Notbetrieb in den KiTas: Der dortige Personalmangel wird immer drastischer Klaus Krützen: Die Demo war sinnvoll, nur am vollkommen falschen Ort!

Grevenbroich · Land unter in mehreren KiTas im Stadtgebiet: Die „Blumenwiese“ schließt drei der acht Gruppen. Im „Traumzauberhaus“ wird eine von drei Gruppen geschlossen. Die dortigen Eltern rufen zur Demo vor dem Rathaus auf. .... was der falsche Ort sei, wie der Bürgermeister kommentiert. Derweil baut die Stadt fleißig neue KiTas, um bis Ende des kommenden Jahres die fehlenden 300 Plätze anbieten zu können.

Notbetrieb in den KiTas: Der dortige Personalmangel wird immer drastischer​
Foto: privat/KV/privat/-gpm.

Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun und er habe es satt, immer wieder den Kommentaren „die haben nicht genug Personal für die bestehenden KiTas und bauen trotzdem weiter“ entgegentreten zu müssen, macht Bürgermeister Klaus Krützen im Exklusiv-Gespräch mit dem Erft-Kurier nahezu entnervt klar.

Man müsse hier zwischen „Steinen“ und „Beinen“ unterscheiden: „Wir als Stadt müssen ausreichend Plätze schaffen. Dazu hat der Gesetzgeber uns verpflichtet“, so Krützen weiter. Im Grevenbroicher Fall seien es 300 Plätze, die bis zum Ende des kommenden Jahres aus dem Boden gestampft werden müssen. Und er fügt an: „Ich bin gespannt, was die Richter (Anmerkung der Redaktion: die die Einhaltung der vorgegebenen Zahlen in ihren Urteilen gefordert haben) sagen, wenn die Plätze da sind, wir aber keine Erzieher haben.“

 Fatma Seyrek und Miriam Wohlgemuth vom „Traumzauberhaus“-Elternbeirat.

Fatma Seyrek und Miriam Wohlgemuth vom „Traumzauberhaus“-Elternbeirat.

Foto: privat/KV/privat/-gpm.

Was dann passieren kann, zeigen die beiden eingangs erwähnten KiTas, zum Beispiel das „Traumzauberhaus“ in Elsen, das seit einiger Zeit in Notbesetzung (gerade mal sechs Kräfte, darunter ein aus einer anderer KiTa abkommandierter Mitarbeiter; die Leitung ist zudem dauer erkrankt) gefahren wird. Schon vor zwei Jahren gab es einen Notbetrieb, jetzt ist wieder so weit: Statt der drei Gruppen können nur zwei angeboten werden. Das heißt: Die Kinder können nur drei oder vier Tage in der Woche in die KiTa gebracht werden.

An den übrigen Tagen müssen die ja zumeist berufstätigen Mütter nach anderen Lösungen suchen. Oft müssen dann die Omas ran ... „Wenn man eine Oma hat. Bei mir ist keine Oma da. Also frage ich mal die eine, mal die andere Tante, aber irgendwann hört auch deren Verständnis auf“, macht Fatma Seyrek vom Elternbeirat der KiTa deutlich. Ihre Kollegin Miriam Wohlgemuth ergänzt, dass ja auch die Omas nicht ohne Grund in Rente seien. Im Fall ihrer Mutter seien es die Knie, die das private Betreuen unmöglich machten.

Noch schlimmer trifft es die Mütter, die keinen familiären Background haben und die sich auch nicht mit Home-Office retten könnten. Die beiden Elternvertreter berichten von Fällen, in denen Mütter schon den Job verloren hätten, weil der Arbeitgeber nicht mit sich reden lassen wollte.

Die Demo sorgte jedenfalls für einen Gesprächstermin.

Die Demo sorgte jedenfalls für einen Gesprächstermin.

Foto: privat/KV/privat/-gpm.

Der Fachkräftemangel im Bereich der Kindergärten ist bekannt und landesweit ein Problem. Dennoch haben die beiden Mütter den Eindruck, „dass die katholischen Kindergärten besser laufen. Bei denen gibt es bis jetzt keine Notbetreuung“, sagen sie.

Hier sei es Aufgabe der Stadt, die Gründe zu eruieren. Aber von dort höre man nur, dass Fluktuation in diesem Bereich normal sei. Gerade auch im „Traumzauberhaus“ habe es viele Abgänge gegeben – zum Beispiel mit der Begründung, „man wolle sich weiterentwickeln. Miriam Wohlgemuth: „Wir haben das Gefühl, nicht alle waren zufrieden, die gegangen sind.“

Einen Einwand, den Bürgermeister Klaus Krützen nicht gelten lassen will: „Was wir als Goodie machen können, machen wir“, betont er mit Nachdruck. Das reiche von der tarifgemäßen Bezahlung bis hin zum Verzicht auf befristete Verträge. Alle wurden fest angestellt (selbst auf die Gefahr hin, dass es so mal zu einem Überhang kommen könnte, wenn eine Mitarbeiterin nach Schwangerschaft und Mutterschutz zurückkehrt).

Der einzige Weg in seinen Augen: Das Land muss das bestehende Fachkräftegebot aufheben. „Da muss das Land ran“, unterstreicht er. Dabei komme es bei der Zahl der „umgeschulten“ Hilfskräfte natürlich auf „das richtige Maß“ an.

Die beiden Elternvertreter vom „Traumzauberhaus“ wissen zum Beispiel von Altenpflegern, die gerne auf diesem Weg in die KiTa-Betreuung wechseln würden. „Aber selbst als Kinderkrankenschwester müsste ich ein vierwöchiges unbezahltes Praktikum machen. Das ist doch kein Anreiz“, betont Miriam Wohlgemuth bitter.

Sie fordert: „Man muss doch das Gesamtbild betrachten, das System überdenken.“ Und sie versteht nicht, warum die in solchen Fällen nicht auf Zeitarbeitskräfte zurückgreift. „Ich weiß, die sind teuer und das will die Stadt nicht zahlen. Warum stellt man aber nicht zwei, drei ein, die dann als Springer eingesetzt werden könnten“, kommentiert Wohlgemuth. Denn am Ende beiße sich die Katze in den Schwanz: Müssen die Betreuerinnen, um Lücken zu stopfen, dauerhaft „überpowern“, sind sie selbst in der Gefahr, krank zu werden.

In Folge der Demo in der Vorwoche gibt es einen Gesprächstermin mit Bürgermeister Krützen und Dezernent Florian Herpel. Ob der neue Erkenntnisse bringt, steht in den Sternen: „Die städtischen Bemühungen gegen den Fachkräftemangel spiegeln sich in der zahlenmäßig fortgesetzt steigenden und erfolgreichen Ausbildung neuer Fach- und Ergänzungskräfte und dem Ausschöpfen der nur geringen Möglichkeiten innerhalb der von der Landesregierung verantworteten Personalverordnung wieder“, heißt es aus dem Jugendamt.

(Gerhard P. Müller)
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