05.04.24, 16:00 von Yves Ballinari

Aarau - Rund 18.000 Kunden in der Schweiz nutzen das Energiemanagementsystem von Solar Manager. Nun will das Aargauer Jungunternehmen eine Führungsrolle auf dem deutschen Markt übernehmen. energate sprach mit Business Development Manager Andreas Hafner unter anderem über die Feinheiten der Gesetzgebung in beiden Ländern.

energate: Andreas Hafner, am 1. Januar 2025 soll in der Schweiz das Stromgesetz in Kraft treten, das unter anderem die Nutzung von Flexibilitäten, Peakshaving, Lokale Elektrizitätsgemeinschaften, bidirektionales Laden und die dynamische Netznutzungstarifierung regelt. Fragt der Endverbraucher diese Lösungen bereits an? 

Hafner: Das bidirektionale Laden hat schon seit der Einführung von Zusammenschlüssen zum Eigenverbrauch (ZEV) eine gewisse Nachfrage. Diese findet jedoch durch die hohen Hürden bezüglich unterstützter Fahrzeuge und erforderlicher Ladeinfrastruktur eine geringe Verbreitung. Dies ist somit nicht ein Problem der Gesetzgebung, sondern eher des Angebotes auf Seiten der Automobil- und Ladeinfrastrukturhersteller.  

Eine Nachfrage besteht jedoch für die virtuellen ZEV, die der Mantelerlass neu vorsieht und die eine Erweiterung der heutigen ZEV darstellen. Künftig wäre es so möglich, den Strom nicht nur hinter dem gleichen Hausanschluss zu nutzen, sondern den Strom über das Verteilnetz beispielsweise an die Nachbarn zu verkaufen. Die meisten Kunden wissen nicht, dass es sich dabei um ein virtuelles ZEV handelt, aber sie konfrontieren uns immer wieder mit dieser Fragestellung. 

Generell kann man jedoch sagen, dass sich die wenigsten Endverbraucher mit den konkreten Verordnungen zum Mantelerlass auseinandersetzen. Entsprechend warten wir aktuell das Referendum ab und entwickeln dann unsere Lösung weiter.  

energate: Die Energiemanagementsysteme für den Heimgebrauch (HEMS) von Solar Manager konzentrieren sich in erster Linie auf die Eigenverbrauchsoptimierung. Inwiefern beeinflusst das Stromgesetz die Firmenstrategie?

Hafner: Grundsätzlich richten wir unsere Lösung immer nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Marktes aus. Wir erwarten zukünftig jedoch eine höhere Konvergenz von Verteilnetz und Prosumer. Dies stärkt die Rolle eines EMS, weil es dieses Zusammenspiel vereinfacht oder im Beispiel von dynamischen Stromtarifen voraussetzt. 

energate: Anders als dynamische Stromtarife sind dynamische Netztarife bereits heute möglich. Die Groupe E etwa bietet ihrer Kundschaft den "Vario-Tarif", für den Solar Manager eine entsprechende Lösung entwickelt hat. Wird das Potenzial seitens Netzbetreiber heute ausgeschöpft? 

Hafner: Das Potenzial ist aus unserer Sicht noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Dies hat verschiedene Gründe. So gibt es bis heute keinen spielenden Markt durch die nicht-liberalisierte Versorgung für Kleinbezüger. Ausserdem ist es in der Schweiz wie erwähnt noch nicht erlaubt, den Energiepreis dynamisch zu gestalten. Somit hat ein Netzbetreiber aktuell nur den Hebel über den Netznutzungspreis. 

Mit dem Vario-Tarif beschreitet Groupe E eine Vorreiterrolle. Aus unserer Sicht ist dies ein smarter Weg, um das Netz besser auszubalancieren. Für Energieversorger, die selbst auch Energieerzeuger sind, bietet das Zusammenspiel aus variablen Tarifen und Energiemanagementsystem eben auch die Möglichkeit den Kunden Anreize zu geben, die Last auf die Zeiten von Hochenergiephasen zu schieben. 

energate: Eigenverbrauchsoptimierung ist mit dem Thema bidirektionales Laden verbunden. Laut Firmenangaben verfügt Solar Manager rund 40 Kunden, die diese Möglichkeit nutzen. Verhalten sie sich dadurch netzdienlicher? 

Hafner: Der Solar Manager unterstützt das Prinzip Vehicle-to-Home. In diesem Fall kann die Batterie des Fahrzeuges als Heimspeicher eingesetzt werden. Dies erlaubt die Optimierung des Eigenverbrauchs, was durch die lokale Verwendung von PV-Strom wiederum einen netzdienlichen Effekt hat. Wir sind aber auch im Gespräch mit Energieversorgern und Verteilnetzbetreibern, um die EMS-Steuerung noch netzdienlicher zu gestalten. 

energate: Das Stromgesetz bildet unter anderem den Rahmen für die Bildung von Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). Wie schätzen Sie die entsprechende Nachfrage ein und für welche Anwendungsgebiete? 

