Basel (energate) - Mit 500 GWh war die Energie Zukunft Schweiz AG 2022 für rund ein Viertel der Schweizer Biogaslieferungen verantwortlich. Künftig könnte das Unternehmen aber noch viel mehr des begehrten Gases in die Schweiz liefern. Aktuell arbeitet es im EU-Raum an einer Pipeline von Biogasanlagen, die das Angebot um mehrere TWh erhöhen würde. Das sagt Aeneas Wanner, Geschäftsführer des Unternehmens, im Interview mit energate.
energate: Herr Wanner, für die Leser, welche die Energie Zukunft Schweiz (EZS) AG und ihre neu unter dem Namen Renera auftretenden internationalen Tochtergesellschaften (
energate berichtete) nicht kennen. Wer seid Ihr und in welchen Geschäftsfeldern seid Ihr tätig?
Wanner: Wir sind in drei Geschäftsfeldern tätig: Erstens beraten und unterstützen wir Energieversorger und Immobiliengesellschaften, die Energiewende konkret umzusetzen. Das zweite Geschäftsfeld ist der Biogashandel, insbesondere der Biogasimport für Schweizer Gasversorger. Drittens entwickeln wir grosse PV-Freiflächenanlagen im europäischen Ausland.
energate: Sie haben den Biogashandel angesprochen. Wie hat sich die Energie(preis)krise des vergangenen Herbsts auf diesen ausgewirkt?
Wanner: Biogas aus dem EU-Raum ist gegenüber dem Import von ausserhalb der EU wirtschaftlicher geworden. Zudem hat sich die Art der Beschaffung verändert. In Zeiten sinkender Preise wurde Gas mehrheitlich kurzfristig am Spotmarkt eingekauft. Mit dem starken Anstieg der Energiepreise haben nun viele Käufer realisiert, dass sie stärker strukturiert und auch langfristiger beschaffen müssen. Wir konnten deswegen bedeutend mehr langfristige Verträge abschliessen, einige dieser Verträge haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Das ist positiv für die Biogasbranche. Wenn ein Investor in eine Biogasanlage investieren will, dann braucht er für die Finanzierung der Bank einen robusten, langfristigen Abnahmevertrag. Und genau da kommen wir zusammen mit den Gasversorgern ins Spiel.
energate: Energie Zukunft Schweiz war letztes Jahr mit 500 GWh etwa für rund ein Viertel der Schweizer Biogaslieferungen verantwortlich. Wie viel mehr Biogas könnten Sie noch in die Schweiz liefern?
Wanner: Das entscheiden die Kunden mit ihrer Zahlungsbereitschaft. Wenn diese steigt, steigt natürlich auch das Potenzial. Ein Beispiel hierfür ist Strohgas. Strohgas lässt sich in der EU bei langfristigen Abnahmeverträgen zu Kosten zwischen 70 und 80 Euro pro MWh herstellen. Sobald sich die Preise nachhaltig auf diesem Niveau einpendeln, wird dieses Potenzial erschlossen und es entstehen nochmals ganz andere Volumina. Grundsätzlich wäre die Biogasproduktion im EU-Raum aber bereits heute gross genug, um den Schweizer Gasbedarf vollständig abzudecken.
energate: Entwickeln Sie auch selbst Biogasanlagen?
Wanner: Noch sind wir nicht in der Projektentwicklung für Biogas selbst tätig. Was neue Projekte angeht, arbeiten wir zurzeit aber daran, mit einem grossen Investmentfonds eine Pipeline von mehreren Biogasanlagen im EU-Raum zu erschliessen. Diese Biogasanlagen werden von anderen, lokalen Akteuren entwickelt. Wir sorgen für die Investoren und schliessen mit den Kunden Abnahmeverträge ab. Parallel dazu arbeiten wir an einer Pipeline von Repowering-Anlagen. Auch hier stellen wir den Produzenten und Investoren den Absatz sicher.
energate: Wenn es Ihnen gelingt, all diese Projekte zu realisieren; von was für einem Volumen sprechen wir da?
Wanner: Von mehreren TWh.
energate: Warum investieren die Schweizer Gasversorger nicht direkt selbst in eine grosse Biogasanlage im Ausland?
Wanner: Wir haben versucht, so ein Projekt umzusetzen. Biogas ist aber nicht gleich Biogas, da gibt es unterschiedliche Qualitätsniveaus. Weil die Stadtwerke diesbezüglich unterschiedliche Bedürfnisse haben, übernehmen wir die Rolle als Handelspartner und die Gasversorger konzentrieren sich auf die Versorgung.
enrgate: Wechseln wir das Thema. Energie Zukunft Schweiz ist auch als Solarprojektentwickler tätig. Wie hat sich das Geschäft seit
der Gründung der Tochtergesellschaft Sunwin Energy Italia im Jahr 2019 entwickelt?
Wanner: Mittlerweile beschäftigen wir in der EU 50 Mitarbeitende. Diese Personen sichern die notwendigen Flächen und den Netzanschluss und entwickeln die Projekte dann so weit weiter, bis sie baufertig sind. In Italien beispielsweise haben die von uns entwickelten Solarkraftwerke durchschnittlich eine Grösse von 20 MW, sie bedecken also eine Fläche von circa 20 Fussballfeldern. Bis heute haben wir in Italien eine Pipeline von etwa einem GW aufgebaut, wobei wir etwa 600 MW davon bereits verkauft haben. Ein wichtiger Meilenstein war dabei der Verkauf eines 375 MW grossen Projektportfolios im letzten Jahr (
energate berichtete).
energate: Ihr seid auch noch in Rumänien, Spanien, und Deutschland tätig. Stehen da auch überall grössere Freiflächenanlagen im Fokus?
Wanner: In Rumänien schon. In Spanien fokussieren wir uns auf kleinere Freiflächenanlagen mit Eigenverbrauch. Grund dafür ist, dass in Spanien Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) über die Parzellengrenze bereits möglich sind. Zudem entwickeln wir Solaranlagen auf grossen Immobilien von Immobilienfonds. In Deutschland arbeiten wir an Dachanlagen sowie Freiflächenanlagen, wobei man sagen muss, dass wir in Deutschland bei den Freiflächenanlagen noch eher am Anfang stehen. Dafür sind wir bei den Dachanlagen schon fortgeschritten. Wir konnten mit einigen der grossen Dachbesitzer in Deutschland, wie beispielsweise der Allianz Versicherung oder der UBS, unterschiedliche Vereinbarungen abschliessen. Diese Vereinbarungen sehen vor, dass wir deren Dächer Schritt für Schritt mit Solaranlagen versehen.
energate: Welche weiteren strategischen Pläne verfolgt EZS?
Wanner: In Abhängigkeit von weiteren Meilensteinen in anderen Ländern sowie einer gesunden finanziellen Basis, prüfen wir den Markteinstieg in Frankreich.
energate: Wie sorgen Sie für eine gesunde finanzielle Basis bei solch einem Wachstum?
Wanner: Wir werden auch in diesem Jahr wieder Projektrechte von einigen hundert MW veräussern. Parallel dazu führen wir Gespräche mit Banken und ausgewählten Investoren, um sowohl unseren Finanzierungsrahmen zu erhöhen sowie unser Eigenkapital zu stärken.
energate: Was für Zielsetzungen verfolgen sie mittelfristig im Projektentwicklungsgeschäft?
Wanner: Weiter zu wachsen, das ist ganz klar. Wir wollen in Europa eine führende Rolle einnehmen und bis 2030 eine zweistellige GW-Pipeline in Entwicklung haben.
Die Fragen stellte Mario Graf.