Baerbock pocht in Pretoria erneut auf Kohleausstieg

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock besuchte am Dienstag (27. Juni) Johannesburg, um Südafrika davon zu überzeugen, sich dem internationalen Chor der Verurteilung Russlands für seinen Krieg gegen die Ukraine anzuschließen. [EPA-EFE/JULIEN WARNAND]

Deutschland drängt Südafrika weiter, wie vereinbart den Kohleausstieg voranzutreiben, obwohl es in dem afrikanischen Land aufgrund ununterbrochener Stromausfälle Widerstand gegen die geplante Stilllegung von veralteten Kohlekraftwerken gibt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besuchte am Dienstag (27. Juni) Johannesburg, unter anderem um Südafrika davon zu überzeugen, sich dem internationalen Chor der Verurteilung Russlands für seinen Krieg gegen die Ukraine anzuschließen.

Sie wollte Pretoria auch an seine Verpflichtung erinnern, so schnell wie möglich aus der Kohle auszusteigen.

„Der wohl größte Bremsklotz, der Südafrika derzeit davon abhält, sein volles Potenzial zu entfalten, ist die Energiekrise im Land“, sagte Baerbock am Dienstag vor der Presse in Johannesburg.

„Eure Regierung ist wie wir überzeugt, dass die grüne Transition der Schlüssel ist, um diese Krise auf eine sozial gerechte Weise zu überwinden“, betonte sie dazu.

Südafrika befindet sich mitten in einer ausgewachsenen Energiekrise, die auch auf die veralteten Kohlekraftwerke zurückzuführen ist, die nicht mehr funktionieren. Die Lichter flackern in diesen Tagen regelmäßig, was Unternehmen dazu zwingt, dieselbetriebene Generatoren in Betrieb zu nehmen, um den Anschein von Normalität wiederherzustellen.

Geplante Stromabschaltungen, sogenannte „Lastabwürfe“, dauern oft bis zu zehn Stunden und verursachen enorme Kosten für die Wirtschaft. Schätzungen zufolge war das südafrikanische BIP im Jahr 2022 aufgrund der Stromausfälle um 5 Prozent niedriger als es hätte sein können.

Das staatliche Versorgungsunternehmen ESKOM hat außerdem bereits davor gewarnt, dass der kommende Winter noch schlimmer werden könnte.

Die Situation hat der südafrikanischen Kohlelobby Auftrieb gegeben, die argumentiert, dass die Energiekrise, die durch schlecht verwaltete Kraftwerke und grassierende Korruption verursacht wurde, mit mehr Kohle gelöst werden könnte.

Derzeit werden mehr als 80 Prozent des südafrikanischen Stroms aus Kohle gewonnen, was das Land zu einem der kohleintensivsten Länder der Welt macht. Angesichts der Energiekrise sehen sich die Politiker veranlasst, darüber nachzudenken, ob sie alte Kohlekraftwerke weiter betreiben sollen, anstatt sie abzuschalten.

„In einigen Fällen könnte es notwendig sein, den Zeitrahmen und den Prozess der vorübergehenden Stilllegung oder Einmottung von Kohlekraftwerken zu überdenken, um unsere Stromversorgungslücke zu schließen“, sagte Cyril Ramaphosa, Südafrikas Präsident, im April.

Klimaaktivisten, die gehofft hatten, dass die Energiekrise den Übergang zu saubereren Energiequellen wie erneuerbaren Energien fördern könnte, sind zunehmend bestürzt über die anhaltende Kohle-Lobbyarbeit.

Die G7, ein Club der reichsten Nationen der Welt, hat ein besonderes Interesse daran, dass Südafrika auf saubere Energien umsteigt.

Pretoria war der erste Empfänger eines neuen 8,5-Milliarden-Dollar-Förderprogramms im Rahmen der Bemühungen, dem globalen Süden bei der Reduzierung seiner Kohlenstoffemissionen durch „Just Energy Transition Partnerships“ zu helfen. Dabei handelt es sich um einen Finanzierungsmechanismus, der von wohlhabenden Nationen eingerichtet wurde.

