapp 1 ns nur dann sauber erfassen kann, wenn seine Abtastrate bei 10 GS/s liegt, was wiederum nur die wenigsten Mittelklasse-Oszilloskope erreichen.

Ist die notwendige analoge Bandbreite und die notwendige Abtastrate ermittelt, kommt die dritte Kenngröße ins Spiel: der Erfassungsspeicher. Hier werden die langsamsten Signale oder Vorgänge berücksichtigt, die zusammen mit den schnellen Signalen erfasst werden. Um bei dem Beispiel des 10-MHz-Signals zu bleiben, ist es z.B. für die Untersuchung des Jitters notwendig, ein Zeitfenster von 100 µs aufzunehmen. Bei einer Abtastrate von 5 GS/s wird dafür ein Erfassungsspeicher von 500 KByte benötigt. Diese Speichertiefe ist heute bei fast allen Anbietern zu finden.

Was soll mit den Daten aus dem Erfassungsspeicher geschehen?

Das entscheidende Kriterium ist jedoch, was mit den Daten aus dem Erfassungsspeicher geschehen soll. Sollen diese nur in Details gezoomt oder wirklich analysiert werden? Einige Oszilloskope erzielen eine hohe Triggerwiederholrate, indem sie den tiefen Speicher nur aufnehmen, Messungen von Parametern, Cursor oder Mathematikfunktionen aber nur auf dem Bildschirm zulassen. Hingewiesen wird der Anwender auf diese Tatsache aber erst weit hinten im Handbuch.

Dies hat zur Folge, dass z.B. die Parametermessung der Anstiegszeit abhängig vom Zoomfaktor ist. Das bedeutet, dass bei 10 Zoomstufen 10 verschiedene Werte möglich sind, was wenig Aussagen über die Qualität des Designs erlaubt. Dieser Ansatz schließt auch eine Parameterstatistik von vornherein aus, so dass sich z.B. Jitter über die Messparameter gar nicht bestimmen lassen.

Bild 2: Die Parameter zeigen keine oder falsche Werte an, da nur auf dem Bildschirmspeicher gemessen wird (Archiv: Vogel Business Media)

Bild 2 und 3 zeigen ein Beispiel für eine Technologie beim Oszilloskopspeicher mit der Erfassung eines 10-MHz-Signals. Bild 2 zeigt ein Signal, das mit tiefem Speicher aufgezeichnet wurde. Für die Anzeige der maximal möglichen drei Parameter wurden Pulsbreite, Frequenz und Anstiegszeit gewählt.

Bild 3: Die Parameter zeigen teilweise falsche Werte, da nur auf dem Bildschirmspeicher gemessen wird (Archiv: Vogel Business Media)

In Bild 3 wurde die Erfassung gestoppt und in das Signal gezoomt. Sobald auf dem Bildschirm Details zu sehen sind, werden auch Parameter angezeigt, wenngleich eine Parameterstatistik nicht möglich ist und z.B. die Anstiegszeit noch immer einen falschen Wert anzeigt.

Teilspeicher oder gesamten Speicher analysieren

Ein anderer Ansatz ist die Messung von Parametern nur auf einem Teil des Erfassungsspeichers, also z.B. die Periodendauer nur von der ersten Periode im Erfassungsspeicher. Bezogen auf das Beispiel mit dem 40-MHz-Taktsignal bedeutet dies, dass nur eine Periodendauer pro Trigger gemessen wird. Damit ist eine Parameterstatistik möglich. Um aber relevante statistische Aussagen zu erhalten, muss das Oszilloskop entsprechend häufig triggern. Das kostet den Entwickler natürlich Zeit. Mit diesem Ansatz lassen sich einmalige Vorgänge nicht analysieren, da sich auch in diesem Fall der tiefe Speicher mit Tausenden enthaltener Ereignisse fast nur zum Betrachten des Signals eignet.

