Statt zu konkurrieren wollen EU-Autoregionen enger zusammenarbeiten

Da die EU die Abschaffung von Benzin- und Dieselfahrzeugen anstrebt, geht die Nachfrage nach Teilen für Verbrennungsmotoren zurück, während in anderen Bereichen des Sektors - insbesondere bei der Herstellung von Batterien sowie beim Aufbau und der Wartung der Ladeinfrastruktur - die Beschäftigung zunehmen wird.  //Foto: Pawel Sosnowski www.pawelsosnowski.com [SMR/Sosnowski/Schmidt]

Mit dem Umstieg auf Elektromobilität droht ein verstärkter Wettbewerb um weniger werdende Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. Als Gegenmaßnahme wollen 29 Autoregionen in der EU nun stärker zusammenarbeiten.

Mit der Abkehr von Verbrennungsmotoren werden Arbeitsplätze in der Autobranche wegfallen, da das Zusammenstellen elektrischer Autos weniger Arbeitskraft benötigt.

Anfang des Jahres konnte man dies schon spüren, als der Automobilhersteller Ford zwei seiner Produktionsstätten in einem internen Wettbewerb gegeneinander antreten ließ. Dabei ging es um einen Standort zur Produktion von Elektrofahrzeugen (EV), wobei Ford seine Standorte im deutschen Saarlouis und im spanischen Valencia gegeneinander in Stellung brachte.

Im Juni dieses Jahres erhielt schließlich Valencia den Zuschlag, was in Saarlouis immer noch für Unmut sorgt. Der örtliche Betriebsrat beklagte diese Woche, dass die Kosten für den spanischen Standort nach der Entscheidung unerwartet gestiegen seien, berichtet die Saarbrücker Zeitung.

Eine neue Allianz von Automobilregionen in der EU lehnt es jedoch ab, sich nur als Konkurrenten zu betrachten. Sie möchten ihre Zusammenarbeit stärken, um von sich gegenseitig zu lernen, wie die Weiterbildung von Arbeitnehmer:innen, die Weiterentwicklung der regionalen Wirtschaft und das Schaffen neuer Arbeitsplätze jenseits des Automobilsektors erfolgreich funktionieren kann.

„Wir müssen diesen Wandel positiv angehen“, sagte der EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, auf dem ersten Arbeitstreffen der Allianz der Automobilregionen am Donnerstag (17. November) in Leipzig – einem Zusammenschluss von 29 EU-Regionen, in denen die Automobilbranche eine wichtige Rolle spielt.

„Positiv, das heißt natürlich auch, dass wir den Menschen Vertrauen geben müssen. Viele Arbeitnehmer haben das Gefühl oder die Angst, eventuell bei dieser Transformation am Wege stehenzubleiben, nicht mitgenommen zu werden. Das ist im Prinzip nicht der Fall, aber die Gefahr besteht“, so Schmit.

„Europa ist auch eben gerade ein Rahmen, wo man voneinander lernt“, fügte er hinzu. „Es geht nicht darum, dass jeder gegen jeden antritt, sondern es geht erst mal darum, voneinander zu lernen, zusammenzuarbeiten.“

EU einigt sich auf Verbrenner-Aus ab 2035

Die EU-Gesetzgeber haben sich am späten Donnerstagabend (27. Oktober) auf eine Vereinbarung geeinigt, die ein Ende des Verkaufs von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 vorsieht – eine bedeutsame Entscheidung, mit der Europa in eine weitgehend elektrische automobile Zukunft steuert.

Wettbewerb um weniger Stellen

Da sich die EU auf das Aus neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge geeinigt hat, geht die Nachfrage nach Teilen für Verbrennungsmotoren zurück. In anderen Bereichen des Sektors, insbesondere bei der Herstellung von Batterien sowie beim Aufbau und der Wartung der Ladeinfrastruktur, wird die Beschäftigung hingegen zunehmen.

Laut einem Bericht der Denkfabrik Next Economy Lab besteht jedoch ein Problem darin, dass die neuen Arbeitsplätze oft andere Qualifikationen erfordern als diejenigen, die künftig nicht mehr gebraucht werden. Auch geografisch stimmen die neu entstehenden Arbeitsplätze nicht unbedingt mit den wegfallenden Stellen in anderen Teilen der Industrie überein.

