Deutschland hat sich gegenüber 2017 um einen Platz verbessert. Grafik: BDZV - Grafik: BDZV

An diesem Donnerstag ist der Internationale Tag der Pressefreiheit. Gern wird dann auf ferne Länder gezeigt, doch auch in Deutschland und der Region gibt es Probleme.

EsslingenDeutschland hat sich verbessert. „Reporter ohne Grenzen“ listet die Bundesrepublik in puncto Pressefreiheit auf Platz 15 von 180 Staaten weltweit. Die Organisation hat jüngst ihre aktuelle Rangliste veröffentlicht, und Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr einen Platz gestiegen. Uns interessiert am Tag der Pressefreiheit an diesem Donnerstag aber nicht nur die Situation in Deutschland, sondern auch in der Welt, in Europa und auf der lokalen Ebene.

Für Katja Römer von der Deutschen Unesco-Kommission ist die Pressefreiheit vor allem in den autokratischen Staaten der Welt bedroht. Als Beispiele nennt sie Eritrea, Nordkorea oder Turkmenistan. Aber nicht nur dort setzt sich die Unesco für die Freiheit der Presse ein: „Pressevielfalt ist zentral, um Themen von unterschiedlichen Perspektiven aus zu beleuchten. Das ist die Grundlage für Bürgerinnen und Bürger, um informierte Entscheidungen zu treffen“, sagt Römer und ergänzt: „Die Unesco fördert besonders in Entwicklungsländern den Aufbau von Medieninstitutionen, die diese Vielfalt stärken.“ Für die Unesco ist angesichts von mehr als 930 ermordeten Journalisten seit 2006 vor allem die Sicherheit der Medienschaffenden ein zentrales Anliegen. „Besonders erschreckend ist, dass im Schnitt nur einer von zehn Mordfällen aufgeklärt wird“, sagt Römer. Die Organisation setzt sich daher auch für die Aufklärung und Ahndung von Verbrechen an Medienschaffenden ein.

„In keiner anderen Weltregion hat sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so stark verschlechtert wie in Europa.“ Für „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) sind die zunehmende medienfeindliche Hetze durch Regierungen oder führende Politiker ein Beleg für diese Entwicklung, wie die Nichtregierungsorganisation auf ihrer Webseite schreibt. Das schaffe ein „feindseliges, vergiftetes Klima, das oft den Boden für Gewalt gegen Medienschaffende oder für staatliche Repression bereitet“. Die Unesco beobachtet eine ähnliche Entwicklung, die auch in Westeuropa zunehmend beunruhigend sei, wie Katja Römer mitteilt. „In einigen Ländern der EU werden Journalisten systematisch bei ihrer Arbeit behindert. Vehemente Medienhetze und Todesfälle sind leider nicht nur Einzelfälle.“

Anne Renzenbrink arbeitet als Pressereferentin bei „Reporter ohne Grenzen“ und spricht trotz der kleinen Verbesserung von Deutschland von „einigen strukturellen Problemen“. Gesetze wie das Netzwerkdurchsuchungsgesetz oder das BND-Gesetz (Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst), Übergriffe auf Journalisten und Exiljournalisten wie bei den G20-Protesten im vergangenen Jahr in Hamburg oder bei Kundgebungen und Demonstrationen vor allem rechtsorientierter Gruppierungen sowie die lückenhafte Regelung des Zugangs zu Informationen von Behörden in der Bundesrepublik kritisiert die Organisation. „Viele Probleme sind schon länger bekannt, einige haben sich verschärft“, sagt Renzenbrink und äußert Enttäuschung insbesondere in Bezug auf die gesetzgebende Ebene: „Da wurden wir sehr deutlich, denn Gesetze wie das BND-Gesetz sind im Prinzip Steilvorlagen für Diktatoren.“ Ein weiteres Problem stellt für ROG das Aufweichen von redaktionellen und kommerziellen Inhalten dar. „Dass dem Leser nicht sofort klar ist, dass es sich um Werbung handelt, nimmt grundsätzlich zu“, sagt Renzenbrink. Die deutsche Sektion von Transparency International freut sich indes, dass das Interesse an der Korruptionsprävention in der Medienbranche und der Pressefreiheit in den vergangenen Jahren gestiegen sei, wie Ulrike Fröhling, Leiterin der AG „Transparenz in den Medien“, sagt. Aber sie nennt das Vorrücken auf Weltplatz 15 eine Scheinverbesserung: „Ich wüsste nicht, dass sich mehr Verlage Compliance-Regeln gegeben haben oder mehr für die Pressefreiheit einstehen.“ Fröhling zählt noch ein weiteres Problem auf: den Wandel in der Medienbranche. Die zurückgehenden Auflagen, die schrumpfenden Werbeeinnahmen stellten die Verlage vor enorme ökonomische Herausforderungen – ein „Türöffner für die Einschränkung der Pressefreiheit“, wie Fröhling sagt: „Meistens reagieren diese mit Redaktionszusammenlegungen oder machen aus festen freie Mitarbeiter.“ Eine prekäre wirtschaftliche Situation erzeuge Druck, und dieser sei schädlich für die Freiheit der Presse. Je größer dieser Druck, desto größer der Versuch der Einflussnahme auf die schreibende Zunft – das sei das Ergebnis eine Umfrage von Transparency.

Auf der lokalen Ebene sind die Nichtregierungsorganisationen aufgrund des Strukturwandels alarmiert. „Die Konzentrationsprozesse von Zeitungen reichen bis tief in die Lokalbranche, und parallel entstehen mächtige Zentralredaktionen, die identische Inhalte liefern“, sagt Anne Renzenbrink von „Reporter ohne Grenzen“ und fügt an: „Da werden zwar Kompetenzen gebündelt, allerdings nimmt die Medienvielfalt ab.“ Auch Transparency International sieht in der Zunahme der Zusammenschlüsse von Zeitungen und dem Verschwinden von Lokalzeitungen ein Problem, denn das „bedeutet eine Abnahme der journalistischen Freiheit und damit der journalistischen Qualität. Je mehr Konzentration es gibt, desto weniger sind Individualität und freiheitliche Berichterstattung garantiert“, sagt Ulrike Fröhling. Darüber hinaus will Transparency die Korruption bekämpfen, die laut Fröhling auch in regionalen und lokalen Redaktionen eine Rolle spiele. „Da fehlt das Bewusstsein, mehr Regeln und mehr Aufklärung sind gefordert.“

Es kommentiert Fabian Schmidt