Bild 4: Die Messung der Parameter erfolgt nur in einem kleinen Teil des Speichers (Archiv: Vogel Business Media)

In Bild 4 ist ein Beispiel dieses Ansatzes bei der Oszilloskopspeicheranalyse dargestellt. Auch hier ergeben sich in vielen Einstellungen widersprüchliche Messergebnisse. So wurde im vorliegenden Beispiel ein Signal in dem 10 MByte tiefen Speicher mit 2,5 GS/s aufgenommen und der Parameter Width (Pulsbreite) mit Statistik gemessen. Die Statistik zeigt keinerlei Abweichungen und eine Pulsbreite von 500,8 ns. Die unteren Kurve ist ein Zoom in das gemessene Signal und lässt deutlich erkennen, dass unterschiedlich breite Pulse enthalten sind.

Bild 5: Messung der Parameter über den gesamten Erfassungsspeicher des Oszilloskopes (Archiv: Vogel Business Media)

Der dritte Ansatz ist, alle verfügbaren Daten im gesamten Speicher zu analysieren. Das bedeutet im gewählten Beispiel, dass mit jedem Trigger das 10-MHz-Signal in den 1 MByte großen Speicher aufgenommen wird, jede einzelne der ca. 2.000 enthaltenen Periodendauern gemessen und in die Statistik eingetragen wird, wie in Bild 5 dargestellt. Hier ist klar eine Schwankung der Pulsbreite im Bereich von 54,684 ns (minimum) bis 60,42 ns (maximum) über die erfassten 2.000 Pulse zu erkennen.

Bild 6: Weitergehende Analyse über den gesamten Erfassungsspeicher des Oszilloskopes (Archiv: Vogel Business Media)

Um nun die Ursache für diese Schwankung zu finden, sind weitergehende Analysetools notwendig, die es bei Oszilloskopen von 400 MHz bis 1 GHz nur selten gibt. In Bild 6 ist ein solches Oszilloskop mit erweiterter Analyse des 10-MHz-Taktsignals gezeigt. Neben der Parametermessung über den gesamten Speicher mit der Statistik, wird unter jedem Parameter eine Häufigkeitsverteilung eingeblendet. Bei dem ersten Parameter (Pulsbreite) ist erkennbar, dass die Pulsbreite nicht zufällig schwankt, sondern mit einem bestimmten Muster.

In der Mathematikkurve F1 (ockerfarben) wurde der Parameter Pulsbreite als Funktion Erfassungszeitraum dargestellt. Die resultierende Kurve zeigt die Modulationsfunktion, mit der die Pulsbreite jittert. Mit diesen Informationen ist es für den Entwickler einfach, die Jitterursache zu finden und abzustellen.

Auf die richtige Kombination kommt es an

Neben der analogen Bandbreite spielen bei der Beurteilung von digitalen Speicheroszilloskopen die Abtastrate und die Speichertiefe eine entscheidende Rolle. Im Oszilloskop-Markt bei Bandbreiten von 200 MHz bis 2 GHz gibt es eine ganze Reihe von Angeboten, die sich bezüglich des Verhältnisses der analogen Bandbreite zur digitalen Abtastrate und Speichertiefe unterscheiden. Obwohl dieser Markt sehr preissensitiv ist, sollten die Anwendungsmöglichkeiten an der eigenen Applikation überprüft werden.

Ein Oszilloskop mit einer analoger Bandbreite von 1 GHz nützt nichts, wenn die Abtastrate den praktischen Erfordernissen nicht entspricht und der Erfassungsspeicher nur gezoomt werden kann. Die Untersuchung des Einschwingverhaltens eines Quarzes oder von Taktschwankungen sind damit nicht möglich. Erst die richtige Kombination von analoger Bandbreite und Abtastrate sowie die Möglichkeit der Messung von Parametern über einen möglichst großen Speicher geben dem Entwickler die Werkzeuge, die für eine schnelle und akkurate Erfüllung der Aufgaben notwendig sind.

*Andreas Grimm arbeitet in der Abteilung Business Development High-End Scopes bei LeCroy

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