Die künftige Zahl der Arbeitsplätze wird zudem nicht nur anders über den Kontinent verteilt sein, sondern sie könnte auch insgesamt geringer ausfallen. Etwa 600.000 Arbeitsplätze im Zusammenhang mit dem Verbrennungsmotor „werden durch den Umstieg zu Elektrofahrzeugen vernichtet“, warnte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kürzlich in einem Interview mit POLITICO.

Schmit bestätigte, dass es sich um eine enorme Herausforderung handle. Arbeitsplätze könnten nicht eins zu eins durch die Elektromobilität ersetzt werden.

„Das ist jetzt unsere Aufgabe, zu sehen, wie wir neue Arbeitsplätze schaffen. Das kann im Bereich der Mobilität sein, es kann aber auch in anderen Sektoren sein“, sagte er.

Dass dies zu einem Ungleichgewicht zwischen verschiedenen Regionen führen könnte, räumten auch die Vertreter:innen der Regionalregierungen ein.

„Sie können sich vorstellen, dass bei 300 Regionen in Europa, von denen sich jetzt 29 in dieser Allianz zusammengeschlossen haben, natürlich auch die Interessen unterschiedlich sind, dass man sich in einer gewissen Konkurrenz befindet“, sagte Thomas Schmidt, Sachsens Staatsminister für Regionalentwicklung, auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Allianz.

„Und deshalb ist dieses einheitliche Angebot für uns ganz, ganz wichtig, dass man das dann auch mit einer gemeinsamen Stimme aus den Regionen an die Europäische Kommission und an das Parlament transportieren kann“, fügte er hinzu.

EU-Autoregionen fordern Beihilfen für einen "gerechten Übergang"

Da das Verbot der Produktion neuer Autos mit Verbrennungsmotor im Jahr 2035 so gut wie feststeht, haben sich die Regionen der EU, die Autos herstellen, zusammengeschlossen, um einen Unterstützungsmechanismus zu fordern, der den Übergang erleichtern soll.

EU-Gelder nötig, aber nicht nur

Die Allianz, die im Juni dieses Jahres vom Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR) gegründet wurde, erneuerte ihre Forderung nach einem „europäischen Mechanismus“ zur Unterstützung des Übergangs der Automobilregionen.

Dieser Mechanismus soll dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu minimieren, indem er sicherstellt, dass Arbeitnehmer:innen mit den richtigen Qualifikationen für den Einstieg in neue Bereiche ausgestattet werden.

Dabei könnte sich die EU am Strukturwandel in den Kohleregionen orientieren. Vom Kohleausstieg betroffene Regionen werden mit EU-Geldern aus dem Just Transition Fund (Fonds für einen gerechten Übergang, JTF) unterstützt.

Schmidt sagte, dass bei der nächsten Überprüfung des EU-Haushalts mehr Mittel für den JTF bereitgestellt werden sollten, wobei dieser zu einem „JTF 2.0“ erweitert werden sollte, um „eine breite Unterstützung auch für die Automobilindustrie“ zu ermöglichen.

Bei der Einigung auf das Ausstiegsdatum 2035 für Verbrennerautos forderten das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten die EU-Kommission auf, einen Bericht darüber zu erstellen, wie der Wandel in der Automobilindustrie gerecht organisiert werden kann. Dieser Bericht soll bis 2025 fertiggestellt sein, so der vereinbarte Text.

EU-Kommissar Schmit zeigte sich offen für eine Ausweitung des Just Transition Fund auf andere Wirtschaftssektoren als die Kohle und sagte, diese Frage könne man bei der Revision des mehrjährigen Finanzrahmens der EU diskutieren.

„Es ist klar, dass, was die sozialen Aspekte, die industriellen Aspekte, die technologischen Aspekte angeht, dass hier eine Unterstützung notwendig ist. Aber das trifft nicht nur für Automobil zu, das trifft zum Beispiel auch für einen Sektor wie die Stahlindustrie zu“, sagte er.

Geld ist aber nicht alles, betonte der sächsische Staatsminister.

„Wir sollten und müssen uns auch viel stärker auf Dinge konzentrieren, neben der eigentlichen Förderung, die kein Geld kosten“, sagte er bei der Pressekonferenz. „Wo kann man Hemmnisse abbauen und wo kann man Kooperation ausbauen? Was sind die Bereiche, die wir im Bereich Ausbildung, Bildung, Forschung vorantreiben können?“

Diese Fragen sollen im Rahmen der Allianz weiter diskutiert werden. Dazu werden jährliche Treffen abgehalten, von denen das Nächste in der spanischen Region Navarra stattfinden wird.

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[Bearbeitet von Sean Goulding Carroll/Nathalie Weatherald]

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