Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europaparlaments, Bernd Lange, hat am Dienstag die Hoffnung geäußert, dass bis November ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich erreicht werden kann. Eine Ratifizierung dieses Deals durch die nationalen Parlamente sei seiner Ansicht nach aber nicht erforderlich, da es sich um ein reines EU-Assoziierungsabkommen handele.
In einem Pressegespräch erklärte Lange, der zukünftige Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und dem UK werde ein Assoziierungsabkommen sein. Dieser brauche dann „sicherlich“ nicht den Segen der 27 nationalen Parlamente.
Das hätte auch einen praktischen Nutzen: „Sonst ist es wohl nicht möglich, ein Abkommen zu erzielen,“ fügte der sozialdemokratische Europaabgeordnete hinzu.
Lange betonte weiter, dies sei auch die Ansicht der Mitgliedsstaaten selbst, die sie während eines zehntägigen Verhandlungstreffens mit den EU-Institutionen zu den Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen dargelegt hätten.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Handelsabkommen mit Singapur im Jahr 2017 hatte bereits klar gestellt, welche Zuständigkeiten in den ausschließlichen Bereich des Gemeinschaftsrechts fallen und daher keiner nationalen Genehmigung bedürfen.
Damals urteilten die Richterinnen und Richter, dass die Handelspolitik in die alleinige Zuständigkeit der EU fällt. Dazu gehören dem Urteil zufolge auch Themen wie Arbeitsrechte und Umweltstandards.
Lange sagte daher: „Ich sehe keine Probleme dabei, ein reines EU-Abkommen zu haben.“
Die Zeit drängt weiter
Nach der Präsentation des Verhandlungsmandats für die künftigen Beziehungen am Montag erklärte ein EU-Kommissionsbeamter in einem Presse-Briefing ebenfalls, der vorgeschlagene Text falle in den Bereich des Gemeinschaftsrechts. Er räumte allerdings ein, dass bezüglich des Ratifizierungsprozesses erst eine Entscheidung getroffen werde, sobald eine Einigung über den Inhalt erzielt worden sei.
Es wird erwartet, dass das EU-Parlament am heutigen Mittwoch seine Position zu den gewünschten zukünftigen Beziehungen festlegt. Eine abschließende Abstimmung im Plenum findet dann kommende Woche statt.
Lange legte jedoch bereits offen, dass die Meinung der EU-Abgeordneten wohl „ziemlich nah“ an dem von EU-Chefunterhändler Michel Barnier vorgelegten Mandatsentwurf liege. Man wünsche sich lediglich kleinere Ergänzungen zu den Themen Gentechnik, Verbraucherschutz und gleiche/faire Wettbewerbsbedingungen.
Trotz der Differenzen, die sich zwischen den Positionen Londons und Brüssels bereits abzeichneten, äußerte Lange seine Hoffnung, dass bis November eine Einigung erzielt werden könne. Nur so wäre es möglich, den Ratifizierungsprozess noch vor Ende der sogenannten Übergangsperiode am 31. Dezember abzuschließen.
Der deutsche EU-Abgeordnete gab sich optimistisch: „Wenn auf beiden Seiten ein klarer Wille besteht, ist es möglich, in neun Monaten eine Einigung zu erzielen.“
Streitpunkte
Einer der Hauptstreitpunkte wird die Frage nach „gleichen Bedingungen“ hinsichtlich der Arbeits-, Umwelt-, Steuer- und Wettbewerbsregeln sein, die die EU zwischen beiden Seiten gewährleisten will.
Lange unterstrich in dieser Hinsicht: „Natürlich werden wir niemals – von Anfang an nicht – eine Dumping-Insel auf der anderen Seite des Ärmelkanals akzeptieren.“ Das Hauptziel des EU-Parlaments sei ganz klar, Rückschritte bei diesen bestehenden Standards zu verhindern.
Der Mandatsentwurf der Kommission legt derweil einen besonderen Schwerpunkt auf die Angleichung der Entscheidungen über staatliche Beihilfen.
EU-Beamte und nationale Diplomaten erwarten dabei, dass die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde sowie die EU-Kommission damit beauftragt werden, die zukünftige Kohärenz der beiden Systeme zu gewährleisten.
Sollte es ein Abkommen geben und die Kommission dann zu einem späteren Zeitpunkt der Ansicht sein, dass einige britische Subventionen gegen die EU-Grundsätze verstoßen, könnte sie die entsprechenden Fälle an einen Streitbeilegungsmechanismus weiterleiten. Dessen Entscheidungen wären bindend.
Als potenzielle Sanktionen könnten dann beispielsweise Teile der Handelsabkommen ausgesetzt werden und einige Quoten oder Zölle wieder eingeführt werden.
[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]