Lampedusa wird wieder überrannt

Eines von zwei Flüchtlingsbooten vor der Insel Lampedusa

Lampedusa wird zunehmend zum Mittelpunkt einer sich anbahnenden Regierungskrise in Italien, gehooft wird jetzt dass Deutschland und Frankreich baldig reagieren, EPA-EFE/ANSA

In den vergangenen Tagen sind gut 2000 Flüchtlinge auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet. Dies ist zum einen viel früher als erwartet, und zum anderen sind damit bereits bis Mai mehr Flüchtlinge gelandet als in ganz 2019, berichtet die FAZ.

Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, Italien bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen. Sie habe angesichts der zahlreichen Bootsflüchtlinge auf der Mittelmeerinsel Lampedusa mit Italiens Innenministerin Luciana Lamorgese telefoniert, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson am Montag in Brüssel. „Es braucht Solidarität mit Italien und ich rufe die anderen Mitgliedstaaten zur Unterstützung bei der Verteilung (von Flüchtlingen) auf.“

Bei „dieser riesigen Menge Menschen innerhalb von kurzer Zeit“ brauche es eine rasche Notlösung, sagte Johansson. Da die Frage der Verteilung von Flüchtlingen in der EU weiterhin nicht geklärt sei, „sind wir hier auf die freiwillige Solidarität der Mitgliedstaaten angewiesen“. Wegen der Pandemie sei es sicherlich derzeit nicht einfach, „aber ich denke, dass dies zu machen ist“.

Die Innenkommissarin sprach in Brüssel im Anschluss an ein Treffen mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi. Der UN-Vertreter rief die EU-Staaten auf, die seit Jahren feststeckende Reform des EU-Asylsystems endlich zum Abschluss zu bringen. „Europa braucht einen vorhersehbaren Mechanismus, um mit diesen Angelegenheiten umzugehen.“

Die EU-Staaten streiten seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 über die Asylreform. Die EU-Kommission hatte im September einen neuen Vorschlag unterbreitet. Er sieht beschleunigte Asylverfahren direkt an den Außengrenzen und schnellere Abschiebungen vor. Die Pläne brachten aber bislang keinen Durchbruch.

Osteuropäische Länder wie Ungarn lehnen den Vorschlag der Kommission ab, weil er weiter Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU enthält. Hauptankunftsländer für Migranten im Süden der EU wie Italien und Griechenland beklagen hingegen eine ungerechte Lastenteilung. Diplomaten zufolge wird derzeit nicht mit einer baldigen Einigung gerechnet.

Die Flüchtlingsthematik ist politisch extrem explosiv, gerade so kurz vor den wichtigen Wahlen in Deutschland und Frankreich. Seit der Flüchtlingskrise wird das Thema von den Regierungschefs nur sehr vorsichtig angefasst.

Lampedusa ist die südlichste Insel Italiens, hat circa 6000 Einwohner und ist mehr oder weniger einfach ein größerer Kalksteinfels mitten im Mittelmeer. Die südliche Lage macht Lampedusa allerdings bei Bootsflüchtlingen aus Nordafrika enorm beliebt.

„Wir sind an Notstandssituationen gewöhnt,“ sagt Lampedusas Bürgermeister Martello, über die Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Bis zu 1.200 Flüchtlinge können untergebracht werden, bis Montagmorgen waren es allerdings ungefähr doppelt so viele.

Aufgrund von Quarantänepflichten müssen große Quarantäneschiffe eingesetzt werden, um eine ausreichende Isolation zu gewährleisten. Viele der Flüchtlinge sind bereits via Fähre nach Sizilien gebracht worden.

Humanitäre Missstände verkomplizieren die Situation noch zusätzlich. Private Seenotretter wie die „Sea-Watch 4“ die in Not geratene Flüchtlinge beispielsweise vor der Küste von Libyen an Bord holen und nach Europa bringen, werden von manchen als nicht-staatlicher Fährendienst wahrgenommen.

In 2020 machte Malta Negativschlagzeilen als bekannt wurde, dass die Malteser Küstenwache Bootsflüchtlinge mit Treibstoff sowie GPS-Koordinaten ausstattete und nach Sizilien schickte.

Italien sucht seit Jahren den Dialog mit Libyen, in der Hoffnung das Problem im Keim zu ersticken. Diese diplomatische Herangehensweise inkludierte auch das Schenken von Schiffen zur Verwendung der Küstenwache. Eines der solchen Boote hatte letzte Woche auf einen italienischen Fischer geschossen.

Mario Draghi, der italienische Ministerpräsident, war bereits Anfang April nach Libyen gereist, um Hilfe zu versprechen und sich bei der Libyschen Küstenwache zu bedanken.

Die diplomatische Charmoffensive scheint nicht ausgereicht zu haben, weswegen Italien mit seiner ideologisch breit aufgestellten Regierung vor einer politischen Krise steht.

„Angesichts von Millionen Italienern in Schwierigkeiten können wir uns nicht auch noch um tausende illegale Einwanderer kümmern.“ Giorgia Meloni, Chefin der größten Oppositionspartei Fratelli d’Italia (die Brüder Italiens), forderte die Einrichtung einer Seeblockade zur Abwehr der Flüchtlingsschiffe aus Libyen.

Italien zählt jetzt auf das Malta-Abkommen aus 2019, bei dem sich Frankreich, Deutschland und andere EU-Staaten dazu verpflichtet haben, Bootsflüchtlinge die in Malta und Italien landen, bei sich aufzunehmen.

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