Deutschland, das jahrzehntelang mit der Reduzierung des Kohleanteils in seinem eigenen Strommix zu kämpfen hatte, ist ein entschiedener Befürworter dieser Programme. Diese Erfahrung will man teilen.

„Wir wissen aus unserer Erfahrung“, dass eine Umstellung wie „der Kohleausstieg keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Herkulesaufgabe ist“, erklärte Baerbock.

Präsident Ramapahosa traf die Ministerin während ihres Besuchs allerdings nicht.

Seitdem haben Indonesien und Vietnam ähnliche Abkommen unterzeichnet, während die Philippinen, der Senegal und Indien in Gesprächen sind, sich dem Vorhaben anzuschließen.

EU-Klimachef: Afrika wird "wichtigster Partner für Europa" sein

Afrika wird wahrscheinlich Europas wichtigster Partner sein, wenn es darum geht, das Angebot an erneuerbaren Energien zu erhöhen und auf grünen Wasserstoff umzusteigen, sagte EU-Klimachef Frans Timmermans in einem exklusiven Interview mit EURACTIV.

Westliche Arroganz

Westliche Politiker bewegen sich bei ihren Besuchen in Südafrika auf einem schmalen Grat, denn ihre Bemühungen um einen grünen Wandel werden oft als Versuch gesehen, koloniale Strukturen wiederherzustellen.

„Eine neue Form des Kolonialismus wird durch die Hintertür eingeführt“, ist laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine weit verbreitete Meinung. Schließlich werden die Technologien, die einen grünen Wandel fördern, oft in reichen Ländern produziert, und das Engagement wird als eine Form der egoistischen Marktschaffung angesehen, so die Forscher.

Kritiker argumentieren auch, dass Deutschland selbst angesichts der Gasknappheit im vergangenen Jahr wieder auf Kohle umgestiegen ist.

„Ja, wir mussten vorübergehend eine Handvoll Kohlekraftwerke reaktivieren, die wir in Reserve gehalten hatten, um Familien im eisigen Winter warmzuhalten“, räumte Baerbock in einem Meinungsbeitrag ein, der vor ihrem Besuch in der südafrikanischen Sunday Times veröffentlicht wurde.

Dennoch betonte sie während ihres Besuchs, wie wichtig es sei, die Kohlekraftwerke Südafrikas abzuschalten – eine Botschaft, die in Johannesburg nicht immer gut ankam.

Jacob Maroga, der frühere Vorstandsvorsitzende des südafrikanischen Stromversorgers ESKOM, hatte Europa und den USA angesichts ihrer historischen Emissionen einmal gesagt, sie sollten bei der Bekämpfung des Klimawandels „die Klappe halten.“

Wasserstoff-Versprechen

Ein großes Versprechen, mit dem Berlin Südafrika dazu bewegen will, seine Energiewende voranzutreiben, ist das Versprechen einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft.

„Aus meiner Sicht befindet sich Südafrika in einer einzigartigen Position, um vom Boom des grünen Wasserstoffs zu profitieren“, schreibt Baerbock in ihrem Meinungsbeitrag. Europa dürstet nach grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, und Länder wie Deutschland sind „bereit, viel Geld dafür zu zahlen“, fügte sie hinzu.

Um dieses Versprechen zu bekräftigen, unterzeichnete Deutschland am Dienstag ein 30 Millionen Euro schweres Wasserstoffabkommen mit Johannesburg.

Das Abkommen, das Südafrika die Produktion von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten – beispielsweise grünes Kerosin und Ammoniak – ermöglicht, enthält eine Klausel, die den „Zugang zu den Märkten“ erleichtern soll, so die Bundesregierung.

EU will Afrika zum Weltmeister der Wasserstoffexporte machen

Europa will raus aus den fossilen Brennstoffen und rein in die Wasserstoffwirtschaft. Von jeher ein Energieimporteur, will die EU dann große Mengen an Wasserstoff aus Ländern des globalen Südens importieren.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Frédéric Simon]

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Abonnieren