Merkel fordert Afghanen auf: Bleibt zuhause

Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich am Mittwoch in Berlin mit dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani. Foto: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erstmals afghanische Migranten ausdrücklich davor gewarnt, nach Deutschland zu flüchten.

Die Hoffnung auf ein besseres Leben sei kein Grund, „um bei uns Asyl oder einen Aufenthaltsstatus zu bekommen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani in Berlin. Deutschland sei zwar weiter bereit, aus humanitären Gründen Menschen aufzunehmen, die etwa wegen ihrer Arbeit für ausländische Truppen in akuter Gefahr seien, sagte die Kanzlerin. „Wir dürfen aber keine falschen Hoffnungen wecken, dass man aus wirtschaftlichen Gründen jetzt Afghanistan verlassen und nach Deutschland gehen kann.“ Merkel verteidigte auch Abschiebungen.

Hintergrund ist, dass bis Ende Oktober in Deutschland bereits fast 68.000 Asylsuchende aus Afghanistan registriert wurden. Alleine im Oktober waren es mehr als 31.000. Damit rangieren Asylsuchende aus Afghanistan nach Syrern an zweiter Stelle in der Statistik der registrierten Neuankömmlinge. Merkel war von ihren Kritikern vorgeworfen worden, nicht deutlich genug zu betonen, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge und Migranten aufnehmen könne.

Merkel und Ghani erklärten, man wolle gemeinsam die illegale Migration aus Afghanistan in die EU stoppen. Die deutsche Polizeiausbildung werde deshalb künftig auf den Kampf gegen Schleuser und illegale Migration ausgedehnt, kündigte die Kanzlerin an. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere werde deshalb nach Afghanistan reisen.

Merkel erneuerte auch die Forderung nach Schutzzonen in Afghanistan, um eine Flucht aus dem Land zu vermeiden. „Es geht um innerstaatliche Fluchtalternativen“, sagte sie. Wenn Afghanen aus einem unsicheren Gebiet fliehen müssten, sollten sie künftig in andere, sicherere Gegenden in Afghanistan statt ins Ausland ziehen. Dort müsse den Menschen aber auch eine Lebensperspektive geboten werden, etwa mit Wohnungen oder Ausbildungsplätzen. Deutschland wolle dabei helfen.

Auch Ghani bekannte sich zum Kampf gegen illegale Migration und klagte über kriminellen Menschenschmuggel. „Jeder, der nach Europa geht, investiert 20.000 und 25.000 Dollar“, sagte er mit Blick auf die Kosten der Flüchtlinge für die Schleuserbanden. „Für jeden der in Europa ankommt, gehen vier oder fünf verloren“, fügte er mit Blick auf die Gefahren der Flucht hinzu. Es sei klar, „dass auch in Deutschland die Straßen nicht mit Gold gepflastert sind“.

Entscheidend sei, den Menschen Zukunftschancen in Afghanistan selbst anzubieten, betonte auch der afghanische Präsident. Hierfür sei das Bekenntnis der westlichen Staaten wichtig, Truppen auch über 2016 hinaus in Afghanistan zu belassen, um die Sicherheitslage zu verbessern. Nötig sei aber auch deutsche Hilfe bei der Ausbildung und der Schaffung von Arbeitsplätzen. „Ein entsprechendes Anreizpaket muss es geben“, forderte er.

Die Europäische Union schätzt einem Bericht zufolge, dass in diesem Jahr insgesamt 160.000 afghanische Flüchtlinge nach Europa kommen. „Es ist vor allem das Gefühl der Entmündigung, das die Gutausgebildeten zur Flucht motiviert, der Eindruck, dass sie über die Zukunft des Landes nicht mitentscheiden können“, sagte der EU-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Franz-Michael Mellbin, der Zeitung „Die Welt“ vom Donnerstag.

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