Der junge Syrer Mutasem Rabah blickt nicht nur im Studium, sondern auch ganz privat gerne mal über den Tellerrand hinaus. Foto: HE/Renz Quelle: Unbekannt

(red) - Mutasem Rabah studiert Maschinenbau an der Hochschule Esslingen. Doch obwohl ihn sein Studium fordert, nimmt sich der 23-jährige Syrer regelmäßig auch Zeit für andere: Er gibt Asylbewerbern Deutschunterricht, engagiert sich im Flüchtlingsdialog und dolmetscht für das Jugendamt des Landkreises Esslingen. Für seine Studienleistungen und sein soziales Engagement erhielt Mutasem Rabah jüngst den mit 1000 Euro dotierten Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

Anders schreiben, anders denken

„Im Moment entwickle ich für Festool ein Wandschleifgerät“, erklärt Mutasem Rabah. „Leicht soll es sein - schließlich müssen die Anwender es oft über Stunden mit ausgestrecktem Arm benutzen.“ Diese Aufgabe begeistert ihn. Es sei ihm wichtig, die Verantwortung für ein ganzes Produkt zu haben, erklärt der Student. Nur ein paar Module verändern - das sei nichts für ihn: „Ich will da arbeiten, wo man das Rad neu erfindet.“

Er ist überzeugt, dass er mit seiner Arbeit bei Festool nicht nur viel lernt, sondern dass er das Team auch mit seinen kreativen Lösungsansätzen bereichert. „Ich schreibe andersherum und spreche anders - da denkt man auch anders und findet andere Lösungen“, sagt der Damaszener und lacht. Dass er interessante Denkansätze finden und wegweisende Lösungen entwickeln kann, bestätigen nicht nur seine akademischen Leistungen, sondern auch die Verleihung des DAAD-Preises. Ausschlaggebend für diese Würdigung war unter anderem auch sein herausragendes soziales Engagement.

Der angehende Ingenieur spricht perfektes Deutsch. Sein Akzent ist kaum stärker als die schwäbische Sprachmelodie, die er sich in Esslingen angeeignet hat. Bevor er im März 2013 ins Schwabenland kam, hatte er einen Monat lang Deutschunterricht an der Universität in Damaskus genommen. Neben dem Studium besuchte er anfangs in Esslingen Sprachkurse am Institut für Auslandsbeziehungen - eine harte Zeit, weil er zusätzlich jobben musste, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Vielfältiges Engagement

Mittlerweile gibt Mutasem Rabah seine Deutschkenntnisse an Asylbewerber weiter: „Ich denke, dass es meine Pflicht ist, Deutsch zu unterrichten und Vorurteile abzubauen, weil ich beide Sprachen spreche.“ Der junge Maschinenbauer engagiert sich gleich mehrfach. Für das Jugendamt des Landkreises Esslingen übersetzt er. Außerdem unterstützt er syrische Studienbewerber bei der Werkstatt für persönliche Entwicklung in Esslingen und dolmetscht für die Stuttgarter Flüchtlingsdialoge. Viel Aufhebens mag der 23-Jährige um sein Engagement aber nicht machen: „Beim Flüchtlingsdialog gibt es immer so richtig gutes Essen, und die Leute sind sehr nett.“

„Wer sich beim Deutschlernen nicht anstrengt und erwartet, dass ich ihm amtliche Schreiben übersetze, wird enttäuscht. Motivierten Schülern helfe ich gerne“, versichert der 23-Jährige. Viele seiner Schüler machen kaum Fortschritte. Sie hätten Sorgen und machten sich Gedanken um ihre Familien. Sein Rat: „Du musst mit den Gedanken hier sein, sonst lernst du die Sprache nicht und kannst dich nicht auf Deutschland einlassen.“ Wenn er Nachrichten oder Videos auf YouTube sehe, sorge auch er sich um seine Familie. Schon mehr als drei Jahre hat er seine Eltern nicht mehr gesehen. Eigentlich hätte er sie gerne bei seiner Absolventenfeier dabeigehabt, aber das ist politisch gerade nicht möglich.

Ein Treffen in Syrien kommt nicht in Frage, und ein Visum für eines der Nachbarländer zu bekommen, scheint unmöglich. Ab und zu spricht er über Skype mit seinen Eltern. Dann hört er die Luftangriffe im Hintergrund. „Ich glaube, dass nichts passiert, was nicht geplant ist“, sagt Rabah, für den klar ist: „Man darf sich nicht abkapseln, wenn man sich integrieren will.“ Viele deutsche Traditionen und Wörter hat er mit seinem Kommilitonen und Freund Simon kennengelernt. Gelegentlich gehen Simon und Sem, wie ihn seine Freunde nennen, nach der Vorlesung Brathähnchen essen. „Das mit der Integration hat zur Hälfte funktioniert - ich trinke Radler, also zur Hälfte Bier“, sagt er und lacht.