Hafner: Das Potenzial von LEG ist schwierig abzuschätzen. Ein prädestinierter Fall wäre eine zentrale grössere Produktion - ein landwirtschaftlicher Betrieb oder eine Gewerbehalle - mit umliegenden kleineren Konsumenten wie etwa Einfamilienhäusern als Abnehmer. Im Fall von LEG wird immer noch das Verteilnetz beansprucht, wodurch Gebühren für die Netznutzung und die Abrechnung anfallen. Dazu gehört etwa die Zählermiete. Dadurch schätze ich den finanziellen Anreiz und damit die Nachfrage als eher bescheiden ein. Wir sehen ein etwas grösseres Potenzial für die virtuellen ZEV. 

energate: Sie sind auch auf dem deutschen Markt tätig. Dort sollen Netzbetreiber ab Neujahr in der Lage sein, flexible Verbraucher automatisiert netzdienlich zu steuern. Ab 2029 werden die Eingriffe dann verpflichtend. Der entsprechende Paragraf 14a im Energiewirtschaftsgesetz ist allerdings umstritten - welche Erfahrungen machen Sie damit? 

Hafner: Die Energiewelt von morgen ist dezentral und wesentlicher kleinteiliger als heute. Zusätzlich steigt durch die Elektromobilität und Wärmepumpen der Energiebedarf deutlich. Damit wird es für die Netzbetreiber eine enorme Herausforderung, auf die unterschiedlichen Einflussfaktoren von Erzeugung und Verbrauch zu reagieren. Eine netzdienliche Steuerung, welche das Zusammenspiel von Verteilnetz und Prosumer intelligent verbindet, ist damit unumgänglich. 

Durch die Regelungen zum Energiemanagementsystem in § 14a hat der Gesetzgeber bereits erkannt, dass Energiemanagementsysteme hier einen wesentlichen Beitrag leisten können. Somit kann beispielsweise beim Dimmen der Bezugsleistung immer noch der Eigenverbrauch zugelassen werden und die Priorität durch den Benutzer vorgegeben werden. Dadurch führt Netzdienlichkeit nicht zum Komfortverlust beim Kunden. Das schafft auch mehr Akzeptanz für die Energiewende. 

Die konkrete Umsetzung von § 14a erleben wir aktuell allerdings noch etwas chaotisch. Die Netzbetreiber kommunizieren unterschiedlich und setzen es auch unterschiedlich um. Das führt auf Seiten der Installateure zu vielen Fragen. Hier besteht definitiv noch Klärungsbedarf.  

energate: Welches sind Ihre Ziele für den deutschen Markt? 

Hafner: Der deutsche Markt ist gross und hat ein enormes Potential. Aktuell sind noch nicht einmal 20 Prozent davon genutzt. Mit unserer Expertise von über 6 Jahren reiner Softwareentwicklung im Bereich Energiemanagement und über 18.000 Kunden sind wir damit ein ernsthafter Player im Spiel um die Marktführerschaft in Deutschland. 

energate: Wie wollen Sie die Kundschaft in Deutschland von Solar Manager überzeugen? 

Hafner: Wir haben in der Schweiz ein System aufgebaut, dass bewusst sowohl den kleinen und mittelständischen Installationsbetrieb als auch den grossen Energiedienstleister anspricht. Dadurch ermöglichen wir eine leichte Skalierung ohne hohes Investment und - ebenso für grössere Unternehmen oder auch Hersteller - eine individuelle White Label Lösung. Dadurch können wir viele verschiedene Partnerschaften eingehen und jedem ein passendes Angebot liefern. Das passt sehr gut zu den vorherrschenden Marktbedingungen in Deutschland. Zudem haben wir letztes Jahr eine eigene Tochtergesellschaft in Deutschland für den Euroraum gegründet. Das macht es auch unseren Partnern noch einfacher in der Zusammenarbeit. 

energate: Auch auf dem Schweizer EMS-Markt gibt es zahlreiche Mitbewerber. Welche Herausforderungen schafft das für Netzbetreiber in Bezug auf die Integration der verschiedenen Lösungen? 

Hafner: Es braucht auf jeden Fall einen Standard für die Kommunikation zwischen Netzbetreiber und HEMS. Wir engagieren uns in einer Expertengruppe, um diese zu definieren und damit einen Betrag zur Interoperabilität zu leisten. 

Die Fragen stellte Yves Ballinari

Portrait von Yves Ballinari
Yves Ballinari
Redaktor

Im Herbst 2017 begann ich als freier Mitarbeiter bei energate in der Schweiz. Seit November 2021 bin ich fester Bestandteil der Redaktion. Mein Fokus liegt auf Start-ups und neuen Technologien aus den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz.

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